| # taz.de -- Wieder im Kino: Tore zu einer anderen Zeit | |
| > George Lucas begegnet uns im Stil der 70er mit „American Graffiti“, im | |
| > Anime „Mirai–Das Mädchen aus der Zukunft“ geht der vierjährige Kun auf | |
| > Zeitreise. | |
| Bild: Begegnung durch die Zeit in „Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft“ … | |
| Bevor George Lucas mit seinem „Star Wars“-Universum das | |
| Blockbuster-Geschäft neu definierte, hatte der Regisseur im Jahr 1973 einen | |
| veritablen Hit mit einer bitter-süßen Adoleszenz-Komödie: „American | |
| Graffiti“ handelt von den letzten unbeschwerten Tagen der Unschuld – und | |
| zwar sowohl im Leben der Protagonisten, die gerade die High School | |
| abgeschlossen haben und sich unschlüssig darüber sind, was sie nun tun | |
| sollen, als auch im Alltag eines Amerikas des Jahres 1962, das innerhalb | |
| der kommenden zwei Jahre die Ermordung Präsident Kennedys und den Eintritt | |
| in den Vietnam-Krieg erleben wird. | |
| Der enorme Appeal des Films, der bei Produktionskosten von nur 700 000 | |
| Dollar schließlich 55 Millionen Dollar an den Kinokassen einspielte, lag | |
| und liegt sicher in der genauen Rekonstruktion einer Epoche, welche die | |
| Amerikaner an ihre sorglose Jugend erinnerte: mit riesigen Straßenkreuzern, | |
| den typischen Drive-In-Restaurants, illegalen Autorennen mit aufgemotzten | |
| Oldtimern und Schul-Tanzfesten, wo die Bands noch live spielten. | |
| Doch so nostalgisch die Geschichte auch daherkommt, so deutlich entstammen | |
| die episodische Struktur und die gewollte Ziellosigkeit der Dramaturgie des | |
| Films den Siebziger Jahren: Übergangslos springt Lucas zwischen den | |
| Erlebnissen seiner Protagonisten hin und her, vermischt Komisches und | |
| Spannendes mit Melodramatischem und fängt dabei exakt die Atmosphäre eines | |
| Provinznests zwischen Langeweile und bemühter Erregung ein (19.6., 20.30 | |
| Uhr, [1][Yorck Kino]). | |
| Im Jahr 2004 erhielt der australische Regisseur Adam Elliot einen Oscar für | |
| einen Knetanimationskurzfilm, der eine Titelfigur präsentierte, die | |
| vorsichtig ausgedrückt nicht eben vom Glück verfolgt ist: Unter anderem | |
| leidet der Held in „Harvie Krumpet“ unter dem Tourette-Syndrom, seine | |
| Mutter ist wahnsinnig, das Haus brennt ab, die Eltern erfrieren nackt im | |
| Schnee. Später spaltet ihm jemand den Schädel, er wird vom Blitz getroffen | |
| und erkrankt schließlich noch an Hodenkrebs und an Alzheimer… Und irgendwie | |
| gibt all dies ein recht typisches Muster für alle folgenden Elliot-Filme | |
| vor, in denen die Katastrophen stets mit großem Bildwitz und jener | |
| unglaublichen Lakonie vorgetragen werden, die schwarzen Humor erst so | |
| richtig zum Tragen bringt. | |
| Auch in Elliots bislang jüngstem Film „Memoir of a Snail“ (2024), der | |
| mithilfe der wunderbaren Stop-Motion-Animationstechnik das Schicksal der | |
| Zwillinge Grace und Gilbert erörtert, die nach dem Tod ihres Vaters vom | |
| Jugendamt getrennt werden, greift einmal mehr Elliots Vorliebe für | |
| Geschichten von Außenseitern mit mentalen und physischen Handicaps. Doch | |
| diese meistern bei all dem Auf und Ab ihr Leben dann doch irgendwie und | |
| sind gar nicht so unglücklich, wie man vielleicht glauben könnte. Zu sehen | |
| ist der schwarzhumorige Film jetzt in einer Preview im [2][Hackesche Höfe | |
| Kino], ein regulärer Kinostart erfolgt in Deutschland am 24. Juli (10.7., | |
| OmU, Hackesche Höfe Kino). | |
| Sich auf eigene Stärken besinnen, ganz individuelle Talente und Fähigkeiten | |
| entwickeln – das ist zweifellos auch das Thema der schönen Animefilme des | |
| japanischen Regisseurs Mamoru Hosoda. In „Mirai – Das Mädchen aus der | |
| Zukunft“ (2018) erzählt er vom vierjährigen Kun, dessen triebgesteuertes | |
| Verhalten die tieferen Einsichten in das soziale Gefüge familiären | |
| Zusammenlebens noch stark überlagert. So kommt es, dass er angesichts eines | |
| neuen Babys mit drastischen Eifersuchtsanfällen reagiert und sowohl die | |
| Schwester Mirai als auch die Eltern zu hassen beginnt. | |
| Doch immer, wenn Kun wutentbrannt in den Garten rennt, öffnen sich für ihn | |
| dort Türen in andere Räume und Zeitebenen: Unter anderem lernt er dabei | |
| seine Schwester als Teenager, seine Mutter als Kleinkind und den | |
| Urgroßvater als jungen Mann kennen. Diese Begegnungen wiederum helfen Kun, | |
| seinen Platz in der Familie zu finden, die anderen und sich selbst besser | |
| zu verstehen: Mit dem Wissen um die eigene Herkunft blickt er gestärkt in | |
| die Zukunft (24.6., 20.30 Uhr, [3][Casablanca]). | |
| 19 Jun 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.yorck.de/filme/american-graffiti?sort=Popularity&date=2025-… | |
| [2] https://www.hoefekino.de/filme/memoiren-einer-schnecke-44403/ | |
| [3] http://www.casablanca-berlin.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Penning | |
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