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# taz.de -- Aktivist zur EU-Perspektive Georgiens: „Ein Signal an Europa“
> In Georgien protestieren Zehntausende für den EU-Beitritt des Landes.
> Schota Digmelaschwili ist einer davon – und kritisiert die Regierung in
> Tiflis.
Bild: „Wir sind Europa“ steht auf den Schildern der Demonstranten im georgi…
taz: Herr Digmelaschwili, diese Woche sind [1][Zehntausende auf den
Rustaveli-Boulevard in Tiflis] gekommen, um für Europa zu demonstrieren.
Was bedeutet das für Sie?
Schota Digmelaschwili: Wenn wir von den Kämpfen für die Unabhängigkeit Ende
der 80er Jahre einmal absehen, war das die größte Kundgebung, die Georgiens
Hauptstadt jemals gesehen hat. Das war ein Signal an Europa. In Georgien
können sich die Menschen zwar nicht auf eine Ideologie oder Politik
verständigen. Wenn es aber um die Integration in Europa geht, ist man sich
einig.
Georgien bekommt den [2][Status als EU-Kandidat noch nicht]. Finden Sie das
gerechtfertigt?
Was unsere Regierung angeht, ja. Wenn wir über die Menschen reden, nein.
Ich möchte daran erinnern, wie viel Schweiß und Blut für die
Euro-Integration vergossen wurden, in den vergangenen 30 Jahren gab es
mehrere Kriege. Und wir haben ein historisches Trauma. 2008 wurde Georgien
nicht in den Aktionsplan für eine [3][Nato-Mitgliedschaft] aufgenommen,
zwei Monate später kam es zum Krieg mit Russland. Wenn Europa damals eine
härtere Position gegenüber dem autoritären Russland eingenommen hätte,
wären wir heute in einer anderen Lage.
Warum ist Georgiens Platz in Europa?
Schon die georgische Verfassung von 1921 war sehr fortschrittlich mit
Gewaltenteilung, Wahlrecht für Frauen und Minderheitenschutz. Auch heute
zeigt sich, wie ähnlich wir uns kulturell sind, abgesehen von der Armut.
Unseren Nachtclub Bassiani in Tiflis kann man mit dem Berghain in Berlin
vergleichen.
Gibt es in Georgien Politiker, die europäische Werte teilen?
Ja, aber die Opposition ist sehr fragmentiert. Das folgt einer gewissen
Gesetzmäßigkeit. Je stärker der Autoritarismus ist, desto schwächer ist die
Opposition. In einer solchen Situation muss die Zivilgesellschaft den
Politikern ein Signal senden: Es ist an der Zeit, sich zu vereinen.
Wie kann man den Einfluss von Bidzina Iwanischwili – Gründer der
Regierungspartei Georgischer Traum, Ex-Regierungschef, Oligarch und einer
der wichtigsten Männer in der georgischen Politik – ausschalten?
Unter der derzeitigen Regierung ist das unmöglich. Heute regieren
diejenigen Georgien, die bereits früher in Iwanischwilis Firmen gearbeitet
und Macht über das Land ausgeübt haben. Iwanischwili hat diese Leute
ausgewählt, weil sie ihm gegenüber loyal sind. Sie sind von ihm abhängig.
In den vergangenen zehn Jahren haben drei Regierungschefs ohne Angabe von
Gründen ihren Posten geräumt, zwei haben sich ganz aus der Politik
zurückgezogen. Warum? Vielleicht gibt es belastendes Material gegen sie.
Wie wird Ihre neue Bewegung aussehen und welcher Methoden wird sie sich
bedienen?
Sie wird vor allem inklusiv. 85 Prozent der Bevölkerung unterstützen
Georgiens EU-Beitritt. Wir alle haben ein Ziel: Georgien nach Europa zu
führen. Unsere genauen Pläne werden wir bald bekannt geben.
Die EU-Kommission wird Ende des Jahres noch einmal überprüfen, ob Georgien
Fortschritte gemacht hat, und eine weitere Empfehlung abgeben. Was möchten
Sie den führenden Politikern Europas mit auf den Weg geben?
Ihr entscheidet über das Schicksal des georgischen Volks. Unsere Regierung
vertritt uns nicht, also bestraft das georgische Volk nicht für deren
Fehler. Georgien hat viele demokratische Reformen durchgeführt, also
vergesst nicht unser anhaltendes Streben nach Europa. Uns jetzt abzulehnen
hieße, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis die nächste Chance kommt.
24 Jun 2022
## LINKS
[1] /Proteste-in-Georgien/!5862776
[2] /EU-Kandidatenstatus-fuer-die-Ukraine/!5863018
[3] /Georgien-wartet-auf-NATO-Beitritt/!5849949
## AUTOREN
Sandro Gvindadze
## TAGS
Georgien
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