# taz.de -- Infos an Medien weitergegeben: 24 Arten, nichts zu sagen | |
> Ein Gutachten des Datenschutzbeauftragten belastet Südwest-Innenminister | |
> Strobl. Ministerpräsident Kretschmann will sich dazu nicht äußern. | |
Bild: Strobl und Kretschmann können gut miteinander – doch bei den Grünen g… | |
STUTTGART taz | Am Dienstag konnte man Ministerpräsident Winfried | |
Kretschmann (Grüne) dabei zuschauen, wie er auf 24 Arten erklärte, von | |
nichts zu wissen. Dabei sagte er auf die bohrenden Fragen der Journalisten | |
eine halbe Stunde lang das immer Gleiche: „Mir liegt der Brief nicht vor.“ | |
Der Brief, zu dem die Journalisten der Landespressekonferenz gern | |
Kretschmanns Meinung gehört hätten, stammt vom Datenschutzbeauftragten des | |
Landes, Stefan Brink. Der stellt dem durch seine [1][„Brief-Affäre“ | |
angeschlagenen Innenminister Thomas Strobl (CDU)] ein denkbar schlechtes | |
Zeugnis aus: Dass Strobl einen Anwaltsbrief aus einem Disziplinarverfahren | |
an einen Journalisten weitergegeben hat, verletze das einschlägige | |
Datenschutzrecht und „ist deshalb als rechtswidrig zu bewerten“. | |
Hintergrund von Strobls Durchstecherei sind die staatsanwaltschaftlichen | |
Ermittlungen gegen den inzwischen suspendierten Polizeiinspekteur des | |
Landes. Diesem wird vorgeworfen, eine Polizeibeamtin zum Sex aufgefordert | |
zu haben, wenn er ihre Karriere fördern solle. Das Innenministerium hatte | |
den Vorfall, nachdem die Beamtin ihn gemeldet hatte, im vergangenen Jahr | |
selbst öffentlich gemacht. | |
Im Dezember vergangenen Jahres, das hat Strobl inzwischen zugegeben, hat | |
der Minister einem [2][Journalisten der Stuttgarter Nachrichten] einen | |
Brief des Anwalts des beschuldigten Polizeibeamten gesteckt. Darin bietet | |
der Anwalt dem Innenministerium Gespräche über die Angelegenheit an. | |
## Verfahren gegen Innenminister | |
Nach Ansicht des Innenministers ein „vergiftetes Angebot“ des Anwalts, die | |
Sache auf dem kleinen Dienstweg zu regeln. Für den Datenschutzbeauftragten | |
Brink eher ein Routineschreiben, das es auf alle Fälle nicht rechtfertige, | |
Dokumente aus einer Personalakte an die Presse zu geben. Das wäre nur | |
denkbar, heißt es im Gesetz, wenn damit die „Abwehr einer erheblichen | |
Beeinträchtigung des Gemeinwohls“ erforderlich ist. | |
Brink kündigte gar an, neben den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die | |
gegen Strobl und den Journalisten laufen, ein aufsichtsbehördliches | |
Verfahren gegen das Innenministerium zu eröffnen. Damit könnte Strobl wohl | |
der erste Innenminister Deutschlands sein, der in einem Datenschutzbericht | |
auftaucht, wie der Landeschef der Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, | |
süffisant kommentierte. | |
Mit Brinks Brief, den er auf Anfrage der SPD-Fraktion aufsetzte, liegt nun | |
erstmals eine kompetente juristische Einschätzung zum Verhalten des | |
baden-württembergischen Innenministers bei einem ebenso verwickelten wie | |
auch peinlichen Vorfall vor – und es könnte dann doch der Anfang vom Ende | |
des Ministers sein. | |
Strobl hatte sich immer mit Transparenz gerechtfertigt. Er habe auch nur | |
den kleinsten Eindruck vermeiden wollen, dass sein Ministerium die Sache | |
nicht restlos aufklären wolle. Eine Argumentationslinie, die beim | |
Datenschutzbeauftragten schon mal nicht hält. | |
## Seltene Einigkeit | |
So verworren der Fall ist, bei dem bis heute rätselhaft bleibt, was Strobl | |
mit seinem riskanten Vorgehen eigentlich erreichen wollte, so klar war | |
bisher aber auch, dass ihn sowohl seine Partei als auch der grüne | |
Ministerpräsident bei der Stange hält. Und so kam es am Dienstag zu | |
Kretschmanns 24 „Liegt mir nicht vor“-Variationen. Und das, obwohl der | |
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch zuvor bekannt gegeben hatte, dass er Brinks | |
Einschätzung noch am Vorabend per Mail ins Staatsministerium geschickt | |
hatte. | |
Wenn sich Kretschmann mit dem trägen Aktenfluss seines Hauses rausredet, | |
findet Oppositionschef Stoch, der Ministerpräsident wirke dabei wie ein | |
Kind, „das sich die Augen zuhält und meint, nun werde es unsichtbar“. Dass | |
ein derart wichtiges Schreiben einfach im Posteingang liegen bleibe, „kann | |
niemand glauben“, findet Stoch. SPD, FDP und AfD fordern in seltener | |
Einigkeit Strobls Rücktritt und drohen mit einem Untersuchungsausschuss. | |
Doch in Kretschmanns grün-schwarzer Regierung scheint man zu hoffen, dass | |
die Staatsanwaltschaft keine Anklage gegen den Innenminister erheben wird. | |
Kretschmann, der mit Strobl gut kann, aber auch dessen eigene Partei, die | |
mit ihm nicht immer so gut konnte, brauchen den Innenminister als Garant | |
für eine stabile Regierung. Für den Fraktionschef Manuel Hagel, der für | |
2026 als CDU-Spitzenkandidat gehandelt wird, ist es zu früh, um an Strobls | |
Stelle zu treten. Bei den Grünen dagegen gärt es. Es ist von Arroganz der | |
Macht im Kabinett Kretschmann III die Rede. Es sei an der Zeit, das Problem | |
Strobl als das zu behandeln, was es ist: ein Problem des Koalitionspartners | |
CDU. | |
26 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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