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# taz.de -- Desolate Lage der Deutschen Bahn: Die Bahn wird zur Chefsache
> Verkehrsminister Wissing will im DB-Konzern stärker mitmischen.
> Schienensanierungen sollen klüger geplant werden. Die Verkehrsbranche ist
> skeptisch.
Bild: Eine von vielen: Bahn-Baustelle an der Rheintalstrecke zwischen Karlsruhe…
Berlin taz | Bundesverkehrsminister [1][Volker Wisssing (FDP)] nimmt die
Zügel bei der Deutschen Bahn stärker in die Hand. Er will die aktuellen
Sanierungsprobleme des Konzerns zur „Chefsache“ machen und die
Einflussmöglichkeiten des Bundes auf die Deutsche Bahn vergrößern.
Das Schienennetz wurde über Jahre auf Verschleiß gefahren, das rächt sich
jetzt. Die nötigen Sanierungen führen momentan zu massiven Störungen. Wegen
der umfangreichen Bauarbeiten kommt es immer wieder zu erheblichen
Verspätungen, Züge fallen aus oder sind – nicht nur wegen [2][des
9-Euro-Tickets] – überfüllt. Nach Wissings Angaben stehen 200 Güterzüge
still.
„So wie es ist, kann es nicht bleiben“, sagte Wissing bei einem gemeinsamen
Auftritt [3][mit Bahn-Chef Richard Lutz] in Berlin. „Ich will die Probleme
angehen und lösen, indem ich sie zur Chefsache mache.“ Dazu wird zum 1.
Juli im Verkehrsministerium eine Steuerungsgruppe eingerichtet, die
Probleme früh erkennt und Gegenmaßnahmen einleitet. Damit sollen auch „die
Eigentümerinteressen des Bundes“ stärker durchgesetzt werden, sagte
Wissing. „Ich nehme die Unzufriedenheit bei den Bürgerinnen und Bürgern
sehr ernst.“ Ein besserer Schienenverkehr sei zentral für die Erreichung
der Klimaziele.
## Die Bahn will künftig durchdachter planen
Der Minister und Lutz stellten ein neues Sanierungskonzept vor: Die
Deutsche Bahn will besonders stark frequentierte Strecken zu sogenannten
Hochleistungskorridoren und einem Hochleistungsnetz ausbauen, etwa die
Verbindung Frankfurt–Mannheim oder die Verkehrsknoten Köln, Hamburg oder
Nürnberg. Bislang wurde so billig wie möglich gebaut, auch wenn Strecken
dafür mehrfach nacheinander gesperrt werden mussten.
Künftig will die Deutsche Bahn intelligenter planen, indem sie später
anstehende Renovierungen vorzieht und alles auf einmal erledigt. Strecken
werden dann etwas länger gesperrt, aber sollen für viele Jahre nicht
renoviert werden müssen. Die erforderlichen Mittel würden zur Verfügung
gestellt, versicherte Wissing. „Das hat für uns absolute Priorität.“ Zahl…
nannte er aber nicht.
Die Deutsche Bahn will mit der Bau-Bündelung 2024 beginnen. „Wir müssen
erst mal Umleitungsstrecken fit machen“, erklärte Bahn-Chef Lutz. Er ist
seit 2010 im Vorstand des Konzerns und seit 2017 dessen Vorsitzender, für
die desolate Lage also durchaus mitverantwortlich. Angesichts der
Ankündigung von Wissing, den Einfluss des Bundes zu stärken, gab er sich
gelassen. „Ich fühle mich nicht an die Leine genommen“, behauptete er. Es
gebe eine große Einigkeit in der Diagnose, was gemacht werden müsse.
## Mehr Einfluss für den Bund
Wissing kündigte außerdem an, dass 2024 eine gemeinwohlorientierte
Infrastrukturgesellschaft der Bahn starten soll. Darin sollen verschiedene
Tochtergesellschaften zusammengefasst werden. Darauf hatten sich SPD, Grüne
und FDP im Koalitionsvertrag geeinigt. Auch mit der neuen Gesellschaft
sollen die Steuerungsmöglichkeiten des Bundes gestärkt werden, sagte
Wissing. Im Jahr 2023 soll ein geeignetes Modell entwickelt werden. „Es
darf nicht passieren, dass die Möglichkeiten des Eigentümers, Einfluss zu
nehmen, durch das Gesellschaftsrecht eingeschränkt werden“, sagte Wissing.
In der Bahnbranche kommen die angekündigten Sanierungsvorhaben nicht gut
an. Mit Skepsis reagierte der Bundesverband SchienenNahverkehr (BSN). „Wir
haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, so
BSN-Präsident Thomas Prechtl. Seit Jahren fordere der Verband, dass die
verschiedenen Bahn-Töchter ihre Baumaßnahmen aufeinander abstimmen sollen.
„Die Ankündigungen von Besserung hören wir jedes Jahr aufs Neue“, sagte e…
## Netz bleibt überlastet
Der Güterbahnenverband Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) findet das
vorgestellte Konzept zu vage. „Hochleistungsnetz ist eine undefinierte
PR-Floskel für Strecken, auf denen schon heute bis zu 250 Züge am Tag
fahren müssen“, sagte Ludolf Kerkeling vom NEE. „Die Bündelung von
Baumaßnahmen in Korridoren hatten schon Andi Scheuer und der DB-Vorstand
2019 angekündigt.“
Die Allianz pro Schiene – ein Bündnis aus Organisationen wie Gewerkschaften
und Umweltverbänden – begrüßt dagegen den Ansatz, besonders stark
frequentierte Schienenstrecken zu einem Hochleistungsnetz zu entwickeln.
„Insbesondere die Bündelung von Baumaßnahmen und Entwicklung von
leistungsfähigen Korridoren sind wichtige Schritte zur
Systemstabilisierung“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege. Die Sanierung sei
aber kein Ersatz für mehr Tempo bei der Erweiterung des Schienennetzes,
mahnte er. Ein bereits überlastetes Netz bleibe auch mit einer besseren
Baustellenplanung überlastet.
22 Jun 2022
## LINKS
[1] /Kuenftiger-FDP-Minister-provoziert-Gruene/!5814750
[2] /Neun-Euro-Ticket-an-Pfingsten/!5856654
[3] /Deutsche-Bahn-trotzt-Energiekrise/!5841364
## AUTOREN
Anja Krüger
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