# taz.de -- Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Jubelnde Königsmacherinnen | |
> Die NRW-Grünen fahren das beste Ergebnis ihrer Geschichte im Land ein. | |
> Eine Regierung ohne sie ist kaum denkbar – aber wofür entscheiden sie | |
> sich? | |
Bild: In Feierstimmung: Mona Neubaur (Mitte) am Wahlabend in Düsseldorf | |
Düsseldorf taz | Die Grünen haben bei den Landtagswahlen in | |
Nordrhein-Westfalen das beste Ergebnis ihrer Geschichte in diesem | |
Bundesland erreicht. Die Partei kann ihr Ergebnis im Vergleich zu 2017 mit | |
etwa 18 Prozent fast verdreifachen. | |
„Was für ein Ergebnis! Was für ein Vertrauensvorschuss“, sagte die grüne | |
Spitzenkandidatin [1][Mona Neubaur]. Das sei ein „wahnsinniger Rückhalt für | |
das, was wir für die Menschen in NRW gestalten“ wollen. „Es ist nicht | |
möglich, eine Regierung an uns vorbei zu bilden“, sagte sie. Über eine | |
mögliche Koalitionskonstellation sagte Neubaur nichts. „Es wird eine starke | |
grüne Handschrift geben“, erklärte sie nur. | |
Seit Wochen werden die Grünen in Düsseldorf als Königsmacherinnen gehandelt | |
– jetzt sind sie es tatsächlich. Die Drittplatzierten entscheiden, ob | |
CDU-Ministerpräsident [2][Hendrik Wüst] im Amt bleibt – oder ob der | |
Sozialdemokrat [3][Thomas Kutschaty] neuer Regierungschef wird. Nach den | |
ersten Hochrechnungen hätten Grüne und CDU eine satte Mehrheit. Anders sah | |
es dagegen für Rot-Grün aus, da fehlte am Abend ein Mandat für eine | |
Mehrheit im Landtag. Kommen die Liberalen ins Parlament, wäre auch eine | |
Ampel möglich. | |
## Feiern in Roncalli’s Apollo-Varieté | |
Als Ort für ihre Wahlparty haben die Grünen Roncalli’s Apollo-Varieté in | |
unmittelbarer Nähe des Landtags ausgesucht. Viele Mitglieder wollten den | |
erwarteten Triumph vor Ort miterleben, 300 haben sich zur Wahlparty unter | |
der Düsseldorfer Kniebrücke angemeldet. Weil das die Kapazitäten im Foyer | |
des Apollo-Varietés bei Weitem übersteigt, hat die Partei auf dem Rasen | |
davor eine kleine Bühne aufbauen lassen.Der Jubel war groß, als um 18 Uhr | |
die ARD-Prognose von mehr als 18 Prozent für die Grünen auf zwei | |
Bildschirmen gezeigt wurde. Auch als klar wurde, dass die FDP um einen | |
Einzug in den Landtag zittern muss, gab es Beifall. | |
Am Wahlabend blieb offen, für welche Option sich die Ökopartei entscheiden | |
wird. Vielen Grünen stecken noch die schwierigen Regierungsjahre mit einer | |
autoritären SPD unter den Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und Peer | |
Steinbrück in den Knochen. Unter Führung von Hannelore Kraft lief die | |
zweite rot-grüne Koalition in Düsseldorf zwar atmosphärisch besser. Aber | |
auch Kraft galt als beinharte Anwältin einer traditionellen | |
Industriepolitik, die auf fossile Energien setzt. Aufgrund dieser | |
Erfahrungen sind viele Grüne in NRW offen für Schwarz-Grün oder Jamaika | |
eingestellt. | |
Dass die Grünen etwas zu feiern haben würden, stand vor der Wahl fest – | |
denn 2017 hatten sie mit einem Verlust von fast fünf Prozentpunkten auf 6,4 | |
Prozent ein schlimmes Debakel erlebt und waren mit der SPD aus der | |
Regierung gefegt worden. Das Machtzentrum der Grünen hat sich seitdem von | |
der Fraktion in die Partei verschoben. Die Parteivorsitzende Neubaur wurde | |
Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, nicht eine der beiden | |
Fraktionschefinnen. | |
Die Grünen in NRW profitierten jetzt von dem Rückwind aus Berlin. | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock | |
sind populär, viele Bürger:innen weit über die grünen | |
Stammwähler:innen hinaus schätzen ihre Arbeit. So kam es der Partei | |
entgegen, dass der Wahlkampf in weiten Teilen von bundes- und | |
außenpolitischen Themen überlagert wurde. | |
Die Grünen wollen NRW zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas | |
machen. Für konsequenten Klimaschutz besteht die Ökopartei etwa auf der | |
Aufhebung der Tausend-Meter-Abstandsregel zwischen Windrädern und Bebauung. | |
Die „Photovoltaik-Pflicht“, mit der die Partei Solaranlagen auf jedem | |
Neubau und auf allen Gewerbeflächen zum Standard machen will, dürfte CDU | |
und FDP Schmerzen bereiten – ebenso wie die geforderte Schließung von | |
Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau. | |
Die von den Grünen verlangte Verdopplung der Investitionen in den | |
öffentlichen Nahverkehr und der schnelle Ausbau des Radwegenetzes dürften | |
bei der SPD auf mehr Entgegenkommen stoßen als bei der CDU. Ähnlich sieht | |
es beim von den Grünen bis 2035 geforderten Ende des Flächenfraßes aus: In | |
NRW werden jeden Tag umgerechnet 18 Fußballfelder zubetoniert. Bei CDU und | |
FDP gehört die Förderung immer neuer Eigenheime in immer weiteren | |
Neubaugebieten zum Programminventar. | |
Einfach dürften die anstehenden Koalitionsverhandlungen nicht werden. Schon | |
am Wahlabend gegen 22 Uhr wollten die Spitzen von Partei und | |
Landtagsfraktion die Marschrichtung für die kommenden Sondierungsgespräche | |
besprechen. Denn klar ist nicht nur den Grünen: Eine unendliche Geschichte | |
soll die Regierungsbildung an Rhein und Ruhr nicht werden. In NRW beginnen | |
am 27. Juni die Sommerferien – und bis dahin, so ist in Düsseldorf zu | |
hören, soll das neue Kabinett stehen. | |
15 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
Anja Krüger | |
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