# taz.de -- Klimaprotest in Berlin: Bei Lindner besetzt | |
> Aktivist:innen haben sich Zutritt zum Finanzministerium verschafft. | |
> Sie fordern den Schuldenschnitt für arme Länder, die unter der Klimakrise | |
> leiden. | |
Bild: Tag der offenen Tür im Finanzministerium: Das haben die AktivistInnen w�… | |
BERLIN taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bekam am | |
Montagmittag unerbetenen Besuch: Klimaaktivist:innen protestierten | |
vor seinem Ministerium in Berlin und drangen teilweise in das Gebäude ein. | |
Unter anderem veröffentlichten die Gruppen „Extinction Rebellion“ und | |
„Letzte Generation“ [1][Fotos und Videos] der Aktion auf Twitter. | |
Sie kritisieren Lindners Schuldenpolitik gegenüber dem globalen Süden, der | |
stark unter der Klimakrise leidet. Die Zerstörung, die extremes Wetter | |
hinterlässt, treibt arme Staaten oft weiter in die Schuldenspirale. Die | |
Aktivist:innen [2][fordern deshalb einen Schuldenschnitt]. Sie | |
argumentieren auch damit, dass Industriestaaten wie Deutschland die | |
Klimakrise hauptsächlich verursacht haben und somit ökologische Schulden | |
bei den armen Ländern hätten. | |
Die Polizei bestätigte die Besetzung des Finanzministeriums gegenüber der | |
taz. Demnach seien mehrere Dutzend Personen im Eingangsbereich, im zweiten | |
und im vierten Stock festgestellt worden, sagte eine Sprecherin. Teils | |
hätten sich die Aktivist:innen festgeklebt. Um kurz vor 15 Uhr sei die | |
Räumung abgeschlossen gewesen, es werde diverse juristische Verfahren | |
geben, so die Sprecherin. | |
Lindner reagierte auf Twitter auf den Protest. „In Washington haben wir uns | |
zur Verschuldung mit afrikanischen Staaten getroffen. Da bleiben wir dran“, | |
[3][schrieb] er in dem sozialen Netzwerk. „Die Aktion hätte ich also nicht | |
gebraucht, den Dienst hat sie aber nicht gestört.“ | |
## Warnung vor Klima-Schuldenkrise | |
Unabhängig von der Berliner Protestaktion haben internationale | |
Klimaschutz-Organisationen am Montag vorgerechnet, welche finanzielle Last | |
durch die Klimakrise auf arme Länder zukommt. Afrikanische Länder südlich | |
der Sahara müssen aufgrund des Klimawandels innerhalb der nächsten zehn | |
Jahre voraussichtlich mehr als eine Billion Euro an Schulden aufnehmen, | |
teilten das Climate Action Network und das Internationale Aktionsnetzwerk | |
für Schuldengerechtigkeit mit. | |
Die Summe entspreche einer 50-prozentigen Erhöhung des aktuellen | |
Schuldenstands. Auch Sindra Sharma vom Climate Action Network findet, dass | |
dem globalen Süden durch die Klimakrise ein Schuldenschnitt zusteht. Aber | |
auch darüber hinaus fordert sie mehr Geld von den reichen für die armen | |
Länder. Versprochen haben die fraglichen Regierungen seit 2020 jährliche | |
100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen – | |
vollständig geliefert haben sie die Summe bisher nicht. | |
„Die Weigerung der entwickelten Länder, ihren fairen Anteil am Klimaschutz | |
zu zahlen, steht in direktem Zusammenhang mit der Schuldenkrise, die sich | |
im globalen Süden entwickelt und noch im kolonialen Erbe verwurzelt ist“, | |
sagte Sharma. Es sei zudem „eine weitere Ungerechtigkeit“, dass es bislang | |
keine internationalen Gelder für den Umgang mit unvermeidbaren Schäden | |
gebe. | |
Dass die Industrieländer in dieser Hinsicht besonders zurückhaltend sind, | |
hat juristische Gründe. Sie befürchten, dass die Zahlung von Schadensersatz | |
als Schuldeingeständnis gewertet werden könnte – und arme Länder sich so | |
immer mehr Geld einklagen könnten. Nur langsam kommt Bewegung in die | |
Debatte. Dänemark hatte kürzlich [4][als erster UN-Staat angekündigt], Geld | |
für klimawandelbedingte Schäden zur Verfügung zu stellen. | |
Auch in Kopenhagen kennt man allerdings die Sorge vor weiteren | |
Haftungsansprüchen. Entwicklungsminister Flemming Møller Mortensen wollte | |
deshalb bei seiner Ankündigung das Wort Schadensersatz nicht selbst in den | |
Mund nehmen. „Ich rede nicht über Schadensersatz oder juristische | |
Verantwortlichkeit“, sagte der Sozialdemokrat. „Ich rede davon, die | |
richtigen Mittel zu finden, um den verletzlichsten Menschen zu helfen, die | |
am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden.“ | |
17 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/XRBerlin/status/1581944691498438656 | |
[2] /Oekonom-ueber-G7-Gipfel/!5862869 | |
[3] https://twitter.com/c_lindner/status/1581966335558361088 | |
[4] /100-Millionen-Daenische-Kronen/!5880049 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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