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# taz.de -- Energiekooperationen in Nahost: Fragile Deals gegen den Strommangel
> Im Libanon ist der Strom seit Jahren knapp. Das nahe Jordanien will
> helfen – doch Geldmangel und Sanktionen erschweren die Zusammenarbeit.
Bild: Im Libanon ist Strom vielerorts täglich nur ein paar Stunden verfügbar
Amman taz | Der Libanon braucht dringend Strom. Seit Jahren liefert der
staatliche Energieversorger Électricité Du Liban vielerorts [1][nur ein
paar Stunden am Tag Elektrizität]. Jordanien will das gut 300 Kilometer
nördlich gelegene Land mit 150 Megawatt (MW) Strom nachts- und 250 MW
tagsüber versorgen.
In den Leitungen, die sich vom haschemitischen Königreich ins Nachbarland
Syrien erstrecken und dann weiter in den Libanon, sollte der Strom
eigentlich bereits flieβen. Ein entsprechendes Abkommen wurde Ende Januar
unterzeichnet, die ersten Lieferungen sollten schon im März Beirut
erreichen.
Doch es hapert auf der libanesischen Seite, heißt es in Jordanien. „Von
unserer Seite ist alles bereit. Wir haben alle Anforderungen erfüllt“, so
der Präsident der nationalen Stromgesellschaft [2][NEPCO], Amjad Rawashdeh.
Man warte darauf, dass die libanesische Seite die Frage der Finanzierung
kläre. „Sobald sie uns eine Zahlungsgarantie geben, können wir sie
beliefern.“
Laut Medienberichten sollte die Weltbank in die Finanzierung des Projekts
involviert sein. Der Strom aus Jordanien soll voraussichtlich etwa 200
Millionen Dollar pro Jahr kosten. Der libanesische Energieminister, Walid
Fayyad, erklärte Ende April, die Bank analysiere noch die „politische
Machbarkeit“ des Vorhabens. Mitte Mai gab der Minister bekannt, das
Kreditinstitut hätte einige Bedingungen geändert.
Eine entsprechende Anfrage der taz an das libanesische Ministerium blieb
unbeantwortet, die Weltbank lehnte eine Antwort ab. Nun hat die
libanesische Regierung jedoch eine heimische Firma mit einem Audit des
staatlichen Energieunternehmens beauftragt – wohl eine Bedingung der
Weltbank, um die Kredite zu gewähren.
## Eine weitere Hürde: Die Sanktionen gegen Syrien
Auf dem Weg zum jordanischen Strom stellt sich eine weitere Hürde: Vor etwa
zwei Jahren haben die USA die sogenannten Caeser-Sanktionen gegen Syriens
Regime verhängt. Wer Geschäfte in gewissen Bereichen mit Baschar al-Assads
Regierung macht, kann mit wirtschaftlichen und politischen Folgen rechnen.
Die [3][Caesar-Sanktionen], benannt nach dem Informanten, der Folter von
Zivilisten unter Assads Regime öffentlich machte, sollen verhindern, dass
die syrische Regierung Unterstützung bekommt, solange die Gewalt gegen die
Bevölkerung anhält.
Die Energie muss aber in diesem Fall über das Bürgerkriegsland laufen, acht
Prozent davon sind als Sachleistungen für Syrien vorgesehen. Laut
Medienberichten sollen die Vereinigten Staaten versichert haben, dass die
Partnerländer wegen der Sanktionen keine Probleme gehabt hätten. Doch
einige US-Politiker haben Bedenken geäußert. Das Risiko sei, dass der Deal
als Beispiel diene, um die Sanktionen gegen das syrische Regime in Zukunft
zu umgehen, schrieben beispielsweise Senator Jim Risch und Parlamentarier
Michael McCaul in einem Brief an Außenminister Antony Blinken, kurz nachdem
der Deal unterschrieben wurde.
Auf Nachfrage der taz teilt eine Sprecherin des US-Außenministeriums mit,
„die Regierung der Vereinigten Staaten wartet auf die endgültigen Verträge
und Finanzierungsbedingungen“, um sicherzugehen, dass sowohl der Stromdeal
als auch ein ähnliches Gasabkommen zwischen Ägypten und dem Libanon mit der
politischen Linie der USA übereinstimmen. Und fügt hinzu: „Wir unterstützen
keine Bestrebungen, die Beziehungen mit Syrien zu normalisieren (…) und
haben die Sanktionen gegen Syrien nicht aufgehoben“.
## Transfer durch Syrien keine Normalisierung der Beziehungen
Ein [4][Telefonat zwischen] dem jordanischen König Abdullah II. und Syriens
Machthaber Assad im Oktober, das erste seit Kriegsbeginn, werteten manche
Medien und Experten als einen Schritt in Richtung Normalisierung der
Beziehungen.
Für den jordanischen Politologen Amer al-Sabaileh besteht jedoch derzeit
keine Normalisierung. „Die Lage scheint sich eigentlich verschlechtert zu
haben: Schmuggler, Milizen, indirekte Anschuldigungen“, führt er aus.
Ähnlich drückt sich der Politikwissenschaftler Armenak Tokmajyan aus. „Ich
würde nicht sagen, dass das, was wir sehen, eine Normalisierung ist. Es ist
eher ein pragmatischer Schritt Jordaniens, unterstützt von einigen
arabischen Ländern und toleriert von den USA.“ Tokmajyan forscht am
Carnegie Middle East Center in Beirut. Außer einer Verbesserung der
Wirtschaftsbeziehungen, sagt er, „gibt es bislang wenig positiven
Fortschritt in der Beziehung zwischen Jordanien und Syrien.“
Ohne den Segen der USA kann das Abkommen nicht umgesetzt werden, darüber
herrscht in Jordanien Konsens. „Die US-Regierung muss ihre Zustimmung
geben, diese Bedingung ist sehr wichtig, ohne sie können wir nicht
voranschreiten“, sagt NEPCO-Präsident Rawashdeh.
## USA unterstützen Jordanien finanziell
Jordanien ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Nahen Osten. Das
Königreich ist eines der wenigen stabilen Länder in der Region, hat in den
vergangenen Jahren mehrere hunderttausend Geflüchtete aufgenommen und
beteiligt sich am Kampf gegen den Terrorismus. Dafür bekommt es finanzielle
Unterstützung: Nach Angaben der US-Regierung hat das Land 2021 insgesamt
mehr als 1,6 Milliarden Dollar von den USA erhalten.
Die Vereinbarung mit Jordanien sollte für etwa zwei zusätzliche
Energiestunden am Tag sorgen. Wenn der [5][Gasdeal mit Ägypten], der den
Libanon ebenfalls mit Strom beliefern sollte, zustande kommt, wäre man bei
insgesamt sechs zusätzlichen Energiestunden am Tag. Eine kleine Hilfe.
Allerdings zu wenig, um den Libanon wirklich zu erhellen und das
Stromproblem tatsächlich zu lösen.
21 Jun 2022
## LINKS
[1] /Energiekrise-im-Libanon/!5859514
[2] https://www.facebook.com/National-Electric-Power-Company-NEPCO-Jordan-46503…
[3] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/usa-caesar-act-syrien-sanktione…
[4] https://english.alarabiya.net/News/middle-east/2021/10/03/Jordan-s-King-Abd…
[5] https://www.reuters.com/world/middle-east/lebanon-egypt-sign-final-gas-deal…
## AUTOREN
Serena Bilanceri
## TAGS
Jordanien
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Strom
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