# taz.de -- Kraftstoff im Libanon: Ziemlich dicke Luft | |
> Der Libanon subventioniert kein Benzin mehr. Kraftstoff ist dort | |
> überlebenswichtig, zur Stromgewinnung nutzen ihn Staat wie | |
> Privathaushalte. | |
Bild: Nach dem Ende der Subventionen steigen die Preise von Benzin | |
BEIRUT taz | Gerade mal 57 Cent mehr müssen Autofahrer*innen im | |
Libanon bezahlen, wenn sie diese Woche 20 Liter Benzin tanken. Der Preis | |
ist gestiegen, weil der libanesische Staat die Subventionen für den | |
Kraftstoff vollständig aufgehoben hat. 20 Liter kosten nun umgerechnet | |
18,66 Euro. | |
1 Liter für 91 Cent – das ist nach internationalen Maßstäben extrem | |
günstig, bedeutet jedoch steigende Preise für die informellen Busse und | |
Taxen. Denn im Libanon gibt es keinen öffentlichen Nahverkehr, auch keine | |
Züge. Für viele öffentliche Bedienstete, darunter Lehrkräfte und das | |
Militär, übersteigen die monatlichen Fahrtkosten ihre Gehälter. | |
Denn das Land befindet sich in einer [1][schweren Wirtschaftskrise], seit | |
drei Jahren sinkt der Wert der lokalen Währung stetig. Lebensnotwendige | |
Güter wie Benzin, Medizin und Lebensmittel werden importiert – ihr Preis | |
richtet sich nach dem globalen Markt. Der libanesischen Zentralbank fehlen | |
die Reserven an Devisen, um nötige Subventionen für diese Güter zu | |
bezahlen. | |
Nun gibt es keinen Preisnachlass mehr auf Benzin – aber auch keine | |
Knappheit. Denn vergangenen Sommer, als das Benzin komplett subventioniert | |
wurde, hielten Tankstellenbetreiber*innen den Kraftstoff zurück, um | |
ihn bei Aufhebung der Subventionen teurer zu verkaufen. Andere verkauften | |
das subventionierte Benzin zum globalen Marktpreis in Syrien weiter. An den | |
Tankstellen bildeten sich wegen der künstlichen Knappheit lange Schlangen. | |
## Das Energieministerium bestimmt die Preise | |
Im Oktober 2021 beschloss die Regierung dann, den Großteil der Subventionen | |
aufzulösen. Seitdem bestimmt das Energieministerium die Kraftstoffpreise. | |
Das hatte zuletzt 20 Prozent des Preises in der sogenannten Sayrafa-Rate | |
angesetzt. Dieser Wechselkurs – von libanesischer Lira zu der Importwährung | |
US-Dollar – ist etwas niedriger als der des Parallelmarkts. Jetzt wird das | |
Benzin komplett zu Preisen des Parallelmarktes verkauft. | |
Der Generaldirektor für Erdöl im Energieministerium sagte, dass es zwei | |
Preisaktualisierungen an einem Tag geben könne, wenn es zu erheblichen | |
Schwankungen des Wechselkurses und der internationalen Rohölpreise kommt. | |
Für Tankstellenbetreiber*innen ist das eine Erleichterung – sie | |
müssen sich nicht mehr an die Zentralbank wenden, um umständlich an die | |
Subventionen zu kommen. | |
Kraftstoff ist im Libanon lebensnotwendig – besonders Diesel. Weil der | |
Staat pleite ist, liefert die staatliche Strombehörde kaum noch Strom. Seit | |
Jahrzehnten wurde kein neues Kraftwerk mehr gebaut. Mehrere Pläne | |
scheiterten an Interessenskonflikten in den politischen Lagern oder | |
Korruption. Die alten Schwerölkraftwerke können den Bedarf schon lange | |
nicht mehr decken. | |
Deshalb kommt der Strom aus Generatoren, die auf Gehwegen oder in | |
Häuserkellern stehen – und eigentlich Notstromaggregate sind. Ohne sie | |
würden die Menschen im Dunkeln sitzen – das nutzen die Betreiber*innen | |
finanziell aus. Die monatliche Stromrechnung für ein Gerät mit nur 5 Ampere | |
liegt zwischen 80 und 130 Euro. Damit lassen sich nicht mal Waschmaschine | |
und Klimaanlage parallel nutzen. | |
## Die Generatoren verpesten die Luft | |
Der schwüle Sommer im Libanon ist begleitet vom [2][Summen der Generatoren | |
und ihren schwarzen Partikeln], die sie in die Luft schleudern. Die | |
Generatoren verpesten die Luft mit Schadstoffen, sind aber lebensnotwendig | |
geworden. Denn selbst Krankenhäuser müssen ihren Strom mit | |
Dieselgeneratoren selbst produzieren. | |
Zu den Partikeln gesellt sich nun der Schmutz der staatlichen Generatoren. | |
In den sozialen Medien verbreiteten sich Bilder von dickem, schwarzen Smog. | |
Der Staat kämpft mit der Energieproduktion, im vergangenen Jahr kam | |
ausschließlich Schweröl aus dem Irak zum Einsatz, um die Kraftwerke am | |
Laufen zu halten. | |
Nun haben sich die Lieferungen verzögert. Der libanesische | |
Ministerpräsident Najib Mikati und sein Energieminister Walid Fayad haben | |
daher am Freitag genehmigt, die alten Anlagen mit 40.000 Tonnen | |
minderwertigem Brennstoff zu betreiben. Dieser lagerte seit Monaten in den | |
Stromwerken. Der Strom soll an staatliche Einrichtungen wie [3][den Hafen], | |
den Flughafen und die Wasserstation von Beirut gehen. | |
Das Energie- und Wasserministerium und die Strombehörde entschuldigten sich | |
für die Umwelt- und möglichen Gesundheitsschäden bei den Anwohnenden. Man | |
wolle die „totale Dunkelheit“ vermeiden. | |
14 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Drogenkonsum-in-Syrien-und-Libanon/!5838700 | |
[2] https://www.greenpeace.org/mena/en/appr/ | |
[3] /Jahrestag-der-Hafenexplosion-in-Beirut/!5872693 | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
## TAGS | |
Libanon | |
Strom | |
Kraftstoff | |
Subventionen | |
GNS | |
Energiekrise | |
Benzin | |
Libanon | |
Libanon | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Libanon | |
Jordanien | |
Libanon | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Öffentlicher Nahverkehr im Libanon: Geordnetes Chaos | |
Staatlichen ÖPNV gibt es im Libanon kaum. Busse und Taxis werden privat | |
betrieben. Wegen der Wirtschaftskrise steigen mehr Menschen ein. | |
Währungskrise im Libanon: Mit der Pistole zum Geldabheben | |
Im Libanon fordern viele Anleger*innen mit Gewalt ihr Geld von den | |
Banken zurück. Deshalb haben die Filialen auf unbestimmte Zeit geschlossen. | |
Privatisierte Strände im Libanon: Die im Geld schwimmen | |
Das Meer lockt vor der libanesischen Hauptstadt. Doch wer in Beirut baden | |
möchte, muss zahlen. Fast alle Strände sind entweder privatisiert oder | |
verbaut. | |
Währungskrise im Libanon: Geiselnahme in libanesischer Bank | |
Im Libanon hat ein Bewaffneter Geiseln genommen, um an sein Geld zu | |
gelangen. Durch die Währungskrise haben viele Banken Auszahlungen begrenzt. | |
Energiekooperationen in Nahost: Fragile Deals gegen den Strommangel | |
Im Libanon ist der Strom seit Jahren knapp. Das nahe Jordanien will helfen | |
– doch Geldmangel und Sanktionen erschweren die Zusammenarbeit. | |
Energiekrise im Libanon: Solaranlagen gegen das System | |
Im Libanon gibt es keinen zuverlässigen, günstigen Strom. Solarenergie | |
könnte das Land erhellen, aber auch das politische System transformieren. |