# taz.de -- #MeToo-Fall in Baden-Württemberg: Innenminister als Whistleblower? | |
> Thomas Strobl hat wohl vertrauliche Unterlagen in einem #MeToo-Fall an | |
> die Presse weitergegeben. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen | |
> ihn. | |
Bild: Thomas Strobl, Innenminister von Baden-Würtemberg, in einer Plenarsitzung | |
KARLSRUHE taz | Thomas Strobl (CDU), Innenminister in Baden-Württemberg, | |
ist in Schwierigkeiten. Eigentlich wollte er klare Kante zeigen, in einem | |
Ermittlungsverfahren gegen einen der höchsten Polizeibeamten im Land. Dem | |
Polizeiinspekteur des Landes wird vorgeworfen, eine Polizeibeamtin zum Sex | |
aufgefordert zu haben, damit er ihre Karriere fördere. Das Innenministerium | |
hatte die Affäre im vergangenen Jahr selbst öffentlich gemacht, nachdem die | |
Beamtin den Vorfall gemeldet hatte. Ein Ermittlungsverfahren gegen den | |
hochrangigen Beamten wurde eingeleitet. Strobl hatte größtmögliche | |
Transparenz versprochen. | |
Jetzt könnte er mit diesem Versprechen zu weit gegangen sein. Im Dezember | |
vergangenen Jahres, das hat [1][Strobl] inzwischen zugegeben, hat er einem | |
Journalisten der Stuttgarter Nachrichten einen Brief des Anwalts des | |
beschuldigten Polizeibeamten gesteckt. Darin bietet der Anwalt dem | |
Innenminsiterium Gespräche über den Vorfall an. Nach Ansicht des | |
Innenministers ein unsittliches Angebot. Ein Artikel erschien, in dem der | |
Reporter ausführlich aus dem Brief zitiert. Die Staatsanwaltschaft sah | |
darin einen Verstoß gegen das Zitierverbot von Amtsakten wie | |
Anklageschriften und nahm Ermittlungen auf. Doch die ließ das | |
Innenministerium stoppen. | |
Strobl hat all das am Mittwoch in einer Sondersitzung des Innenausschusses | |
eingeräumt, aber Rücktrittsforderungen der Opposition abgelehnt. Er wisse | |
nicht, warum er zurücktreten solle, erklärte Strobl. | |
Die Opposition sah das naturgemäß anders. Strobl habe Dienstgeheimnisse | |
weitergegeben, seine Fürsorgepflicht verletzt und die Öffentlichkeit | |
zunächst über die Weitergabe des Schreibens belogen. „Das ist ein | |
skandalöser Vorgang. Dieser Minister hat jegliche Autorität verloren und | |
muss aus seinem Amt zurücktreten“, sagte SPD-Fraktionschef [2][Andreas | |
Stoch] nach der Sitzung. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke drohte gar mit | |
einem Untersuchungsausschuss: „Bei den Abgründen, die sich auftun, kann | |
dieser Minister nicht mehr im Amt bleiben.“ | |
## CDU und Grüne halten an Strobl fest | |
Mit dem Oppositionsgetöse ist die Affäre noch nicht zu Ende. Denn seit | |
gestern ermittelt die Staatsanwaltschaft wieder in der Sache: Sowohl gegen | |
den Journalisten als auch gegen den Innenminister. Dem Journalisten werfen | |
die Ermittler vor, aus amtlichen Dokumenten zitiert zu haben, was Strafen | |
von bis zu einem Jahr Haft nach sich ziehen kann. Strobl wirft die | |
Staatsanwaltschaft Anstiftung vor, was einen Strafbefehl nach sich ziehen | |
könnte. | |
Kann ein Innenminister im Amt bleiben, der sich mit solchen Vorwürfen | |
konfrontiert sieht und den Sachverhalt eigentlich auch schon zugegeben hat? | |
Na klar, finden die Spitzen der grün-schwarzen Koalition, die am Donnerstag | |
bei ihrer Pressekonferenz zum [3][ersten Jahrestag ihrer Regierung] lieber | |
über die starke Wirtschaft des Landes und den Erhalt der Schöpfung | |
gesprochen hätten, als auf Fragen zu einem möglichen Rücktritt Strobls zu | |
antworten. | |
Die grüne Landtagsfraktion habe volles Vertrauen zu Strobl, sagte deren | |
Chef Andreas Schwarz. Und CDU-Fraktionschef Manuel Hagel stritt ab, dass | |
ein Innenminister, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, eine | |
Belastung für die Regierung sei. „Wenn das so wäre, würden wir seinen | |
Rücktritt fordern, das tun wir aber nicht“. Es gelte die | |
Unschuldsvermutung, so der CDU-Politiker. | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte gestern eine Stellungnahme zu | |
den Vorgängen abgelehnt. Er sei vom Innenminister am Sonntag informiert | |
worden, sonst sei er aber „mit der Sache überhaupt nicht befasst“, hatte | |
Kretschmann noch am Dienstag in der wöchentlichen Regierungspresskonferenz | |
schmallippig erklärt. Das dürfte sich inzwischen geändert haben. | |
Aber dennoch ist es unwahrscheinlich, dass Kretschmann oder die CDU den | |
Innenminister zum Rücktritt bewegt. Kretschmann, der mit Strobl gut kann, | |
aber auch viele in dessen eigener Partei, die mit ihm nicht ganz so gut | |
können, sehen den Innenminister als Garant für eine stabile Regierung. Für | |
das junge CDU-Polit-Talent Manuel Hagel ist es vier Jahre vor der nächsten | |
Landtagswahl noch zu früh, um Strobl abzuservieren, auch wenn alle davon | |
ausgehen, dass Hagel als Nachfolger Strobls Parteivorsitzender werden | |
möchte. | |
Und wie steht es um die eigentlichen Ermittlungen im Fall der sexuellen | |
Nötigung? Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen seit sechs | |
Monaten, obwohl anders als in ähnlichen Fällen die Beweislage relativ klar | |
ist. Die betroffene Beamtin hatte das Videogespräch, in dem der | |
Polizeiinspekteur seine sexuellen Vorlieben klar gemacht hatte, | |
mitgeschnitten und der Polizei übergeben. Doch nun wird gegen die junge | |
Frau ebenfalls ermittelt – der Mitschnitt eines privaten Gesprächs war | |
illegal. | |
5 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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