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# taz.de -- Filmtipps für Berlin: Was zum Zwang wird
> Lutz Pehnert spricht in Potsdam über seinen Bettina Wegner-Film, die
> Eva-Lichtspiele zeigen „Lachende Erben“, den Regisseur Max Ophüls
> verschmähte.
Bild: Nennt Westdeutschland heute noch „Drüben“: Die Liedermacherin Bettin…
Ein Leben in und zwischen zwei deutschen Staaten, eine große Geschichte von
Verwurzelung und Entwurzelung: Die politische Liedermacherin Bettina Wegner
wuchs in Ost-Berlin auf, entwickelte sich zur „kritischen“ Sozialistin,
besang den Alltag in der DDR. Offenheit und Spontanität stellte sie sich
vor, doch damit hatten es Staat und Justiz im Land der Arbeiter und Bauern
bekanntlich ebenso wenig wie mit Kritik.
Erstmals kam sie 1968 mit der Justiz in Konflikt, als sie mit Flugblättern
gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei
protestierte; als sie dann 1976 den Protest gegen die Ausbürgerung von Wolf
Biermann unterschrieb, gab man auch ihr ein West-Visum, ließ sie fast nur
noch im Westen auftreten und hoffte, dass sie einfach dort bleiben würde.
Als das nicht klappte, eröffnete man ein absurdes Ermittlungsverfahren
wegen Zoll- und Devisenvergehen, das sie 1983 zur Übersiedelung nach
West-Berlin zwang.
Seitdem fühlt sich die Sängerin entwurzelt, das Wort „drüben“ benutze sie
auch heute immer noch für den Westen, sagt Wegner. Regisseur Lutz Pehnert
erzählt in „Bettina“ diese Geschichte einer Frau, die sich nie verbiegen
ließ, in einer sehr schlüssigen Weise mit heutigen Interviews,
Archivmaterialien und aktuellen Proben zu einer Konzerttournee, bei denen
die Lieder die einzelnen Stationen ihres Lebensweges kommentieren und
beleuchten. Darüber kann Pehnert sicher auch gut selbst Auskunft geben,
nach der Filmvorführung beim „Aktuellen Filmgespräch“ mit der
Medienwissenschaftlerin Jeannette Eggert im Filmmuseum Potsdam (28. Juni,
19 Uhr, [1][Filmmuseum Potsdam], außerdem Termine in div. Berliner Kinos).
## Casting-Parodie und Erbengemeinschaft
Schon seit vielen Wochen läuft das Animationsmusical „Sing: Die Show deines
Lebens“ um den Koalabären und Theaterbesitzer Buster Moon als Dauerbrenner
in den Berliner Kinos. Jetzt hat das Wolf Kino in Neukölln den
Vorgängerfilm „Sing“ (2016) noch einmal in ihr Programm anspruchsvoller
Kinderfilme genommen: eine recht amüsante Parodie der allgegenwärtigen
Casting-Shows, ganz im gängigen Stil der Produktionsgesellschaft
Illumination („Ich – Einfach unverbesserlich“) mit vielen Verfolgungsjagd…
und Gags in schneller Folge.
Trotzdem liegt die Stärke dieses Computeranimationsfilms gerade in der
Charakterisierung seiner Figuren: Insbesondere die Gags mit Johnny, einem
Gorilla, der sich lieber künstlerisch betätigt als mit seinem Vater
Einbrüche zu verüben, und mit der Schweinedame Rosita, die sich Zuhause mit
einem Routineleben als Hausfrau und Mutter von 25 Ferkeln plagt, besitzen
Charme und Witz (23.–29. Juni, 16.30 Uhr, [2][Wolf Kino]).
Okay, es ist nicht unbedingt der Höhepunkt im Schaffen eines genialen
Regisseurs: „Ich machte ihn mit reiner Routine“, verkündete Max Ophüls in
späteren Jahren über seine dritte Regiearbeit „Lachende Erben“ (1933) und
behauptete, er hätte garantiert kein Geld für eine Kinokarte ausgegeben.
Genau das sollte man aber möglicherweise doch tun, denn der Film um den
wacker trinkfesten Erben (Heinz Rühmann) eines Weinguts, der einen Monat
keinen Alkohol trinken darf, damit die Erbschaft rechtsgültig wird (und die
übergangenen Verwandten, die ihn natürlich zum Trinken verführen wollen),
besitzt durchaus Charme: Neben dem dauerquasselnden Rühmann gibt es recht
emanzipierte Frauenfiguren, Dialoge mit einigem Wortwitz und eine typische
Regieidee von Ophüls, wenn die gierige Verwandtschaft bei der
Testamentseröffnung aus dem Blickwinkel eines Porträts des Erblassers
aufgenommen wird (29. Juni, 15.45 Uhr, [3][Eva-Lichtspiele]).
23 Jun 2022
## LINKS
[1] https://www.filmmuseum-potsdam.de/Bettina.html
[2] https://wolfberlin.org/de
[3] https://www.eva-lichtspiele.de/
## AUTOREN
Lars Penning
## TAGS
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