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# taz.de -- Shitstorm für Verteidigungsministerin: Die Helikoptermutter
> Christine Lambrecht steht in der Kritik, weil sie ihren Sohn im
> Regierungshubschrauber mitfliegen ließ. Dumme Sache – aber kein Grund für
> einen Rücktritt.
Bild: Arbeit und Privates zu trennen fällt offenbar auch einer Ministerin schw…
Jetzt ist also Christine Lambrecht dran. Die Verteidigungsministerin saß
vor Ostern gemeinsam mit ihrem Sohn in einem Regierungshubschrauber, der zu
einem Besuch der SPD-Politikerin beim Bataillon Elektronische Kampfführung
911 in [1][Nordfriesland flog. Später ging es mit der Fahrbereitschaft
weiter nach Sylt]. Dort machten Mutter und Sohn gemeinsam ein paar Tage
Urlaub. Dieser Kurztrip wäre vermutlich gar nicht öffentlich geworden,
hätte Alexander Lambrecht nicht ein Selfie gemacht und das in den sozialen
Netzwerken gepostet. Das war wirklich dumm.
Generell kommen Selfies von Reisen berühmter Menschen in feindliche
Gebiete, zu unbeliebten Personen, zu fragwürdigen Zeiten nie gut an.
Aktuell erst recht nicht. Das müsste ein junger Mann, der mit Facebook,
Twitter, Instagram, dem Wischen auf Mobiltelefon und Tablet groß geworden
ist, doch eigentlich wissen.
Der politische Shitstorm war vorprogrammiert. Als „stillos“ bezeichnete
Thomas Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der
Unionsbundestagsfraktion, den Vorfall. „Eine gute Figur macht Frau
Lambrecht nicht“, kommentierte ein Journalist von Business Insider. Das
Blatt hatte die Causa öffentlich gemacht. CSU-Landesgruppenchef Alexander
Dobrindt forderte von Lambrecht, „schnellstmöglich für Transparenz zu
sorgen“. Und CSU-Chef Markus Söder dürfte sich die Hände reiben, nach dem
Motto: Jetzt ist Lambrecht fällig. Söder hatte schon Anfang April wegen
zögerlicher Waffenlieferungen an die Ukraine Lambrechts Rücktritt
gefordert: „Sie blamiert Deutschland vor der Ukraine und unseren westlichen
Partnern.“
Die Kritik erscheint vor dem Hintergrund der kürzlichen [2][Rücktritte von
Anne Spiegel] und Ursula Heinen-Esser folgerichtig. Die grüne
[3][kurzzeitige Bundesfamilienministerin und vorige Umweltministerin in
Rheinland-Pfalz] sowie die [4][einstige CDU-Umweltministerin von
Nordrhein-Westfalen] mussten ihren Platz räumen, weil sie in den Urlaub
fuhren, als im Ahrtal die Flutkatastrophe tobte.
## Kein Badeskandal
Aber sind die Spiegel- und Heinen-Esser-Auszeiten tatsächlich mit
Lambrechts Kurztrip vergleichbar? Ist die aktuelle Verteidigungsministerin
in eine neue Version der „Bin baden“-Nummer ihres Vorgängers [5][Rudolf
Scharping geflogen?] Im August 2001 ließ sich der damalige
Verteidigungsminister Scharping mit seiner aktuellen Geliebten im
Swimmingpool ablichten. Zu einer Zeit, als Bundeswehrsoldaten kurz vor
einem Einsatz auf dem Balkan standen und deswegen Urlaubssperre hatten. Und
ihr Chef planscht mit einer Gräfin!
Scharping musste daraufhin zurücktreten. Sollte Lambrecht das jetzt auch
tun? Ach, was. Lambrechts Hubschraubermission hat weder die Bedeutung von
Scharpings Badeskandal noch die Dimension der hochkritischen Situation im
vergangenen Sommer im Ahrtal. Auch war der gemeinsame Flug vorher
angemeldet, vollkommen legal und komplett privat bezahlt. Zeitpunkt, Dauer,
Umstände der Reise – alles einige Flügelrotationen weniger.
Vielleicht lässt sich die Hubschauber-Causa so zusammenfassen: Es gibt
Dinge, die sind erlaubt und sogar legitim. Deshalb muss man sie noch lange
nicht machen. Denn es könnte ein fetter Imageschaden drohen. Und es könnten
unangenehme Fragen offen bleiben. In diesem Fall Fragen wie diese: Warum
nimmt Christine Lambrecht ihren erwachsenen Sohn mit auf eine Dienstreise?
Und das nicht nur dieses eine Mal, sondern häufiger? Warum kann der Sohn
nicht allein nach Sylt fahren? Warum reist er mit Mutti nach [6][Slowenien,
Helsinki, Liechtenstein, Lissabon, Luxemburg, Paris, Prag]? Lambrecht hat
diese Reisen als Justizministerin gemacht.
Alexander Lambrecht ist 21 Jahre alt – und die Zuschreibung
„Helikoptereltern“ erfährt eine ganz neue Bedeutung.
10 May 2022
## LINKS
[1] /Mitflug-von-Lambrechts-Sohn/!5853880
[2] /Familienministerin-Anne-Spiegel/!5845024
[3] /Ruecktritt-von-Ministerin-Anne-Spiegel/!5845097
[4] /Konsequenzen-nach-Kritik/!5848231
[5] /Rudolf-Scharping-nicht-munter-wie-der-Fisch-im-Pool/!1139980/
[6] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/lambrecht-flug-sohn-101.html
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Christine Lambrecht
Verteidigungsministerium
GNS
Shitstorm
Affäre
Skandal
Kolumne Der rote Faden
Susanne Hennig-Wellsow
Anne Spiegel
Ursula Heinen-Esser
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