| # taz.de -- Versandriese gegen Arbeiter in den USA: Amazon will Gewerkschaft ve… | |
| > Der Versandriese versucht, mit Einwänden bei der Arbeitsbehörde gegen die | |
| > Wahl vorzugehen. Auf irreführende Weise, so deren Anwalt. | |
| Bild: Kein Freund von Gewerkschaften: der Handelsriese Amazon | |
| New York taz | Wenn Christian Smalls darauf gehofft hatte, nun mehr Zeit | |
| für seine zwei Kinder zu haben, wurde er eines Besseren belehrt: Seit der | |
| Präsident der Amazon Labor Union (ALU) und seine Mitstreiter*innen es | |
| nach zwei Jahre währendem Kampf geschafft haben, [1][zum ersten Mal in den | |
| USA einen Amazon-Standort gewerkschaftlich zu organisieren], ist die | |
| Aufmerksamkeit größer als je zuvor. Der 33-Jährige tritt in Podcasts auf, | |
| wird interviewt, spricht mit Politiker*innen und anderen | |
| Gewerkschaften. | |
| Der Erfolg schürt auch die Euphorie bei anderen Organisationswilligen: Wenn | |
| etwas mehr als ein Dutzend Arbeiter*innen es als unabhängige | |
| Graswurzel-Bewegung in einem Lager im New Yorker Stadtteil Staten Island | |
| schaffen können – warum dann nicht auch an anderen Amazon-Standorten? | |
| „Wir sind so ziemlich von jedem Standort in Amerika kontaktiert worden“, | |
| sagte Smalls jedenfalls [2][am Montagabend bei einer Online-Diskussion]. Am | |
| 1. April hatten die Beschäftigten des Versandlagers JFK8 mit einer Mehrheit | |
| von 2.654 zu 2.131 Stimmen für eine Gewerkschaftsvertretung gestimmt. Zum | |
| Ärger des Konzerns, der dafür bekannt ist, seine Mitarbeitenden genau davon | |
| abhalten zu wollen und Praktiken des „union busting“ | |
| (Gewerkschaftszerschlagung) zu nutzen – etwa verpflichtende Meetings, in | |
| denen vor Gewerkschaften gewarnt wird. Und auch nun versucht der Konzern | |
| noch, der Interessenvertretung auf den letzten Metern den Garaus zu machen: | |
| Amazon hat nun [3][Einwände gegen das Wahlergebnis] bei der Bundesbehörde | |
| für Arbeitsrecht eingereicht. | |
| Diese Behörde, die NLRB, hat über die Abstimmung in Staten Island gewacht. | |
| In den USA müssen Beschäftigte eines Konzerns gemeinsam über eine | |
| Gewerkschaftsvertretung abstimmen. Bei positivem Ausgang zertifiziert die | |
| NLRB die Vertretung, die nun kollektiv verhandeln darf. | |
| ## Massive Kritik an der Arbeitsrechtsbehörde | |
| Amazon beschwert sich in seinen Einwänden nicht nur über die | |
| Gewerkschaftsvertreter*innen von der ALU – sondern richtet seine | |
| Kritik massiv auch auf die zuständige örtliche Abteilung der Behörde: „Die | |
| Einmischung und das Missmanagement des Wahlvorgangs durch Bezirk 29, | |
| verbunden mit ALUs eigenem verwerflichen, nötigenden und irreführenden | |
| Verhalten, hat die Laborbedingungen zerstört, die für eine freie und faire | |
| Abstimmung nötig sind.“ | |
| Insgesamt führen die Anwält*innen des Internetgiganten 25 Einwände auf. | |
| 12 davon handeln von angeblichem Fehlverhalten der lokalen Abteilung der | |
| Behörde, sie beginnen mehrfach mit einer Variante der Worte „Der Bezirk hat | |
| es versäumt, die Integrität und Neutralität ihrer Verfahren zu wahren und | |
| erweckte den Eindruck, die ALU zu unterstützen und ihrem Vorstand zu | |
| helfen, als (…)“. Amazon wirft der NLRB unter anderem in mehreren Punkten | |
| vor, die Wahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu haben und macht die NLRB | |
| daher für eine niedrige Wahlbeteiligung verantwortlich. | |
| Die Behörde dagegen betont, nur korrekt ihre Arbeit getan zu haben. Die | |
| NLRB sei eine unabhängige Bundesbehörde, die der Kongress damit beauftragt | |
| habe, das Bundesarbeitsrecht umzusetzen, erklärte eine Sprecherin. „Alle | |
| Durchsetzungsmaßnahmen der NLRB gegen Amazon standen im Einklang mit diesem | |
| Auftrag des Kongresses.“ | |
| Der Anwalt der Gewerkschafter*innen ist weniger bürokratisch: „Amazons | |
| Einwände gegen die Wahl sind, um es freundlich zu sagen, 18 Seiten | |
| Blödsinn“, schreibt Eric Milner per Mail. „Amazon versucht, seine | |
| Mitarbeiter*innen, die NLRB und die Öffentlichkeit im Allgemeinen durch | |
| eine falsche Darstellung der JFK8-Wahl in die Irre zu führen.“ Das | |
| Unternehmen habe Ort, Datum und Uhrzeit der Abstimmung sowie allen anderen | |
| Details zugestimmt – und beschwere sich nun darüber. Erstaunlicherweise | |
| behaupte Amazon nun, dass diese Bedingungen sowohl zu langen Schlangen als | |
| auch zu einer geringen Wahlbeteiligung geführt haben, so Milner. Das sei | |
| „eine lächerliche und unlogische Andeutung“. | |
| Außerdem klagt Amazon an, dass die ALU den Beschäftigten „im Gegenzug für | |
| ihre Unterstützung in der Abstimmung Marihuana ausgeteilt“ habe. Allerdings | |
| hat der Bundesstaat New York den Gebrauch von Cannabis als Genussmittel vor | |
| einem Jahr legalisiert. Die Verteilung von „Marihuana ohne Entschädigung | |
| ist 100 Prozent legal“, hält daher deswegen der ALU-Anwalt dagegen. | |
| „Gratis-Marihuana zu verteilen ist nicht anders als ein Gratis-Shirt zu | |
| verteilen – außer, dass das T-Shirt in vielen Fällen mehr kosten könnte.“ | |
| ## Essen, Lagerfeuer, Gratis-Marihuana | |
| Das Umsonst-Marihuana mag den Arbeitgeber aufregen – dabei hatten die | |
| ALU-Mitglieder aber viel mehr gemacht für die Arbeiter*innen: „Wenn man | |
| Leute zusammenbringt will, gibt man ihnen etwas zu essen“, so Smalls. | |
| Außerhalb des Arbeitsgeländes an der Bushaltestelle hatten die | |
| Neu-Gewerkschafter*innen Lagerfeuer gemacht, an denen die nach ihrer | |
| Schicht Wartenden sich wärmen konnten. Es gab Barbecue, Empanadas, | |
| afrikanische Reisgerichte. Man habe den Beschäftigten ausgeholfen, wenn sie | |
| in Notlagen geraten seien. „Wir haben einfach Dinge getan, die Arbeitgeber | |
| nie tun würden“, sagt Smalls. | |
| Bis zum 22. April hat Amazon nun Zeit, Beweise für seine Einwände | |
| vorzulegen. Wenn alles gut geht für die ALU, geht dann die Arbeit als | |
| Gewerkschaft mit den Verhandlungen um bessere Arbeitsbedingungen erst | |
| richtig los. | |
| 13 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Amazon-USA-bekommt-Gewerkschaft/!5845804 | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=AvxdsmxcmeA | |
| [3] https://www.nlrb.gov/case/29-RC-288020 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva Oer | |
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