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# taz.de -- Jugendpsychiater über Transidentität: „Es ist hip, trans zu sei…
> Als Experte für Geschlechtsdysphorie warnt Alexander Korte vor der
> Abschaffung des Transsexuellengesetzes. Dafür ist er selbst in Kritik
> geraten.
Bild: Alexander Korte, Experte auf dem Gebiet für Geschlechtsdysphorie
taz am wochenende: Herr Korte, Sie waren im November 2020 zu einer Anhörung
im Bundestag zum Transsexuellengesetz eingeladen. Und schon im Vorfeld gab
es Proteste gegen Sie. Da käme ein ganz Rechter, hieß es. Sind Sie der CDU
zugeneigt?
Alexander Korte: Nein, definitiv nicht. Ich bin Stammwähler der Grünen,
links-konservativ, würde ich heute sagen. Aber nach einer Analyse der
beiden Gesetzentwürfe zum Transsexuellengesetz kam ich zu dem Schluss: Es
ist ein großer Fehler, was die Grünen da im Sinn haben.
Grünen-Wähler – wirklich?
Tatsächlich war im Münsterländischen, wo ich aufgewachsen bin, mein Vater
SPD-Ortsvorsitzender und glühender Anhänger von Willy Brandt. Als Kind
durfte ich für meinen Vater immer SPD-Werbung in die Briefkästen schmeißen.
Ich wurde groß mit „Atomkraft? Nein danke“, dem Nato-Doppelbeschluss und
der ökologischen Bewegung. Die ist heute noch das wichtigste Thema für
mich.
Grüne und FDP wollen das Transsexuellengesetz zugunsten eines
Selbstbestimmungsgesetzes abschaffen. Menschen sollen ihre
Geschlechtsidentität selbst aussuchen können, nötigenfalls auch
Minderjährige gegen den Willen ihrer Eltern. Sie sind als Kritiker der
geplanten Gesetze bekannt geworden – Ihnen wird zugleich Expertise
abgesprochen.
Nun, ich bin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München und seit fast
20 Jahren mit dem Thema beschäftigt. Zudem habe ich psychoanalytische
Kulturwissenschaften studiert. Das ist wichtig, weil das Phänomen, mit dem
wir es zu tun haben, eines erweiterten Blickwinkels bedarf.
Sie sagen, trans ist Mode?
Ich würde eher von einem Zeitgeistphänomen sprechen. Trans ist
offensichtlich eine neuartige Identifikationsschablone, für die es einen
gesellschaftlichen Empfangsraum gibt. Und das spricht in erster Linie eine
vulnerable Gruppe von weiblichen Jugendlichen an. 85 Prozent der trans
Identifizierten sind ja biologische Mädchen. Das ist ein internationales
Phänomen. [1][In Schweden stieg die Diagnosehäufigkeit] bei 13- bis
17-jährigen Mädchen von 2008 bis 2018 um 1.500 Prozent.
Aber führt nicht mehr Sichtbarkeit schlicht auch zu mehr persönlichen
Erkenntnissen?
Habe ich nie bestritten. Das erklärt aber mitnichten die exponentielle
Zunahme und schon gar nicht das veränderte Geschlechterverhältnis. Auch in
Deutschland wird diese Zunahme nirgendwo bestritten. Ich sage: Eine
Verantwortung dafür tragen wir selbst, wenn wir diese Beratungs- und
Behandlungsangebote so in die Welt tragen.
Was heißt: „So in die Welt tragen“?
Ich möchte einen Fall schildern. Mir ist ein Kind, biologisches Mädchen,
überwiesen worden. Die Mutter hat selbst eine psychische Erkrankung. Bei
dem Mädchen stellte sich heraus, sie hat nicht nur ein Problem mit
Geschlechtlichkeit, sondern auch eine soziale Phobie und eine Depression.
Und von Anfang an hatte ich bei der Mutter das Gefühl, dass sie schwer
sexuell traumatisiert ist. Sie hat das auch bestätigt. Aus unserer
Erfahrung, in der medizinischen Literatur bekannt, wissen wir: Bei Müttern,
die selbst sexuell traumatisiert sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass
deren Kind eine Geschlechtsdysphorie entwickelt, deutlich höher.
Woher wissen Sie das?
Das ist Erfahrungswissen von Therapeuten – das heißt, es gibt dafür eine
empirische Evidenz und das wird auch von meinen „Kontrahenten“ nicht
bestritten.
Es heißt inzwischen, Geschlechtsidentität sei angeboren.
Das ist abstrus. Die neurobiologische Forschung ist definitiv den Beleg
schuldig, dass Geschlechtsidentität genetisch bedingt sein könnte. Auch aus
der Sicht der Entwicklungspsychologie ist es abwegig, davon auszugehen,
dass Identität etwas ist, mit dem man zur Welt kommt. Aus meiner Sicht ist
Identität stets das Resultat einer individuellen Bindungs- und Beziehungs-
und auch Körpergeschichte.
Wie ging denn dieser Fall aus?
Ich konnte dieses Mädchen zu einer Psychotherapeutin überweisen, die in
einer Gruppe mit gleichgesinnten Patienten arbeitet. Es bestand Grund zur
Annahme, dass diese Mutter für ihre Tochter nicht als positives weibliches
Rollenmodell zur Verfügung stand. Und dass es an der Schwelle zur Pubertät
zu der irrtümlichen Überzeugung gelangte: „Ich bin trans.“ Meine Kollegin
Lisa Littman aus den USA beschreibt dieses neue Phänomen als „[2][Rapid
Onset Gender Dysphoria“.]
Also Jugendliche, die ohne Vorgeschichte einer Geschlechtsdysphorie oder
geschlechtsbezogener Identitätskonflikte in der Kindheit von jetzt auf
gleich ein Transouting haben – so?
Ja, und zwar in der Phase, wo sie sich mit ihrer Geschlechtsrolle und mit
ihrem sich reifungsbedingt verändernden Körper auseinandersetzen müssen.
Und dann sehen sie trans Menschen als Fernsehstars.
Eben. Es ist in bestimmten Szenen hip, trans zu sein. Und davon fühlen sich
in allererster Linie weibliche Jugendliche angesprochen, die einen
sexualitätsbezogenen inneren Konflikt haben oder unter den
gesellschaftlichen Rollenklischees oder Schönheitsidealen leiden – oder
solche, die sexuell traumatisiert sind.
Wo sehen Sie das Problem?
In den Medien berichten Vorbilder euphorisch über ihre angeblich
unkomplizierte medizinische Transition. Es wird so getan, als sei mit der
Durchführung einer Geschlechtsangleichung das Paradies auf Erden erreicht.
Dabei sind sie ein Leben lang abhängig von einer Hormonersatztherapie. Die
verstorbene Sexualforscherin [3][Sophinette Becker], mit der ich im engen
Austausch stand, sagte immer: Liebe Leute, wir, die wir seit Jahrzehnten
mit transsexuellen Patienten arbeiten, wir wissen doch, die wenigsten
werden glückliche Menschen. Viele sind schnell ernüchtert: Oft entspricht
das Operationsergebnis nicht den Vorstellungen. Es ist nicht einfach, einen
Lebenspartner zu finden. Die sexuelle Erlebnisfähigkeit hat gelitten. Nicht
wenige werden zu chronisch Depressiven und müssen – und wollen auch –
psychiatrisch behandelt werden.
Einige trans Personen empfinden Ihre Ausführungen als verletzend. Ihre
Haltung stigmatisiere alle trans Menschen zu psychisch Kranken.
Ohne die Einordnung als krankheitswertige Störung gibt es keine
Kostenübernahme der Finanzierung von medizinischen Dienstleistungen! Dazu
gibt es eigentlich mehrere rechtskräftige Urteile des Bundessozialgerichts.
Entscheidend ist der „klinisch relevante Leidensdruck“ und die
Beeinträchtigung. Die unselige Entpathologisierungsdebatte führt ins Nichts
– sie schadet den Betroffenen, was ein Großteil von ihnen mittlerweile auch
begriffen hat. Allein den Transaktivisten ist die Einsicht verwehrt, dass
diese Diskussion nicht mehr im Sinne der unter Geschlechtsdysphorie
Leidenden ist.
Eine Ärztin der Londoner Tavistock-Klinik berichtet, Minderjährige,
Vorpubertäre und ihre Eltern wollen am liebsten sofort Hormone. Erleben Sie
das in Ihrer Klinik auch?
Definitiv, ja. Es fragen Eltern von Siebenjährigen: Wann soll meine Tochter
Hormone bekommen? Und wann sollen die Eierstöcke raus?
Sie lehnen Pubertätsblocker ab. Was spricht dagegen?
Die Blockade der Pubertät mit Medikamenten ist meines Erachtens
medizinethisch fragwürdig. Wir wissen [4][aus Studien], dass sich die
meisten Kinder später [5][mit ihrem Geburtsgeschlecht aussöhnen].
Geschlechtsatypisches Verhalten und Geschlechtsidentitätsunsicherheit im
Kindesalter deuten häufig auf Homosexualität im Erwachsenenalter hin. Nur
sehr selten führt dies zu einer transsexuellen Identität. Anders ist es bei
Patienten, deren Pubertät angehalten wurde. Die setzen in der Regel die
Transition fort, zunächst durch Hormone und gegebenenfalls durch
Operationen. Also sind Pubertätsblocker frühe Weichensteller. Man kann auch
sagen, ein Homosexualitätsverhinderer. Aus diesem Grund und wegen der
unklaren Risiken und möglichen Langzeitfolgen [6][hat Schweden diese
Behandlung gerade ausgesetzt].
Sie werden auch von vielen Ihrer KollegInnen teils heftig kritisiert. Auf
ein Interview im [7][Spiegel] 2019 reagierten die mit Unverständnis – und
bekräftigten, dass nach ihrer Erfahrung Transidentität keineswegs als Laune
in der Pubertät auftrete, sondern in aller Regel viel früher gefestigt sei.
Halten Sie diese Möglichkeit für abwegig?
Entgegen anderweitigen Behauptungen weiß ich die überwiegende Mehrheit
[8][meiner Berufskollegen] hinter mir. Korrekt ist: Ja, es gibt andere
Sichtweisen; ich sehe diese aber in der Minderheit, nicht umgekehrt. Zum
Wording: Ich weiß nicht, was mit „Transidentität“ gemeint sein soll – es
ist keine anerkannte medizinisch-wissenschaftliche Bezeichnung.
Aber es gibt doch trans Jugendliche.
Ich habe immer gesagt: Ja, es gibt eine kleine Subgruppe von
geschlechtsdysphorischen Jugendlichen, bei denen tatsächlich eine profunde
und zeitlich überdauernde Geschlechtsidentitätstransposition im Sinne
einer Transsexualität vorliegt. Das Problem bleibt aber bestehen: Es ist
sehr schwer bis unmöglich, diese als solche zu identifizieren – weil wir
nicht in die Zukunft blicken können, beziehungsweise weil es keine sicheren
Prädiktoren dafür gibt.
Geben Sie in Ihrer Klinik auch Hormone?
Gegengeschlechtliche Hormone geben wir in München in einzelnen Fällen.
Aber immer erst nach einer mindestens einjährigen, psychotherapeutisch
begleiteten Alltagserprobung und einer sehr sorgfältigen
Indikationsprüfung. Bisweilen habe ich am Ende aber immer noch ein ungutes
Gefühl. Aber besser, wir machen das, als dass sich die Jugendlichen die
Hormone im Internet besorgen.
Hat nicht jeder in der Pubertät eine schwierige Phase? Ist das Hadern mit
seinem Geschlecht nicht normal?
Ja, es gibt die „Scham-Krise“. Da gibt es aber Unterschiede zwischen Jungs
und Mädchen. Bei Mädchen ist der Eintritt der Geschlechtsreife durch die
erste Menstruation, die Menarche, markiert. Etwa ein Drittel der Mädchen
erlebt die eindeutig als aversiv. Bei Jungen ist das Pendant dazu der erste
Samenerguss. Den empfinden die fast alle als angenehm.
Aber Mädchen können sich auch Lust bereiten, durch Reiben ihrer Klitoris.
Sicher gibt es auch adoleszente Mädchen, die masturbieren. Ihr Anteil ist
jedoch deutlich geringer. Bei Jungen sprechen wir von annähernd 100
Prozent, [9][bei Mädchen je nach Studie] von zwischen 20 und 50 Prozent.
Wenn ein Mädchen ihren Körper als Quelle angenehmer Gefühle entdeckt und
ihn aus diesem Grund positiv besetzt, ist es höchst unwahrscheinlich, dass
sie eine transsexuelle Geschlechtsdysphorie entwickelt. Mädchen, die einen
Transwunsch formulieren, haben meistens keine Erfahrung mit Masturbation.
Und die Menstruation tut bloß weh.
Richtig. Die Orgasmusfähigkeit, vor allem im Rahmen soziosexueller
Kontakte, ist für Mädchen eine größere Herausforderung als für Jungen.
Dieser Unterschied muss für das Verständnis einer ganzen Reihe von
psychischen Erkrankungen berücksichtigt werden. Zum Beispiel der Anorexie.
Auch hier liegt fast immer auch ein sexueller Konflikt zugrunde –
beziehungsweise eine Ablehnung von Weiblichkeit. Nur kämen wir nie auf die
abstruse Idee, Appetitzügler zu geben.
Sie meinen wie Pubertätsblocker?
Genau. Beide Phänomene haben ein [10][gestörtes Körperbild] gemein. Ein
magersüchtiges Mädchen leidet auch brutal unter ihrem vermeintlichen
Zu-dick-Sein. Bei Kindern mit Geschlechtsdysphorie sind wir geneigt, dieses
unsägliche Narrativ vom „im falschen Körper geboren“ unhinterfragt zu
übernehmen. Was für ein Blödsinn!
Es gibt eine Studie aus den Niederlanden mit fast 7.000 TeilnehmerInnen.
Die Quote derer, die ihre Transition rückgängig machen wollten, lag bei
unter einem Prozent. Warum sollte das in Deutschland anders sein?
Ich kann Ihnen spontan [11][mehrere aktuelle Katamnese-Studien] vorlegen,
deren Ergebnisse in eine ganz andere Richtung weisen – die für eine zuletzt
deutlich gestiegene Detransitioner-Rate sprechen, dass also mehr Menschen
wieder in ihr Geburtsgeschlecht zurückgehen. Es ist müßig, über eine
einzige Studie zu diskutieren.
Es heißt, die Transitionierten sind psychisch gesünder.
Diese Behauptung gründet sich auf Befragungen, bei denen es aber eine
Stichprobenverzerrung gibt dergestalt, dass negative Verläufe gar nicht
publiziert werden. Da hat niemand Interesse daran. Auch für die Patienten
ist es schwer, sich einzugestehen: Das war falsch.
Haben Sie Zahlen dazu?
Lisa Littman machte eine große Zahl von Menschen ausfindig, die
detransitionierten. Etwa die Hälfte hatte das ihren Ärzten nicht gesagt.
Was ja das Schicksal der Britin Keira Bell ist. Ihr wurden im Jugendalter
Hormone verabreicht, beinahe beratungslos. Ihre Brüste wurden schließlich
entfernt – ehe sie erkannte, dass sie doch eine Frau ist, eine lesbische
Frau.
Es gibt Studien, denen zufolge [12][die Suizidrate bei operierten trans
Menschen erhöht] ist. Die Transaktivisten-Szene sagt, das sei nur Ausdruck
des Minoritäten-Stresses. Das mag eine Erklärung sein, aber ganz sicher
nicht die alleinige. Aber: Es gibt eine kleine Sub-Gruppe, für die ist die
Transition die richtige Option.
Wie erkennen Sie die?
Das kann ein Erwachsener nur für sich selbst entscheiden. Ich finde das
Lifetime-Kriterium bedeutsam. War es schon immer so, dass eine Person sich
dem anderen Geschlecht zuordnete? Ich kenne erwachsene Transsexuelle, die,
obwohl sie das alles durchlaufen haben, mittlerweile dafür plädieren, den
Weg der unblutigen Transition auszuprobieren.
Was wäre eine „unblutige Transition“?
Wenn Betroffene nur ihre soziale Geschlechtsrolle wechseln, entsprechend
auftreten, ohne medizinische Maßnahmen zur äußeren Geschlechtsangleichung.
Nun regieren Grüne und FDP und setzen um, wovor Sie warnten.
Eine Reform des Transsexuellengesetzes finde ich nicht grundsätzlich
verkehrt. Nur sollte man das Gesetz nicht durch ein Selbstbestimmungsgesetz
ersetzen. Das hilft den Betroffenen nicht. Geplant ist ja, dass das ab 14
Jahren gilt. Das wird auch zu Zerwürfnissen in Familien führen, weil
mancher Teenager das dann gegen den Willen seiner Eltern durchsetzt.
Es hat doch auch Familien zerrüttet, wenn Kinder ihr schwules oder
lesbisches Coming-out hatten. Und da sagen wir als Emanzipationswillige
immer: Tja, dann ist die Familie an der Stelle eben ein bisschen zerrüttet,
da müssen die Eltern durch.
Ja, einverstanden. Wobei es hier um etwas anderes geht. Schwule und Lesben
wollen von Ärzten und Therapeuten vor allem eines: in Ruhe gelassen werden.
Transsexuelle hingegen wünschen eine aufwendige und folgenreiche
medizinische Behandlung – mit irreversiblen, lebenslangen Konsequenzen. Und
das wäre bei einer nur vorübergehenden Geschlechtsidentitätsverwirrung eine
fatale Fehlentscheidung!
Wurde so nicht früher auch über Homosexualität geredet? Es ist „nur eine
Phase“?
Ich wüsste nicht, dass dies so gewesen sei.
Doch, so wurde sie begriffen.
Jedenfalls: Die vielfach bemühte Analogie „trans – Homosexualität“ trä…
nicht. Es handelt sich um völlig verschiedene Dinge. Früher, im Zuge der
Emanzipation von Homosexuellen, ging es darum, den eigenen Spielraum, das
eigene sexuelle Erlebens- und Verhaltensspektrum zu erweitern und sich von
tradierten Normen zu befreien. Heutzutage besteht für Angehörige der jungen
Generation die Herausforderung eher darin, sich im Dienste der
Selbstwahrnehmung und -konturierung zu begrenzen.
Inwiefern?
Es geht darum, sich nicht von einer phasenweise bestehenden Verunsicherung
in die Irre leiten zu lassen.
Warum ist die Debatte so emotional?
Das war im Zusammenhang mit „dem Sexuellen“ eigentlich immer so – dafür
gibt es vielfältige Belege. Anders gefragt: Wird heutzutage nicht beinahe
jede Debatte höchst emotional und nicht selten ohne Berücksichtigung der
Fakten geführt? In besonderer Weise gilt das im Zusammenhang mit
Identitätspolitik – und die ganze Transdiskussion fällt darunter.
Sind Sie auch Familienvater?
Ich habe zwar einige viele homosexuelle Freunde, aber ich bin ein
Heteromann. Und ich habe zwei Töchter im Alter von vier und acht.
Sind es rosa liebende Prinzessinnen?
Die sind, wie die meisten Mädchen so sind – mädchenhaft. Wobei meine Ältere
Fußball spielt und den Jungs davonläuft. Sie ist unglaublich schnell, sagt
der stolze Vater. Und zu Fasching wechselte sie jüngst ihre Verkleidung
problemlos zwischen „Pippi Langstrumpf“, „Einhorn“ und „Polizist“ h…
her.
Kurzum: Sie halten nichts davon, dass jeder sein Geschlecht selbst
bestimmen kann?
Mir fehlt hier die Unterscheidung zwischen Zugehörigkeitsgefühl und
biologischen Geschlecht. Das sind zwei Paar Schuhe. Kann ein Jugendlicher
ab 14 seinen Geschlechtseintrag ändern, dann denkt er: Okay, jetzt muss ich
diesen transsexuellen Weg weiter gehen. Die selbstkritische Überprüfung
wird nicht befördert, da gebe ich Brief und Siegel darauf: Du fühlst dich
vom anderen Geschlecht, dann wird es so sein. Also meine Prognose: Das
Gesetz kommt und bleibt nicht folgenlos für die medizinische
Behandlungspraxis.
Was schlagen Sie vor?
Jeder sollte sich so kategorisieren, wie es ihm passt. Aber dafür muss er
nicht den juristischen Eintrag ändern. Biologisches Geschlecht ist was
anderes als Gender. Und Gender, das soziale Geschlecht, ist noch mal was
anderes als Gender Identity. Es geht wild durcheinander. Da befürchte ich
Beliebigkeit.
Es gibt in der Trans-Szene die Auffassung, es gäbe ganz viele Geschlechter?
Das ist aus naturwissenschaftlicher Perspektive Quatsch. Dem ist nicht so.
Geschlecht im biologischen Sinn unterliegt definitiv dieser Binarität: Es
gibt ein männliches und ein weibliches, [13][weil es nur zwei Typen von
Keimzellen gibt], zwei ‚Gametentypen‘. Und dieser Dimorphismus ist die
Grundlage allen Lebens, auch im Pflanzen- und Tierreich. Die Mechanismen,
mit denen ein Organismus die jeweiligen Keimzellen produziert, die sind
durchaus störanfällig. Deshalb gibt es sogenannte Intersex-Formen. Die sind
aber kein Beleg dafür, dass es mehrere Geschlechter gibt.
Wählen Sie weiter die Grünen?
Beim letzten Mal, wegen dieser Gender-Politik, nicht. Ich bedauerte das
trotzdem, ich bin einfach grün sozialisiert, und meine politische Heimat
ist die Umweltschutzbewegung.
2 May 2022
## LINKS
[1] https://www.transgendertrend.com/wp-content/uploads/2020/11/English-NBHW-re…
[2] https://www.science.org/content/article/new-paper-ignites-storm-over-whethe…
[3] /Psychoanalytikerin-ueber-Geschlecht/!5487466
[4] https://www.researchgate.net/publication/5657572_A_Follow-Up_Study_of_Girls…
[5] https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyt.2021.632784/full
[6] https://segm.org/Sweden_ends_use_of_Dutch_protocol
[7] https://www.spiegel.de/panorama/geschlechtsumwandlungen-macht-doch-endlich-…
[8] https://www.washingtonpost.com/outlook/2021/11/24/trans-kids-therapy-psycho…
[9] https://www.forschung.sexualaufklaerung.de/fileadmin/fileadmin-forschung/pd…
[10] https://www.zhb.uni-luebeck.de/epubs/ediss675.pdf
[11] https://www.statsforgender.org/detransition/
[12] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0016885
[13] https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-0978-…
## AUTOREN
Jan Feddersen
Kaija Kutter
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Trans-Community
Schwerpunkt LGBTQIA
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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