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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Das Hadern, das Leben
> Die diesjährige Ausgabe des polnischen Filmfestivals filmPOLSKA bietet
> intime Dokumentarszenen und ein surreales Rap-Musical.
Bild: „Other People“ (R: Aleksandra Terpińska, 2021)
Vater und Sohn sind auf der Reise. Sie sitzen im Campingbus und fahren von
Polen nach Frankreich. Es geht nicht in den Urlaub, sondern der Vater will
zurück zu seinen Wurzeln, in das Land, in dem er geboren wurde.
Die Fahrt wird ein Trip in die Vergangenheit und reißt allerlei Wunden auf.
Der Alte erzählt viel aus seinem Leben, der Junge fragt nach und will immer
mehr wissen. Auch von Dingen, über die man bei seinen Eltern eigentlich
lieber nicht informiert sein möchte.
Einen intimen Dokumentarfilm hat Pawel Lozinski mit “Father and Son“ (2013)
gedreht. Seine Herangehensweise ist ganz simpel: Er installiert einfach
eine Kamera in dem Camper und zeichnet mit dieser die entstehenden
Gespräche auf. Eingestreute alte Super-8-Aufnahmen aus dem Familienarchiv
zeigen ein Glück, das teilweise nur Schein war, wie Lozinski zunehmend
erfährt.
Dieser ist Filmemacher, genau wie sein Vater Marcel, der sogar einmal für
den Oscar nominiert war und in Polen als Ikone des Dokumentarfilms gilt. Es
könnte sich also auch ein Werkstattgespräch entwickeln in diesem
nichtfiktionalen Roadmovie.
Vertreter zweier Generationen jüdischer Filmemacher in Polen könnten sich
über ihre unterschiedlichen Erfahrungen in diesem Metier austauschen. Doch
über den Film und die Kunst geht es kaum. Dafür eher darum, ob der eigene
Vater immer noch den Frauen hinterherschaue (tut er) und ob Sex noch eine
Rolle spiele (tut er weniger). Und wie sie denn so war, die Beziehung zu
seiner Mutter und warum sie in die Brüche ging.
Zwei, die sich nahe stehen, denen man aber auch die typische
Vater-Sohn-Distanz anmerkt, tasten sich gegenseitig ab, konfrontieren sich
mit den schmerzlichsten Dingen und kommen schließlich endlich in Frankreich
an, was den Vater sichtbar glücklich macht und ihn dennoch bald schon vom
Tod sprechen lässt. Man sieht mit “Father and Son“ einen schlicht gemachten
und dennoch berührenden Film, der an die Kraft des Gesprächs glaubt.
Zu sehen ist er bei der neuen Ausgabe des [1][polnischen Filmfestivals
filmPOLSKA], bei dem vom 22. – 29. Juni 69 Filme in mehreren Berliner Kinos
gezeigt werden. Zum Programm gehören Kurz-, Lang- und Dokumentarfilme und
ein Wettbewerb. Ein paar polnische Filmklassiker wie etwa “Asche und
Diamant“ (1958) von Andrzej Wajda werden ebenfalls gezeigt.
## Durch die Handlung gesprungen
Im Wettbewerk läuft auch “Other People“ (2021) von AleksandraTerpińska, d…
mehrere Personen in Warschau portraitiert, die miteinander verbunden sind
und von denen jede auf seine Weise mit dem Leben hadert. Da ist vor allem
Kamil, der in einem trostlosen Plattenau lebt, zusammen mit seiner Mutter
und seiner Schwester.
Er schlägt sich so durch das Leben mit Kreinkriminalität und Schwarzarbeit.
Seine Freundin liebt er nicht und lässt sie das auch spüren. Der
gefühlskalte Sex mit Iwona, mit deren Ehe es gerade gehörig den Bach runter
geht, bietet da wenigstens ein bisschen Abwechslung.
“Other People“ ist die gleichnamige Verfilmung eines Romans von Dorota
Maslowska, die in ihrer Heimat als enfant terrible der Popliteratur gilt.
Dass man sie schon mit Irvine Welsh verglichen hat, liegt nahe, wenn man
sich die Verfilmung ihres Romans ansieht, der ähnlich rasant daher kommen
möchte wie die Leinwandadaption von “Trainspotting“.
Es gibt viele hektische Handlungssprünge, andauernd surreale Szenen und
Drogen spielen auch eine Rolle. Um noch mehr zu knallen, rappen die
Protagonisten andauernd und der Film ähnelt zunehmend einem Musical. Das
Problem ist nur, dass all die Handlungsstränge so richtig nicht zueinander
finden wollen und das Effekthascherische sich zunehmend abnutzt.
22 Jun 2022
## LINKS
[1] https://instytutpolski.pl/berlin/category/programm/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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