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# taz.de -- Panzerlieferungen an die Ukraine: Hin und Her
> Deutschland will die Ukraine über Ringtausche mit zusätzlichen Panzern
> versorgen. Die Zusammenarbeit mit Tschechien läuft glatt, die mit Polen
> nicht.
Bild: Tschechien soll erste Leopard-Panzer noch in diesem Jahr erhalten
Panzer, Raketenwerfer, Flugabwehrsysteme: Die Erwartungen an Deutschland
sind hoch, wenn es um [1][Waffenlieferungen an die Ukraine] geht. Die Nato
und die EU wollen auch die Staaten der Ostflanke aufrüsten und stärken.
Bisher fällt die Waffenhilfe für die Ukraine und die Alliierten in
Osteuropa aber recht kläglich aus.
Ein Beispiel dafür sind die Ringtausche mit deutschen Leopard-2-Panzern.
Schon seit der Krim-Annexion 2014 nimmt der Bedarf an Hauptkampfpanzern bei
den Europäern zu. Der [2][Leopard 2] ist besonders beliebt. Mit einem
Anteil von fast 50 Prozent ist er der häufigste Panzer in der EU und
Nato-Europa, so eine Erhebung des Istituto Affari Internazionali in Rom.
Doch statt umfassend in die Produktion zu investieren, werden die
bestehenden Kapazitäten hin und her geschoben.
So auch in Deutschland: Zum Ende des Kalten Krieges hatte die Bundeswehr
2000 Leopard 2. Anfang des letzten Jahrzehnts waren es noch 350, danach
fiel die Zahl weiter auf 225. Anlässlich der Krim-Annexion im Jahr 2014
begann dann ein gemächlicher Ausbau der Bestände: Bis 2030 soll es 328
Leopard 2 in der neuesten Version A7 geben.
Dieser „kleine“ Panzeraufwuchs der Bundeswehr wird aber auch nicht neu
produziert. Er stammt noch aus dem Leopard-Altlager der Industrie. Von dort
kaufte sie die Bundeswehr samt Erneuerung. Das Heer bat außerdem in der
vergangenen Legislatur um eine sogenannte Umlaufreserve von weiteren 80
Panzern – vergeblich.
## Keine schnelle Lösung
In den rund drei Monaten seit der russischen Invasion hat die Ukraine 186
Kampfpanzer verloren, so die Open-Source-Analyseplattform Oryx um den
Niederländer Stijn Mitzer. Um die Ukraine aufzurüsten, sagte die
Bundesregierung nun einen Ringtausch mit Tschechien zu. Tschechien gab
bisher eine unbekannte Anzahl aus einem Bestand aus rund 100 eingelagerten
sowjetischen T-72-Panzern der Uraltversion M1 an die Ukraine ab. Panzer,
die in Tschechiens Militärplanungen schon lange keine Rolle mehr spielen.
Nun erhält Tschechien von Deutschland dafür 15 Leopard 2 der ältesten
A4-Version geschenkt, die in sechs Monaten kommen sollen, wie Tschechiens
Verteidigungsministerin Jana Černochová bekannt gab. Damit werden erste
Panzerbesatzungen trainiert. Parallel laufen Verhandlungen zum Kauf von 50
neu produzierten Leopard 2 der neuesten Version A7.
Ein paar Altpanzer zur Ausbildung, die neuen kommen später: So wurde auch
schon 2018 bei Ungarns Kauf von 44 Leopard 2 A7 vorgegangen – keine
schnelle Lösung, denn die Produktion der Panzer dauert mehr als fünf Jahre.
Die ersten soll Ungarn im kommenden Jahr erhalten. Allerdings gibt sich
Tschechien explizit mit einer militärischen Juniorrolle zufrieden: Die
Armee plant nur mit einem einzigen Panzerbataillon, das sie an größere
Armeen andocken kann. Dafür hat Tschechien vor allem Deutschland im Blick.
Die Bundeswehr hat hierfür mit tschechischen Landstreitkräften eine
Kooperation am Laufen, unter dem sperrigen Namen „Affiliation“ – zu
Deutsch: Annäherung. Was in Tschechien funktioniert, sorgt aber in Polen
für Stress.
So [3][warf Polens Präsident Andrzej Duda der deutschen Seite vor Kurzem
„Wortbruch“ vor], weil die Verhandlungen feststecken. Polen hat einen
immensen Panzerbedarf. Während die Bundeswehr mit sechs Panzerbataillonen
plant, hat Polen elf und will die Zahl weiter erhöhen. Der Grund: Das
Gelände vom südrussischen Smolensk über Belarus bis Warschau gilt als
ideales Panzerterrain. Ob russische Heere gen Westen oder Napoleon und
Nazi-Wehrmacht Richtung Osten: über Jahrhunderte liefen Feldzüge über diese
Trasse. Somit gilt eine starke Panzerflotte Polen als essenziell, um
Vorstöße auf die Hauptstadt abzufangen. Zudem versteht sich Polen anders
als Tschechien nicht als Junior-, sondern als militärische Führungsmacht an
der Ostflanke.
Das Rückgrat von Polens Panzerflotte ist bis jetzt der Leopard 2. Fast 250
Stück hat es, günstig der Bundeswehr abgekauft in den Versionen A4 und A5,
als Deutschland in den frühen 2000er Jahren seine Panzer loswerden wollte.
Hinzu kommen 560 Panzer verschiedener sowjetischer Typen. Davon hat
Warschau der Ukraine angeblich mehr als 200 T-72 zukommen lassen. Stimmt
das, sind die Reserven bis zum Armeebestand aufgebraucht. Seine
Sowjetmodelle will Polen schon seit Langem ersetzen. In den letzten Jahren
versuchte es vergeblich, weitere Leopard 2 zuzukaufen. Ältere spanische
Versionen waren zu abgenutzt. Und die Bundeswehr wollte nun keine mehr
abgeben. Warschau wiederum wollte nicht in eine Neuproduktion investieren,
da es seine Streitkräfte zunehmend „Made in Poland“ ausstatten möchte.
Der Ukrainekrieg sorgt nun dafür, dass Polen Druck auf Deutschland macht,
um doch noch an Leopard-Panzer zu kommen. Abseits der „Wortbruch“-Vorstöße
auf der politischen Bühne ist der Ton konzilianter. Ein Sprecher des
Verteidigungsministeriums in Warschau sagte der taz: „Polen ist offen
gegenüber allen Lösungen, um die Rüstungslücke zu schließen. Sicherlich
beziehen sich diese nicht nur auf die allerneuesten Versionen schweren
Geräts, welches in Deutschland produziert wird.“
Klar ist allerdings: Ein rascher Ringtausch mit Leopard-2-Panzern ginge
nur, wenn die Bundeswehr direkt aus ihrem Bestand abgäbe. Das wird bisher
ausgeschlossen. Aber es wird weiter an Kooperationen gearbeitet. Aus der
Panzertruppe der Bundeswehr heißt es, zum Jahresbeginn 2023 werde eine
Premiere angestrebt: Erstmals soll eine polnische Leopard-2-Kompanie als
Teil des deutschen Nato-Bataillons in Litauen im Einsatz sein.
10 Jun 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Björn Müller
## TAGS
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