# taz.de -- Schutz natürlicher Ressourcen: Tausche Natur gegen Geld | |
> Reiche Länder bezahlen dafür, dass arme Länder zum Klimaschutz ihre | |
> natürlichen Ressourcen nicht ausbeuten. Das klingt abwegig, ist aber | |
> sinnvoll. | |
Bild: Verzicht auf Ölförderung gegen eine Kompension? Ölbohrung im Amazonasg… | |
Von Belize über Gabun bis zu den Seychellen hat der COP26-[1][Klimagipfel] | |
in Glasgow ein altes Tauschmodell wiederaufleben lassen: Entwicklungsländer | |
mit einem für Weltklima und Biodiversität wichtigen Naturschatz bieten | |
reichen Ländern und privaten Investoren an, diesen Schatz vor | |
wirtschaftlicher Ausbeutung zum Nachteil des Weltklimas zu schützen. Im | |
Gegenzug verlangen sie die Bereitstellung von Kapital. Die Logik dahinter: | |
Reiche Länder haben mehr Interessen am Schutz der Natur als arme, für die | |
wirtschaftliche Nutzung Priorität hat. Diese Interessenunterschiede sind | |
Grundlage des sogenannten Nutznießerprinzips (victim pays principle). | |
Anders als früher gewinnen jetzt neben reicheren Staaten auch private | |
Anleger Interesse an solchen Tauschgeschäften, um Forderungen nach | |
nachhaltigeren Investitionen nachzukommen. | |
1987 machte Bolivien mit dem ersten debt-for-nature swap (DNS) den Anfang: | |
[2][Eine Nichtregierungsorganisation erhielt Mittel von einer US-Stiftung], | |
um auf dem Sekundärmarkt internationale Altschulden des Landes mit einem | |
erheblichen Abschlag aufzukaufen und Bolivien de facto zu erlassen. Im | |
Gegenzug stellte Bolivien Mittel in heimischer Währung zur Verfügung, die | |
für den Schutz der natürlichen Ressourcen eingesetzt werden sollten. Wegen | |
seiner Zahlungsbilanznot war das für Bolivien reizvoll. | |
Die Erfahrungen mit dieser Urversion der DNS waren nicht ermutigend. Trotz | |
relativ kleiner Summen verglichen mit den Gesamtschulden [3][zogen sich | |
Verhandlungen mit den staatlichen Gläubigern], zumeist im Pariser Klub der | |
offiziellen Geber, lange hin. Strittig waren der Gegenwartswert im | |
Vergleich zum Nennwert der Schulden, Wechselkursrisiken, das | |
Mitspracherecht der Geber, die Höhe der Beiträge des Schuldnerlandes in | |
heimischer Währung und seine Verwendung, vor allem aber das Erreichen und | |
Überprüfen der Ziele. Vielfach wurde die Natur weiter ausgebeutet. | |
Zwanzig Jahre später machte der damalige Präsident Ecuadors, Correa, ein | |
neues Angebot: Verzicht auf die Ölförderung in einer intakten | |
Regenwaldregion, wenn die internationale Gemeinschaft das Land finanziell | |
kompensiert – nach Vorstellungen Correas in Höhe der Hälfte der erwarteten | |
Öleinnahmen. Correa stellte als Gegenleistung Mittel für die Förderung | |
erneuerbarer Energien in Aussicht. Nachdem die Reaktion der internationalen | |
Gemeinschaft weit hinter den Erwartungen Correas blieb, begannen 2016 die | |
Ölbohrungen. Die Bundesregierung lehnte das Angebot besonders vehement ab, | |
sie sah nur Anreize für unterlassene Ölförderung, nicht aber für aktiven | |
Naturschutz. | |
COP26 hat gezeigt, dass beide Varianten künftig an Bedeutung gewinnen | |
werden. Der Schuldenstand vieler Entwicklungsländer ist wegen der Pandemie | |
stark gestiegen, naturgebundene Dienstleistungen wie Ökotourismus konnten | |
nicht mehr verkauft werden. Damit schwinden Anreize für den Naturschutz. | |
Gleichzeitig werden sich die Länder aber zunehmend des ökologischen Wertes | |
ihrer Ressourcen gegenüber reichen Ländern bewusst. Diese müssten das | |
Unterlassen oder Begrenzen wirtschaftlicher Ausbeutung honorieren. Anbieter | |
eines Tauschgeschäfts gibt es also tendenziell mehr. Auch die Nachfrage | |
steigt: Dank der öffentlichen Diskussionen rund um die Klimakonferenzen | |
steigt der Druck auf reiche Länder und ihren Finanzsektor, natürliche | |
Ressourcen in armen, hochverschuldeten Ländern zu schützen. Beliebig | |
gewählte Transfers wie 100 Milliarden US-Dollar jährlich reichen dafür | |
nicht aus, so die Überzeugung. Zusätzlich ist die Ausgabe rentabler „grüner | |
oder blauer Anleihen“ durch den privaten Finanzsektor nötig. Die | |
Kaufbereitschaft für solche Anleihen würde voraussichtlich wachsen, wenn | |
sie längere Laufzeiten hätten, sie zumindest teilweise von internationalen | |
Institutionen gegen Ausfall geschützt und überprüfbar an den Erfolg des | |
Naturschutzes geknüpft wären. Damit sich beide Seiten treffen, sind vier | |
Erfahrungen aus der Vergangenheit nützlich: | |
Erstens, der völlige Verzicht auf eine wirtschaftliche Nutzung natürlicher | |
Ressourcen ist kontraproduktiv. Er senkt den Anreiz in ärmeren Ländern, den | |
ökologischen Wert der Ressourcen zu erkennen und sich für den Schutz | |
einzusetzen. Umgekehrt steigt der Anreiz für Raubbau. Einnahmen | |
beispielsweise aus hochwertigem Ökotourismus oder aus dem Verkauf von | |
natürlichen Ressourcen für die Medizin- und Arzneimittelforschung könnten | |
die Balance zwischen Schutz und Nutzung bewahren. | |
Zweitens, schützenswerte Räume sollten nur minimal infrastruktuell | |
erschlossen werden, um die Balance zu bewahren. Erfahrungen mit privat | |
finanzierten Nationalparks zeigen einen Konflikt mit wirtschaftlichen | |
Zielen jenseits des Ressourcenschutzes, der von vornherein ausgeschlossen | |
werden sollte. | |
Drittens, die zu schützenden Räume sind nicht menschenleer. Der Bevölkerung | |
sollte nicht nur ein Mitsprache-, sondern auch ein Vetorecht dann | |
zugestanden werden, wenn die Interessen an wirtschaftlicher Nutzung | |
überhandnehmen. Auch dies ist ein Balanceakt, da nicht ausgeschlossen | |
werden kann, dass die Bevölkerung diese Interessen teilt. | |
Viertens, ob die Zusagen zum Schutz der Natur eingehalten werden, sollte | |
eine qualifizierte internationale Institution überprüfen. Sie sollte Geber | |
beraten, um sowohl die Sinnhaftigkeit von Anträgen auf Mittel zu überprüfen | |
als auch die Balance mit wirtschaftlicher Nutzung durch Agrarproduktion | |
oder Tourismus zu wahren. | |
Die Pandemie und der Klimawandel öffnen [4][die Schere zwischen Ländern mit | |
und ohne wertvollen Ressourcen]. Deshalb können die Erfahrungen mit DNS | |
hilfreich sein, um Ländern mit wertvollen Ressourcen Zugang zu Mitteln zu | |
verschaffen, die ihr Eigeninteresse am Schutz der Ressourcen steigert. | |
15 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Rolf Langhammer | |
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