Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neuer Anlauf für Wahlrechtsreform: Ampel will kleineren Bundestag
> Nicht mehr als 598 Sitze: Politiker von SPD, Grünen und FDP haben einen
> Vorschlag für eine Wahlrechtsreform vorgelegt. Die Union ist skeptisch.
Bild: Bald noch mehr Sessel nötig? Drei Bundestagsabgeordnete wollen das unbed…
Berlin taz | Seit drei Monaten ist es fertig, das neue Bürogebäude im
Regierungsviertel, das mit seinen bunten Fassadenpaneelen ein bisschen wie
ein Haus aus Legosteinen aussieht. Vierhundert neue Büros für
Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeiter:innen gibt es darin. Der
Neubau war nötig, weil der Bundestag seit langer Zeit wächst und der Platz
nicht mehr ausreichte. Mit aktuell 736 Abgeordneten ist der Bundestag
inzwischen [1][eines der größten Parlamente der Welt.]
Nach jahrelangem Streit über mögliche Wege, wie die Anzahl der Abgeordneten
reduziert werden kann, haben drei Abgeordnete aus der Ampelkoalition jetzt
einen neuen Vorschlag vorgelegt. Demnach soll über die Verteilung der
eigentlich vorgesehenen 598 Plätze im Parlament nur noch die Anzahl der
Zweitstimmen entscheiden. Die sogenannten Überhangmandate werden
gestrichen. Damit würde es auch keine Ausgleichsmandate mehr geben. Mit
ihrem Vorstoß seien „übergroße, nicht arbeitsfähige Bundestage
ausgeschlossen“, sagte der SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann.
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Land über die
Erststimme mehr Direktmandate gewinnt, als ihr durch das Listenergebnis
zustehen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen diese
Mandate für die anderen Parteien proportional zu ihrem Zweitstimmenanteil
ausgeglichen werden. Das hat zu einer enormen Vergrößerung des Bundestags
geführt.
Die Reform, die Hartmann gemeinsam mit Konstantin Kuhle (FDP) und Till
Steffen (Grüne) am Mittwoch zunächst in einem Text in der FAZ vorschlagen
hat, hätte aber auch zur Folge, dass nicht mehr alle Kandidat:innen, die in
ihrem Wahlkreis nach Erststimmen siegen, sicher in den Bundestag einziehen.
Die drei Abgeordneten sind Obleute ihrer Fraktionen in der
Wahlrechtskommission des Bundestags, die bis Ende Juni 2023 Empfehlungen
für eine Reform vorlegen soll.
## Vor allem die CSU blockierte eine Reform bisher
Ihr Vorschlag sieht vor, dass eine Partei in einem Bundesland nur so viele
Wahlkreismandate zugeteilt bekommt, wie ihr nach dem dortigen
Zweitstimmenergebnis zustehen. Sind es mehr, haben diejenigen
Direktkandidat:innen, die im Vergleich zu jenen in den anderen Wahlkreisen
das schwächste Wahlergebnis erzielt haben, Pech gehabt.
Vertreten sein sollen diese Wahlkreise im Bundestag aber dennoch. Dafür
soll eine sogenannte Ersatzstimme eingeführt werden. Mit dieser sollen die
Wähler:innen für den Kandidaten oder die Kandidatin votieren, die sie am
zweitliebsten als ihre Vertreter:in im Bundestag sehen würden. Im
entsprechenden Fall würden diese Ersatzstimmen zu den Erstpräferenzen der
anderen Wähler:innen hinzugezählt.
In der vergangenen Legislaturperiode war eine effektive Reform des
Wahlrechts [2][vor allem an der CSU gescheitert], die stark von den
Überhangmandaten profitiert. Das Modell beschädige die Rolle des direkt
gewählten Abgeordneten, kritisierte auch jetzt der Parlamentarische
Geschäftsführer der Union Thorsten Frei. Er sagte der FAZ: „Damit wächst
die Politikverdrossenheit.“
Die Kommission soll einen Kompromiss suchen, der breit vom Parlament
getragen wird. FDP-Mann Kuhle warnte bereits vor einem weiteren
„Ansehensverlust“ des Parlaments, sollte die Reform erneut scheitern.
Theoretisch könnte die Ampel ein entsprechendes Gesetz auch alleine
beschließen.
18 May 2022
## LINKS
[1] /Reform-des-Bundestagswahlrechts/!5824866
[2] /GroKo-einigt-sich-auf-Wahlrechtsreform/!5704446
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Ampel-Koalition
Bundestag
Wahlrecht
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Ampel-Koalition
Marktwirtschaft
Einbürgerung
Wahlrecht
Bundestag
## ARTIKEL ZUM THEMA
Reform Berliner Bundestagswahlkreise: Wahlsieger am Reißbrett
Die Linke wirft der SPD vor, die Wahlkreise für die Berliner Bundestagswahl
zu ihren Gunsten zuzuschneiden. Auch Grüne und CDU würden verlieren.
Ampel einigt sich auf Wahlrechtsreform: Der Bundestag soll kleiner werden
Die Ampel hat sich auf Eckpunkte einer Wahlrechtsreform verständigt,
Überhang- und Ausgleichsmandate sollen wegfallen. Die Union will dagegen
klagen.
Theater in Politik und Wirtschaft: Kasperles Spielpause
Die Kulturkasper braucht keiner mehr, denn Kasper gibt es schon genug.
Heute heißt das Kasperletheater Ampelkoalition, findet unser Autor.
Wahlrecht ab 16 Jahren kommt in Berlin: Es gibt noch mehr zu tun
Das Wahlrecht ab 16 war überfällig. Jetzt muss Rot-Grün-Rot dafür sorgen,
dass auch Menschen ohne deutschen Pass wählen dürfen.
Neues Wahlgesetz in Baden-Württemberg: Zwei Stimmen für Südwest
Baden-Württembergs Landtag beschließt ein neues Wahlgesetz, das zwei
Stimmen und Wählen ab 16 vorsieht. Experten halten davon wenig.
Reform des Bundestagswahlrechts: Blick über den Tellerrand
Der Bundestag ist aufgeblasen. Um das zu ändern, braucht es eine
Wahlrechtsreform. Deutschland könnte sich an der Schweiz orientieren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.