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# taz.de -- Animationsfilm „Pompo“ auf DVD: Unfug, in hohem Tempo serviert
> Der Animationsfilm „Pompo: The Cinephile“ erzählt von einer juvenilen
> Filmproduzentin. Seine springlebendige, überlebensgroße Titelheldin macht
> Spaß.
Bild: Die Titelheldin Pompo ist bei der Filmproduktion mit Feuer bei der Sache
Ihr Name: Joelle Davidovich Pomponette. Kurz: Pompo. Sie ist ein Mädchen
von rund dreizehn Jahren, wild schwingende orange Haare, strahlende
Kulleraugen, ein Energiebündel, außerdem: Filmproduzentin. Die Firma
Peterzen Films hat sie von ihrem Großvater J. D. Peterzen übernommen, einer
Legende im Business.
Der ist nun im Ruhestand und bastelt in Avantgarde-Manier neue Filme aus
unzusammenhängenden Zelluloidresten. Mit dem, was sein Studio so treibt,
hat das wenig zu tun. Enkelin Pompo schenkt der Welt wie zuvor er
B-Pictures mit knapp gekleideten Frauen im Kampf gegen den Oktopus und
andere Tiere.
Groß prangen die Buchstaben NYALLYWOOD über der Metropole, die eine
verfremdete Version von Los Angeles ist. Hier ist Pompo zu Hause,
ausgedacht hat sich das alles ein Mangakünstler namens Shogo Sugitani, der
die Geschichten um „Pompo: The Cinephile“ seit 2017 erst als Webcomic, dann
auf Papier veröffentlicht hat. Und nun hat das erst seit wenigen Jahren
existierende Anime-Studio CLAP einen Film draus gemacht, der in den USA
sogar einen (kleinen) Kinostart hatte und bei uns jetzt auf DVD erscheint.
Cinephil ist Pompo tatsächlich. Und außerordentlich frühreif, falls man
Realismuserwartungen an eine solch schräge Fantasie-Ausgeburt richten will.
In den Mangas erfährt man, dass zu ihren Lieblingsfilmen [1][Damien
Chazelles „Whiplash“] und [2][Quentin Tarantinos „Death Proof“] gehöre…
tarantinoesk ist ihr ziemlich weit gefächerter Movie-Nerd-Geschmack, denn
auch dem Arthouse ist sie nicht abgeneigt, solange jedenfalls, wie ein Werk
nicht den größten aller Fehler begeht, nämlich länger als neunzig Minuten
zu dauern. ([3][Chantal Akermans] jüngst zum besten Film aller Zeiten
gewählter Dreieinhalbstünder „Jeanne Dielman“ wäre ganz gewiss nicht nach
Pompos Geschmack.)
## Identifikationsangebot mit eingebauter Wunscherfüllung
Pompos Produzentin-Genie beweist sich am sicheren Blick bei der Auswahl von
Regisseuren und Stars. Der schüchterne Nerd Gene Fini ist nur ihr
Produktionsassistent, aber sie erkennt in ihm den Mann, der ihr eigenes
Drehbuch für ein ambitioniertes Werk mit dem vielsagenden Titel „Meister“
verfilmen kann. Die weibliche Hauptrolle spielt ein bislang völlig
unbeschriebenes Blatt namens Natalie, für den Titelpart holt sie Martin
Braddock zurück, den besten Schauspieler seiner Zeit, der aber, weil ihn
die Drehbücher langweilen, seit zehn Jahren keine Filme mehr dreht.
Der Film zeigt nun Szenen vom Dreh, dafür zieht es ihn nach Genf und in die
Schweizer Berge, das sieht akkurat aus, wie es im frühen Anime „Heidi“
aussah. Gene Fini ist als Debüt-Regisseur überfordert und weiß doch, was er
tut. Das Kino hat ihm, dem Nerd ohne Freundin und Freunde, schon immer das
Leben gerettet. Und so läuft die Cinephilen-Ideologie von „Pompo“ denn
auch, wie der Film selbst, auf das Kino als Hineinträum- und
Identifikationsangebot mit eingebauter Wunscherfüllung hinaus. Entsprechend
scheint „Meister“ in den Film-im-Film-Szenen doch eher eine Schmonzette um
ein Dirigenten-Genie in der Krise.
Manchem Klischee dieser Art zum Trotz macht „Pompo: The Cinephile“ dennoch
neunzig Minuten lang Spaß. Weil noch der Unfug in so großem Tempo serviert
wird, dass man ihn schnell schlucken kann, ohne ihn verdauen zu müssen.
Zumal Regisseur Takayuki Harao hier zum Überbordenden neigt. Split-Screens-
und Bild-Spielereien, Wechsel der Animationsstile, Flugzeugflüge teilen wie
sich öffnende Reißverschlüsse das Bild.
Die Zahl der Einfälle pro Minute ist so hoch, da muss nichts zu Ende
gedacht sein. Den männlichen Geniekult, der in ihm steckt, hintertreibt der
Film zum Glück mit seiner springlebendigen, überlebensgroßen
Teenager-Produzentin-Titelfigur.
22 Dec 2022
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## AUTOREN
Ekkehard Knörer
## TAGS
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