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# taz.de -- Scholz-Vorschlag zur hohen Inflation: Nur ein Mal mehr Geld
> Bonus statt Tariferhöhung? Der Vorschlag des Kanzleramts an Arbeitgeber
> und Gewerkschaften bleibt zunächst vage. Auf Kritik stößt er trotzdem
> schon.
Bild: Hafenmitarbeiter in Emden streiken, sie wollen mehr als Einmalzahlungen
Berlin taz | Grenzenlose Begeisterung hat der Vorstoß aus dem Kanzleramt
erst mal nicht ausgelöst – nicht bei den Unternehmen, nicht bei den
Gewerkschaften, auch nicht bei den Koalitionspartnern. Am Montagmittag zum
Beispiel tritt Grünen-Chefin Ricarda Lang nach der Vorstandssitzung ihrer
Partei vor die Presse. „Olaf Scholz ist jetzt vorangegangen und hat einen
Vorschlag gemacht“, sagt sie. Spannend sei der, man werde ihn sich
anschauen. Einen „Überbietungswettkampf“ solle die Regierung jetzt aber
lieber nicht starten – und sich stattdessen auf „den Prozess mit den
Arbeitgebern und den Gewerkschaften einlassen“.
Am kommenden Montag treffen sich die Tarifpartner und Regierungsvertreter
im Kanzleramt. Schon Anfang Juni hatte der Bundeskanzler [1][zu dieser
„konzertierten Aktion“ eingeladen], um gemeinsam über den Umgang mit den
steigenden Preisen zu beraten. Am Sonntag nun hat das Kanzleramt über die
Bild-Zeitung einen ersten Vorschlag lanciert: Die Gewerkschaften sollen bei
den kommenden Tarifverhandlungen auf zu hohe Gehaltserhöhungen verzichten,
die Arbeitgeber dafür einen einmaligen Bonus zahlen und der Staat auf
diesen Betrag keine Steuern fordern.
Der Gedanke hinter dem Konzept: Fürs Erste könnten die Tarifbeschäftigten
ihre höheren Lebenshaltungskosten abfedern. [2][Eine Lohn-Preis-Spirale],
bei der sich höhere Tarife und Preissteigerungen gegenseitig hochschaukeln,
würde aber verhindert. Mit konkreten Zahlen ist der Vorschlag noch nicht
hinterlegt. Ein Regierungssprecher wollte den Bericht am Montag noch nicht
mal bestätigen.
Von anderen Seiten kommen dagegen Bedenken. Los geht es schon bei der
Problemanalyse: Unter Wirtschaftswissenschaftlern ist es umstritten, ob in
der aktuellen Situation tatsächlich eine Lohn-Preis-Spirale droht. Auslöser
für die aktuelle Inflation ist ja ein eingeschränktes Rohstoff- und
Warenangebot als Auswirkung der Coronapandemie und des Ukrainekriegs.
Mit hohen Tarifforderungen haben sich die Gewerkschaften in den vergangenen
beiden Jahren dagegen zurückgehalten, die inflationsbereinigten Reallöhne
sind zwei Jahre hintereinander gesunken. Entsprechend beschränkt ist auch
die Bereitschaft bei den Gewerkschaft, weiterhin übermäßig zu verzichten.
„Einmalzahlungen bringen uns nicht weiter“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke
am Montag im Bayerischen Rundfunk.
## Bedenken in der Koalition
Eine Gerechtigkeitsfrage warf ausgerechnet FDP-Chef Christian Lindner auf.
„Einmalzahlungen könnten sinnvoll sein“, schrieb er auf Twitter. „Aber wo
Unternehmen hohe Gewinne machen, ist eine Subventionierung der Arbeitgeber
nicht angezeigt.“ Tatsächlich gibt es ja Branchen, die in der Krise ihre
Gewinne ausbauen und sich sowohl höhere Tarife als auch Steuern auf
Bonuszahlungen leisten könnten.
Nach der großen Kritik am Tankrabatt, von dem nicht zuletzt die
Mineralölkonzerne profitierten, ist der Finanzminister nun offenbar
vorsichtiger; außerdem würde der Steuerverzicht an dieser Stelle mit seinen
Wünschen kollidieren, die Einkommensteuer zu senken und die Schuldenbremse
einzuhalten.
Und dann ist da noch das Problem, dass vom Vorschlag aus dem Kanzleramt
längst nicht alle profitieren würden. „Wir müssen diejenigen unterstützen,
die wirklich Unterstützung brauchen“, sagte Grünen-Chefin Lang am Montag
auf ihrer Pressekonferenz. Wer keinem Tarifvertrag unterliegt – mehr als
die Hälfte der Arbeitnehmer, darunter viele Geringverdiener –, hätte von
einer Einigung mit den Tarifparteien ja erst mal nichts. Arbeitslose,
Studierende oder Rentner schon gar nicht. Gut möglich also, dass die
Entlastungsfrage auch nach der „Konzertierten Aktion“ noch lange nicht
abschließend geklärt sein wird.
27 Jun 2022
## LINKS
[1] /Scholz-Plan-fuer-konzertierte-Aktion/!5855298
[2] /DGB-Forderungen-zum-1-Mai/!5847591
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Inflation
Olaf Scholz
Arbeitgeber
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