# taz.de -- Japanischer Animationsfilm „Belle“: J-Pop rettet die Welt | |
> „Belle“ inszeniert ein soziales Netzwerk als sprudelnde Fantasiewelt. | |
> Leider kommen die Stärken des Films in deutscher Fassung nicht zur | |
> Geltung. | |
Bild: Reale und virtuelle Welt werden in „Belle“ möglichst extreme Weise k… | |
Das Internet kann jeden zum Star machen, aber ebenso schnell Karrieren | |
zerstören: Gerät man in einen Shitstorm, ist es mit dem Vergnügen in | |
sozialen Medien schnell vorbei. In einer Welt, in der ein soziales Netzwerk | |
mächtiger und in gewisser Weise authentischer ist als alle Facebooks, | |
Second Lifes und Tiktoks zusammen, spielt „Belle“, ein Animationsfilm des | |
japanischen Regisseurs Mamoru Hosoda. | |
„U“ heißt hier das soziale Netzwerk, englisch lautmalerisch für „you“… | |
„du“. Fünf Milliarden Nutzer hat dieses Netzwerk, das weit mehr ist als | |
eine Plattform, auf der Nutzer sich hinter Avataren verstecken und sich auf | |
jegliche erdenkliche Weise präsentieren und profilieren können. Eine | |
„Bodysharing“ genannte Technologie verknüpft die physischen und vor allem | |
psychischen Eigenschaften der echten Nutzer mit ihren virtuellen | |
Doppelgängern, doch nicht nur das: Die Technik bringt die verborgenen | |
Talente der Nutzer zum Vorschein. | |
Angesichts dieser Beschreibung, die sich wie eine Mischung aus [1][„The | |
Matrix“], „Ghost in the Shell“ und ähnlichen futuristischen Szenarien | |
liest, mag es überraschen, dass weite Teile von „Belle“ in einer typischen, | |
bukolischen, weich gezeichneten japanischen Kleinstadt spielen. Hier lebt | |
Suzu, ein 17-jähriges Mädchen, das als Kind die Mutter verloren hat und in | |
der Schule eine Außenseiterin ist. So verschüchtert agiert Suzu, dass nur | |
ihrer besten Freundin, der Computerexpertin Hiroka, bekannt ist, wie gut | |
Suzu singen kann. | |
## Suzu verwandelt sich in „Belle“ | |
Erst als Suzu sich in der Welt von „U“ in „Belle“ verwandelt kommt, ihr | |
Talent zur Geltung, gefolgt vom scheinbar wichtigsten Wert unserer Zeit: | |
Likes und Followern. Doch wie das in den sozialen Netzwerken üblich ist, | |
ruft Erfolg schnell Neider auf den Plan. Ein Avatar namens Beast stört | |
einen großen Auftritt von Belle. Doch im Gegensatz zu ihren Fans, die das | |
Biest beschimpfen und entlarven wollen, zeigt sich Belle fasziniert von dem | |
Wesen. | |
In einem fantastischen Schloss in der virtuellen Welt entwickelt sich nun | |
eine Variante der klassischen Schöne-und-das-Biest-Geschichte, die ihre | |
Auflösung jedoch bezeichnenderweise nicht in der bunten, überbordenden Welt | |
des sozialen Netzwerks findet, sondern in der viel profaneren, dafür | |
authentischen realen Welt. | |
Ein wenig schlicht mag sich diese Moral anhören, passt damit aber ganz gut | |
in einen sehr japanischen Film, der mit ebenso großen wie einfachen | |
Gefühlen arbeitet, um seine Variante einer klassischen | |
Coming-of-Age-Geschichte zu erzählen. Mamoru Hosoda verknüpft sie mit einem | |
besonderen stilistischen Dreh, der als „J-Pop rettet die Welt“ bezeichnet | |
werden könnte. Und der es in diesem Fall ganz besonders wichtig macht, nach | |
Möglichkeit die Originalversion von „Belle“ anzuschauen. | |
## Weichgespülte Powerballaden | |
Denn während im Original zwar sehr eigenwillige, aber durch und durch | |
authentische J-Pop-Songs gesungen werden, die von der Band „millennium | |
parade“ stammen, hat sich der deutsche Verleih bei der Synchronfassung dazu | |
entschieden, die Moderatorin und Sängerin Lara Trautmann nicht nur die | |
Dialoge sprechen zu lassen, sondern auch die Songs auf Deutsch zu singen. | |
Was dazu führt, dass die originalen Songs durch weichgespülte Powerballaden | |
ersetzt wurden, die Poesiealbumtexte à la „Mein Herz ist so schwer“ oder | |
„Ich denke nur an dich“ enthalten. | |
Schade, dass eine der größten Stärken des Films in der deutschen Fassung | |
dadurch kaum zur Geltung kommt. Denn gerade die druckvollen J-Pop-Songs | |
passen mit ihren treibenden Beats und der hochgetunten Gesangstimme perfekt | |
zu den visuell sprudelnden Fantasiewelten, mit denen Mamoru Hosoda die | |
breite Leinwand füllt. | |
Ähnlich wie in [2][Spielbergs „Ready Player One“] werden auch in „Belle�… | |
reale und virtuelle Welt auf möglichst extreme Weise kontrastiert. Mit dem | |
großen Unterschied, dass sich hier am Ende erst Erfolge in der Realität als | |
wirklich wichtig erweisen und nicht ihre Illusion durch Likes und Follower | |
in den sozialen Medien. | |
9 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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