| # taz.de -- Rücktritt von Politikerinnen: Familie als Schutzschild | |
| > Eine Linke und eine Grüne schieben die Familie vor, um ihren Rücktritt | |
| > von politischen Ämtern zu rechtfertigen. Eine kontraproduktive Strategie. | |
| Bild: Susanne Hennig-Wellsow und Anne Spiegel, die jeweils ihren Rücktritt erk… | |
| Wäre ein Politiker mit dem Argument, sich stärker um seine Kinder kümmern | |
| zu wollen (oder zu müssen), von einem Führungsposten zurückgetreten, wäre | |
| er wohl dafür bejubelt worden, so viel familiäre Verantwortung zu zeigen. | |
| Bei den beiden zurückgetretenen Politikerinnen, der Linken [1][Susanne | |
| Hennig-Wellsow] und der Grünen [2][Anne Spiegel], hält sich der Jubel in | |
| Grenzen. Ist das unzeitgemäß, frauenfeindlich? | |
| Wohl eher ist es eine peinliche Verteidigungsstrategie zweier | |
| gestrauchelter Politikerinnen, die Familie zu benutzen, um eigenes | |
| politisches Versagen zu entschuldigen. Spiegel hatte, als sie in Berlin | |
| Familienministerin wurde, gern und stolz betont, dass ihr Mann und sie | |
| einen Rollenwechsel hingelegt hätten und er sich vollumfänglich um die | |
| Familie kümmere. Auch Hennig-Wellsow brachte, als sie Parteichefin wurde, | |
| nie ihren Sohn ins Spiel. Familie schien für die politische Karriere also | |
| kein Hindernis gewesen zu sein. | |
| Eine Debatte um die [3][Vereinbarkeit] von Familie und politischen (und | |
| anderen) Spitzenämtern macht dies mitnichten überflüssig. Im Gegenteil, sie | |
| ist nötiger denn je. Wie sonst soll ein Paradigmenwechsel weg vom Modell | |
| Mutti-Care hin zu mehr Fürsorgebeteiligung von Männern gelingen? | |
| Wenn sich Männer stärker in die Familie einbringen und Frauen öfter in | |
| Spitzenpositionen zu finden sein sollen, muss offen über Anforderungen an | |
| Einzelne in Topjobs und Familie, vor allem aber auch über Überforderung | |
| gesprochen werden. Dann muss es erlaubt sein, im richtigen Moment und ohne | |
| fadenscheinige Argumente Nein zu sagen, ohne dass dies als Feigheit | |
| ausgelegt wird. Das gilt für Frauen wie für Männer. | |
| Diese Debatte hätten die beiden Spitzenpolitikerinnen mit ihren Rücktritten | |
| anstoßen können. Mit dem „Schutzschild Familie“ bleibt allerdings ein | |
| schaler Nachgeschmack: Top-Ämter sind für Frauen möglich, aber im Zweifel | |
| ist doch die Familie wichtiger. Der Care-Debatte, die beide linke Frauen im | |
| Munde führten, haben sie einen Bärendienst erwiesen. | |
| 21 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Krise-der-Linkspartei/!5849724 | |
| [2] /Ruecktritt-von-Familienministerin-Spiegel/!5846174 | |
| [3] /Ruecktritt-von-Ministerin-Anne-Spiegel/!5845195 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
| ## TAGS | |
| Susanne Hennig-Wellsow | |
| Anne Spiegel | |
| Vereinbarkeit | |
| Care-Arbeit | |
| Politikbetrieb | |
| GNS | |
| Christine Lambrecht | |
| Die Linke | |
| Familienministerium | |
| Anne Spiegel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Shitstorm für Verteidigungsministerin: Die Helikoptermutter | |
| Christine Lambrecht steht in der Kritik, weil sie ihren Sohn im | |
| Regierungshubschrauber mitfliegen ließ. Dumme Sache – aber kein Grund für | |
| einen Rücktritt. | |
| Krise der Linkspartei: Ein Trümmerhaufen | |
| Der Rücktritt der Chefin Hennig-Wellsow passt zum maroden Gesamtzustand der | |
| Partei. Vor allem personell muss sich die Linke neu aufstellen. | |
| Rücktritt von Familienministerin Spiegel: Ehemänner und Kinder unerwünscht | |
| Weiterhin ringen Frauen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der | |
| Fall Anne Spiegel wirft ein neues Licht auf ein altes Problem. | |
| Rücktritt von Ministerin Anne Spiegel: Zwischen den Krisen | |
| Die zurückgetretene Familienministerin Spiegel erklärte ihren Urlaub mit | |
| persönlichen Gründen. Muss während privater Krisen eine Auszeit möglich | |
| sein? |