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# taz.de -- G7-Gipfel in Elmau: Große Egos und große Enttäuschungen
> Der Ukrainekrieg bestimmt die Agenda des G7-Gipfels. Das wirkt sich auch
> auf die Gegenproteste aus.
Bild: Sie wollen wirklich arbeiten: Die G7-Chefs am Sonntag
Garmisch-Partenkirchen taz | Samstagnacht hatte Markus Söder seinen großen
Moment. Er durfte dem US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden am Flughafen
München als Erster die Hand schütteln. Anschließend winkte er ein Mädel im
Dirndl und einen Buben in Lederhosen herbei, die dem hohen Staatsgast einen
blau-weißen Blumenstrauß überreichten.
Um wirklich keinen Zweifel aufkommen zu lassen, wer der wahre Gastgeber des
G7-Treffens sei, hatte der bayerische Ministerpräsident zuvor [1][noch
einen Tweet abgesetzt]: „Welcome to Bavaria. Wir begrüßen die wichtigsten
Staatschefs der Welt.“ Darunter Porträts der Regierungsoberhäupter von
Großbritannien, den USA, Frankreich, Italien, Japan und Kanada. Einer
fehlte. Söder etwa? Ach nein, Olaf Scholz.
Deutschland hat in diesem Jahr turnusmäßig die Präsidentschaft der G7 inne,
des Clubs der wirtschaftsstärksten Demokratien, und lädt wie schon 2015 zum
Gipfel auf [2][Schloss Elmau] ein. Bundeskanzler Scholz empfing Biden, die
anderen fünf Staats- und Regierungschefs sowie EU-Kommissionschefin Ursula
von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel am Sonntagvormittag in der
idyllischen Abgeschiedenheit des Wettersteingebirges. 18.000 Polizisten
sollen dafür sorgen, dass es abgeschieden bleibt.
Geprägt wird die Agenda des dreitägigen Get-together vom Krieg in der
Ukraine. Der spaltet die Welt in zwei Lager: Die einen verurteilen den
Krieg und sanktionieren Russland, die anderen schweigen und kaufen weiter
Gas und Öl bei Russland ein.
Das Gipfeltreffen dient denn auch dem Teambuilding: Dem Bundeskanzler sei
es wichtig, dass von dem Gipfel ein klares Signal der Unterstützung an die
Ukraine ausgehe und ein Signal der Geschlossenheit, die weltweiten Probleme
gemeinsam anzugehen, so das Kanzleramt. Einen ersten Erfolg vermeldete
Biden nach seinem Gespräch mit Scholz am Sonntagvormittag unter vier Augen:
Die G7 werden nun auch russisches Gold boykottieren.
Die Tagesordnung ist dicht bepackt: Am Sonntagvormittag tauschten sich die
Staatenlenker*innen über steigende Inflation und Energiekrise aus, am
Abend soll es um die künftige [3][Sicherheitsordnung gehen und am Montag
stehen die Themen Klima- und Hungerkrise an.] Große Themen – und eigentlich
waren auch große Proteste erwartet worden. „Klimakrise, Artensterben,
Ungleichheit: Die G7-Staaten tragen Verantwortung dafür, dass sich die
weltweiten sozialen und ökologischen Krisen immer dramatischer zuspitzen.
Gerecht geht anders“, hieß es im Aufruf.
## Nur wenige kommen zu den Demonstrationen
Die für 20.000 Teilnehmer*innen angemeldete [4][Demonstration in
München am Samstagmittag] blieb aber weit hinter den Erwartungen zurück.
Die Organisator*innen sprachen letztlich von 6.000 Teilnehmenden, die
Polizei nur von 4.000. Hinter dem Protest steckte ein Bündnis verschiedener
Nicht-Regierungsorganisationen, darunter Umweltverbände wie der BUND und
die kirchlichen Hilfswerke.
Polizist*innen waren im Gegensatz zu den Demonstrierenden zahlreich da:
3.000 Beamt*innen sollten den Zug sichern. Man rechnete auch mit einem
schwarzen Block. In der Nacht auf Mittwoch waren vor einem Hotel in der Au
acht Polizeiautos ausgebrannt, die Polizei vermutet einen
linksextremistischen Anschlag.
Auf der Demo blieb es allerdings ruhig. Nur am Ende kam es auf der
Theresienwiese kurz zu Gerangel. Die Polizei separierte den
antikapitalistischen Block. Es seien Auflagen nicht eingehalten und
Rauchtöpfe gezündet worden, hieß es gegenüber der taz. Nach wenigen Minuten
war die Aufregung wieder vorbei, die Abschlusskundgebung konnte beginnen.
Noch bevor sie zu Ende war, hatte sich der Platz allerdings fast
vollständig geleert.
Aus der Bewegung gibt es viele Vermutungen, weshalb die Mobilisierung für
die Proteste im Vorfeld nicht richtig gegriffen hat. Corona könnte ein
Grund sein. Nachdem in der Pandemie keine Straßenproteste möglich waren,
laufen diese erst langsam wieder an. Außerdem treten Klimakrise und Co. in
der Berichterstattung hinter akute Krisen wie den Krieg in der Ukraine
zurück. Nicht zuletzt könnte das immense Polizeiaufgebot hier in Bayern auf
eigentlich protestfreudige Menschen abschreckend wirken.
Dabei hätten die Aktivisten allen Grund zur Besorgnis. Weil Russland den
Gashahn abdreht, überlegt die Bundesregierung nun ganz offiziell, aus der
Selbstverpflichtung auszusteigen, ab diesem Jahr keine fossilen
Energieprojekte im Ausland mehr zu finanzieren. Es gehe darum, wie man das
ganze russische Gas kompensiere und dabei dem Bedürfnis von
Schwellenländern entgegenkomme, Gasexploration zu machen, heißt es dazu aus
dem Kanzleramt.
## Mit dem Polizeibus nach Elmau
Am Sonntag demonstrierten rund 15 Kilometer von Elmau entfernt etwa tausend
Menschen in der Innenstadt von Garmisch-Partenkirchen. Angemeldet hatte die
Demo Franz Haslbeck für das Bündnis „Stop G7“. Dahinter sammeln sich
diejenigen, die G7-Gipfel prinzipiell ablehnen.
Haslbeck beklagte sich am Sonntag über langwierige und undurchsichtige
Genehmigungsprozesse für die Proteste. Bis in Sicht- und Hörweite des
Gipfels dürften zudem nur 50 Aktivist:innen, die sich vorher ausweisen und
durchsuchen lassen müssen.
Ursprünglich hätten diese sogar in einem Polizeibus auf das Gelände kommen
sollen. „Aber wir wollten es vor allem unseren Aktivist:innen aus dem
globalen Süden, die teils traumatische Erfahrungen mit Polizeigewalt
gemacht haben, nicht zumuten, hier gleich in ein deutsches Polizeiauto
einsteigen zu müssen“, meint Haslbeck. Jetzt ist vereinbart, dass es einen
zivilen Bus gibt. Generell habe es aber unangemessene Auflagen gegeben,
berichtet der Organisator. Zum Beispiel gelte ein Hundeverbot. „Das ist
unüblich“, so Haslbeck.
Üblich dagegen: das „Familienfoto“ der G7 vor imposanter Bergkulisse. Neben
Biden stehen diesmal Olaf Scholz und Boris Johnson. Noch ein großes Ego.
26 Jun 2022
## LINKS
[1] https://twitter.com/Markus_Soeder/status/1540810009528999936
[2] /Wo-die-G7-gipfeln/!5862986
[3] /G7-Gipfel-in-Elmau/!5862858
[4] /-Nachrichten-zur-Stop-G7-Demo-/!5863411
## AUTOREN
Anna Lehmann
Lena Wrba
Susanne Schwarz
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