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# taz.de -- Wirtschaftsweise über Energiekrise: „Gas einsparen, wo es mögli…
> Noch vor Kurzem war sie gegen längere AKW-Laufzeiten, jetzt ist sie
> dafür: Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm darüber, was für sie jetzt
> anders ist.
Bild: Die deutschen AKW sollen zum Jahresende vom Netz gehen
taz: Frau Grimm, Sie waren lange gegen Atomkraft, jetzt in der Gaskrise
fordern Sie plötzlich die Evaluierung einer AKW-Verlängerung. Das
Wirtschaftsministerium hat das doch im Frühjahr geprüft. Das Ergebnis: Die
Brennstäbe sind Ende des Jahres leer – und neue erst im Herbst 2023
verfügbar. Warum bringen Sie das trotzdem noch mal ins Spiel?
Veronika Grimm: Da sind die Informationen sehr unterschiedlich. Wenn es
denn machbar ist, halte ich es schon für einen wichtigen Beitrag, dass man
die Atomkraftwerke weiterlaufen lässt. Diesen Winter helfen sie zwar nicht,
aber wir denken zu wenig über die Zeit danach nach.
In den nächsten fünf Jahren werden wir ökonomisch – vor allem mit Blick auf
die Energiepreise – in einer sehr schwierigen Situation sein. Deshalb ist
es schon sehr wichtig, nicht leichtfertig zu sagen, dass man den
Atomausstieg nicht noch mal aufschnüren will. Das ist ein sehr heißes
Eisen, das ist mir auch klar.
Mal angenommen, es klappt technisch: Atomstrom ist ja [1][ohnehin schon
sehr teuer]. Aber wenn jetzt noch ein jahrelang angeschobener
Abschaltungsprozess umgekehrt werden muss, dann explodieren die Kosten doch
umso mehr, oder?
Das ist nicht klar. Die Kernkraftwerke stehen ja schon, die sind ja schon
abgeschrieben. Natürlich fallen aber Kosten für Brennstäbe an und man muss
die Mitarbeiter:innen überzeugen, vom Vorruhestand zurückzutreten. Man
muss sich parallel natürlich einen Überblick über die Kosten verschaffen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Weiterbetrieb zu verträglichen Kosten
realisierbar wäre, ist aber relativ hoch.
Es ist zudem nicht nur eine Frage der Preise, sondern auch der
Alternativen. Gas ist ja nicht nur teuer, sondern vor allem potenziell
knapp. Wir wollen vermutlich auch [2][nicht jahrelang immer mehr
klimaschädliche Braunkohle] verfeuern.
Die drei deutschen AKW produzieren nur Strom, Gas wird aber vor allem als
Industrierohstoff und Wärmelieferant knapp. Zusammengefasst: [3][Hoher
Aufwand, geringer Nutzen] – stimmt da die Gesamtbilanz?
Man muss Gas an allen Stellen einsparen, wo es möglich ist. Insgesamt ist
es für die Versorgungssicherheit wichtig, auch beim Stromangebot dafür zu
sorgen, dass man ausreichend Flexibilität hat.
Langfristig muss man sich ohnehin überlegen, wie man sich aufstellen will.
Wir wollen den Kohleausstieg 2030 einhalten. Dafür braucht man einen Zubau
an Gaskraftwerken. Damit die tatsächlich gebaut werden, braucht es
politische Entscheidungen. Damit meine ich nicht öffentliche Investitionen,
sondern eine verbindliche Klarstellung bezüglich der Rahmenbedingungen und
vor allem zum Datum des Kohleausstiegs. Geschieht dies nicht, haben wir
2030 noch einen signifikanten Bedarf an Kohlestrom.
Aber Flexibilität ist ja eine große Schwäche der Atomkraft: Wir wollen doch
fürs Klima Windräder und Solaranlagen – und dazu Kraftwerke, die man
schnell für eine Stunde zuschalten kann, wenn doch mal Sonne und Wind
fehlen. Das geht mit Gaskraftwerken gut, aber mit den trägen
Atomkraftwerken gar nicht.
Das ist richtig. Ich würde deshalb auch nicht vorschlagen, Atomkraftwerke
dauerhaft im Energiesystem zu verankern. Höchstens für die nächsten fünf
Jahre, in denen wir noch diese Grundlast brauchen, aber es einen Mangel an
Alternativen zu Gas gibt.
Wir sollten natürlich alles daran setzen, die Erneuerbaren auszubauen. Wenn
man sich die Ausbauziele anguckt, die jetzt angekündigt wurden, sind die
sehr viel höher als alles, was bisher realisiert wurde. Um die Ziele zu
erreichen, muss man unglaublich viel in Bewegung setzen. Das Engagement
dürfte auf keinen Fall gedämpft werden, falls wir durch die Atomkraft einen
Puffer haben. Das muss klar sein.
21 Jun 2022
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## AUTOREN
Susanne Schwarz
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