# taz.de -- Besetztes Wohnheim in Berlin: Obdachlose raus, Flüchtlinge rein | |
> Der Besitzer des Wohnheims in der Habersaath-Straße will die aktuellen | |
> Bewohner rauswerfen. Stattdessen sollen Flüchtlinge aus der Ukraine | |
> einziehen. | |
Bild: Erst stand es leer, dann wurde es besetzt: Wohnheim in der Habersaathstra… | |
BERLIN taz | Der Eigentümer der Habersaathstraße 40-48 macht Nägel mit | |
Köpfen: Die 50 Obdachlosen, [1][die seit Ende Dezember in einem Teil des | |
leer stehenden Gebäudekomplexes wohnen], sollen spätestens am Wochenende | |
ausziehen. Dies geht aus einem Schreiben der Arcadia Estates Habersaathstr. | |
40-48 GmbH an die Initiative Leerstand-hab-ich-Saath mit Datum von Dienstag | |
hervor, dass der taz vorliegt. Die Unterbringung Obdachloser in dem | |
ehemaligen Schwesternwohnheim, [2][das der Besitzer durch einen Neubau | |
ersetzen möchte], sei immer nur für als „Winterhilfe“ vorgesehen gewesen, | |
„wie in den vertraglichen Grundlagen mit dem Bezirk vorgesehen“, heißt es | |
weiter. | |
Statt der Obdachlosen möchte der Eigentümer in den Wohnungen schon ab 1. | |
Mai [3][Flüchtlinge aus der Ukraine unterbringen]. „Hierzu haben wir dem | |
Bezirk wieder eine Zusammenarbeit angeboten.“ Man gehe davon aus, dass die | |
Initiative „Neue Chance“, die sich seit Winter um die Obdachlosen kümmert, | |
gemeinsam mit dem Bezirk den Auszug der Leute organisiere. | |
Valentina Hauser von der Initiative Leerstand-hab-ich-Saath zeigt sich | |
schockiert: „Das Schreiben ist an bodenloser Unverschämtheit kaum zu | |
übertreffen. Es werden hier gezielt verschiedene marginalisierte Gruppen | |
gegeneinander ausgespielt.“ Offensichtlich gehe es dem Eigentümer nur | |
darum, mehr Kapital aus der Immobilie zu schlagen, bis er sie abreißen | |
kann, sagte sie der taz. Laut Hauser bekommt er vom Bezirk für die | |
Obdachlosenunterbringung 3,50 Euro pro Quadratmeter und Monat. Bei einer | |
Unterbringung von Geflüchteten im Auftrag von Land oder Bezirk sind | |
Tagessätze von bis zu 25 Euro pro Person üblich. | |
## Bewohner*innen wollen bleiben | |
Dass der große Reibach so schnell fließen wird, ist indes unwahrscheinlich: | |
Die Bewohner*innen hätten beim Plenum am Mittwoch Abend einstimmig | |
beschlossen, nicht auszuziehen, so Hauser. „Wir bleiben bis zum Abriss und | |
versuchen weiter, ihn zu verhindern“, sagt sie. Auch sei ihnen vom Bezirk | |
der 30. April nie als fixes Auszugsdatum kommuniziert worden. „Es wurde | |
immer so dargestellt, als könnten wir bis zum Abriss bleiben.“ | |
Der Eigentümer will den Komplex schon lange abreißen und hat inzwischen | |
alle Altmieter bis auf neun aus den rund 120 Wohnungen rausbekommen. | |
Allerdings muss er für den Abriss laut Zweckentfremdungsverbotsgesetz | |
Ersatzwohnungen in gleicher Zahl für maximal 7,92 Euro Kaltmiete pro | |
Quadratmeter schaffen. Weil er das nicht will, sondern offensichtlich auf | |
höhere Mieteinnahmen spekuliert, hat ihm der Bezirk bislang die | |
erforderliche Genehmigung verweigert. | |
Der Rechtsstreit darum dauert weiter an, allerdings hat der Bezirk offenbar | |
Befürchtungen, am Ende zu verlieren. [4][Denn wie Anfang der Woche bekannt | |
wurde,] hat Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) dem Eigentümer | |
einen „Kompromissvorschlag“ unterbreitet, der vorsieht, dass nur 30 Prozent | |
der neuen Wohnungen für unter 8,50 Euro vermietet werden, 70 Prozent auf | |
den „freien“ Wohnungsmarkt kommen können. Damit würde der spekulative | |
Leerstand auch noch belohnt, hatte die Initiative am Montag kritisiert. | |
## Bezirk will Nutzung sichern | |
Auf Anfrage der taz erklärte das Bezirksamt, man setze sich „dafür ein, die | |
bisherige Nutzung der Habersaathstraße fortzuführen“. Der Bezirk bezahle | |
die „Neue Chance“ dafür, die Obdachlosen zu beraten und zu versuchen sie in | |
dauerhaften Wohnraum zu vermitteln. Die „regulär verbliebenen Mietenden“ | |
seien über den „mit dem Eigentümer erzielten Vergleich“ informiert worden… | |
dieser sieht auch vor, dass die Altmieter eine Umsetzwohnung bekommen und | |
in Neubau 10 Jahre lang zum alten Mietpreis wohnen können. | |
„Ein erzwungener Auszug der in der Habersaathstraße untergebrachten | |
Personen ohne bauliche Notwendigkeit würde den Abschluss des Vergleichs | |
sehr deutlich erschweren.“ Sprich: Wenn der Eigentümer tatsächlich die | |
Obdachlosen vor die Tür setzt, wird es nichts mit der Einigung für den | |
Abriss. „Das Bezirksamt wird sich dementsprechend für den Verbleib der dort | |
gerade erst eingezogenen Menschen bis zu diesem Zeitpunkt einsetzen, was es | |
bereits gegenüber den Eigentümern getan hat.“ | |
28 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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