# taz.de -- Klimachef des Nabu wirft hin: Ende des „Vogelfriedens“ | |
> Stürmische Zeiten beim Naturschutzbund: Der bisherige Leiter des | |
> Klimafachbereichs geht. Grund ist die Kritik des Verbands zum | |
> Windkraftausbau. | |
Bild: Fürs Klima gut, für die Tierwelt nicht unbedingt: Vogelschwarm vor Wind… | |
BERLIN taz | Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) braucht einen neuen | |
Leiter für seinen zentralen Fachbereich Klimaschutz und Umweltpolitik: | |
Michael Schäfer, der den Posten bisher innehatte, hat gekündigt – und zwar | |
aufgrund der zu windkraftkritischen Haltung des Verbands. „Ich gehe ohne | |
Groll“, sagte Schäfer der taz. „Aber ich kann einige aktuelle Positionen | |
des Nabu zur Windenergie persönlich nicht vertreten.“ Konkret geht es um | |
die Kritik des Verbands an den gemeinsamen Plänen von Umwelt- und | |
Wirtschaftsministerium, bestimmte Naturschutzbelange beim Windkraftausbau | |
künftig weniger zu berücksichtigen. | |
Der 49-jährige Schäfer hat in der Klimapolitik viel Erfahrung: von 2006 bis | |
2016 war er energiepolitischer Sprecher der Grünen im Berliner | |
Abgeordnetenhaus; anschließend arbeitete er für den Thinktank Agora | |
Energiewende und leitete mehrere Jahre lang die Abteilung Klimapolitik beim | |
WWF. Zum Nabu-Bundesverband war er erst vor gut einem Jahr gewechselt, | |
nachdem dort sein früherer WWF-Kollege Jörg-Andreas Krüger Präsident | |
geworden war. Einen neuen Job hat er nach eigener Aussage nach seiner | |
Kündigung beim Nabu noch nicht in Aussicht. | |
Das Thema Windkraft hat für den Nabu schon länger große Sprengkraft. | |
Während die Bundesebene den Ausbau der Windkraft aus klimapolitischen | |
Gründen generell unterstützt, sehen viele Landes- und Ortsgruppen des | |
Verbands, der bis 1990 „Deutscher Bund für Vogelschutz“ hieß, Windräder | |
extrem kritisch. In zahlreichen Fällen haben sie neue Anlagen durch Klagen | |
verhindert, was zu vielen Konflikten geführt hatte, nicht nur mit | |
Vertretern der Windkraftbranche, sondern auch mit den Grünen. | |
Ende 2020 hatte es einen Versuch gegeben, den Streit zu entschärfen: Der | |
neue Nabu-Chef, Jörg-Andreas Krüger, hatte gemeinsam mit Robert Habeck, | |
damals Grünen-Chef, und Oliver Krischer, dem Energieexperten der | |
Grünen-Bundestagsfraktion, ein Papier erarbeitet. Darin hieß es, dass in | |
Windvorranggebieten mehr Ausnahmen vom Naturschutz möglich sein sollten, | |
wenn der Bestand der betroffenen Arten insgesamt stabil sei, und im | |
Gegenzug andere, ökologisch wichtige Gebiete von Windrädern verschont | |
würden. | |
## Protest gegen Regierungskurs angekündigt | |
Doch statt wie erhofft einen „Vogelfrieden“ einzuläuten, hat das Papier den | |
Streit über die Windkraft zusätzlich befeuert. Viele Landes- und | |
Ortsverbände waren so empört, dass das vom Bundesverband im Alleingang | |
ausgehandelte Papier nie offiziell beschlossen wurde. Und als die neue | |
Bundesregierung – vertreten durch Umweltministerin Steffi Lemke und | |
Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (beide Grüne) – Anfang | |
April Eckpunkte vorstellte, die zum Teil in eine ganz ähnliche Richtung | |
gehen, begrüßte der Nabu dies nicht, sondern ging auf die Barrikaden. | |
„Naturschutz bremst Windenergieausbau nicht aus“, behauptete der Verband in | |
einer Pressmitteilung. Doch bei einer solchen Stellungnahme will es der | |
Nabu nicht belassen. | |
Wenn [1][die Regierung den entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt], sollen | |
die Ortsgruppen mit Musterbriefen an Bundestagsabgeordnete dagegen | |
protestieren. „Wir sind die Naturschutzmacher“, sagt | |
Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller dazu und verweist auf die rund | |
70.000 Aktiven, die sich in den lokalen Gruppen für den Naturschutz | |
engagieren: „Wir müssen unsere Leute vor Ort mitnehmen.“ | |
Michael Schäfer hält dieses gegeneinander Ausspielen von Klimaschutz und | |
Artenschutz für falsch. „Die größte Gefahr für die Biodiversität geht im | |
Energiesektor von der Erderhitzung durch die fossilen Energien aus“, sagt | |
er. „Je schneller wir davon wegkommen, desto besser ist es für den | |
Artenschutz.“ Er habe großen Respekt für die engagierte Arbeit der | |
Artenschützer im Verband, sagt Schäfer. Denn der Artenschutz habe in | |
Deutschland sonst keine starke Lobby. | |
Aber bei der Konzentration auf die Rettung einzelner Tiere könne die | |
größere Entwicklung übersehen werden. „Das klassische Naturschutzrecht hat | |
den Rotmilan im Blick, der vom Windrad gefährdet ist, aber nicht das | |
Alpenschneehuhn und viele Tausend Arten, die durch die Erderhitzung | |
auszusterben drohen.“ | |
## Nabu will eine naturverträgliche Energiewende | |
Den Klimawandel aufzuhalten gelinge aber nur durch einen schnellen und | |
[2][massiven Ausbau der erneuerbaren Energien] – und da wiederum sei | |
Windkraft ein viel kleineres Problem für den Naturschutz als die Nutzung | |
weiterer Flächen für Biomasse oder neue Wasserkraftwerke. | |
Nabu-Geschäftsführer Miller setzt dem entgegen, dass der Verband die | |
Windkraft ja keineswegs generell ablehne, sondern nur den Plan, für ihren | |
Ausbau das Naturschutzrecht aufzuweichen. „Wir wollen mehr Windräder, aber | |
wir werden dafür unsere Artenschutzpositionen nicht aufgeben“, sagte er der | |
taz. Und das schließe sich nicht aus. „Mit besserer Planung ist eine | |
naturverträgliche Energiewende möglich.“ | |
Genau diese Position hält Schäfer aber für ein Problem. Es sei strategisch | |
schwierig, wenn die Umweltverbände einerseits kritisieren, dass die | |
Energiewende nicht schnell genug vorankomme, andererseits aber durch | |
Kompromisslosigkeit beim Naturschutzrecht selbst daran mitwirken, sie | |
abzubremsen. „Das schwächt unsere Position“, meint der bisherige | |
Nabu-Klimachef. Es braucht aber starke Umweltverbände, damit die | |
Bundesregierung nicht weiter Tankrabatte statt Tempolimits beschließt. | |
16 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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