# taz.de -- Coming-Out: Draußen, Drinnen und die Tür | |
> Die queere Teenie-RomCom „Heartstopper“ beschäftigt sich mit dem | |
> Coming-Out. Das tut sie mit viel Verständnis für das Drinnen und Draußen. | |
Bild: Ben ist ungeoutet und projiziert seinen Selbsthass auf Charlie | |
Wie lange her ist Ihr letztes Coming-out? Meins wenige Tage, bei so einem | |
Honk an der Coronahotline. Es hört nicht auf, oder? Es läuft selten richtig | |
doof ab, ist aber immer irgendwie existenziell. Ich find’s ermüdend. Drum | |
erhebe ich mich manchmal über diejenigen, [1][die (noch) nicht geoutet, | |
also in the closet] sind. Unsolidarisch, murmele ich in meinen Bart. Als | |
wäre closet ein Fünfsterneresort. | |
Nun gucke ich auf Netflix die neue Adaption der Graphic Novel | |
„Heartstopper“. Das ist die preisgekrönte queere Teenie-RomCom der | |
britischen Autor*in Alice Oseman. [2][Seit 2015 erscheinen die | |
Zeichnungen episodisch im Netz] (auf Deutsch beim Loewe Verlag). | |
„Heartstopper“ handelt von Nerd Charlie, seinen Freund*innen – und seinem | |
Schwarm: Nick, dem gutmütigen Rugbyspieler. | |
Ha, lol, der beliebte, „superstraighte“ Mitschüler, in den man sich mit 14 | |
völlig unnötig verguckt, erwidert die Gefühle!? Wann ist das je passiert? | |
Wunschtraumalarm! Scheißegal, denn Charlie und Nick (Joe Locke und Kit | |
Connor) gucken einander acht Folgen lang so oft versonnen in die Augen, | |
dass mein zynisches Herz dem keine Minute lang standgehalten hat. | |
„Heartstopper“ ist als „wohltuend“ beschrieben worden, als | |
„queer-optimistisch“. Tatsächlich spricht viel für Alice Osemans | |
Storytelling. Zum Beispiel, dass Trans- und Homophobie nicht für Effekte | |
ausgebeutet werden. Beim Anschauen von „Heartstopper“ bin ich ständig | |
überrascht, wie viele erzählerische Abzweigungen in Richtung „mehr Schmerz, | |
mehr Drama“ oder „mehr Gewalt“ Oseman einfach links liegen lässt. | |
## Umgebung für Coming-out bei Teens kaum verändert | |
Für mich besonders sticht in der Serie wie in der Graphic Novel aber der | |
Umgang mit dem Coming-out heraus. Drei Figuren sind in the closet und gehen | |
damit im Laufe der Geschichte unterschiedlich um. Tara verkündet die Liebe | |
zu ihrer Freundin zunächst euphorisch, leidet aber unter den hämischen | |
Reaktionen. Ben projiziert seinen Selbsthass auf Schwächere. Nick, | |
schließlich, muss klarkriegen, was er ist und wem er das wann erzählt. | |
Vermeintlich wird es derzeit leichter, offen queer zu sein. Hie und da mag | |
das stimmen. Gerade deshalb laufen wir Gefahr, als Gesellschaft oder | |
Community Druck aufzubauen: „Steh gefälligst zu dir!“ Dabei hat sich die | |
Umgebung für ein Coming-out zumindest bei Teens in vielen entscheidenden | |
Punkten kaum verändert. Die Schule bleibt ein gnadenloses Panoptikum, | |
„hetero“ die anstrebenswerte Norm, „queer“ ein gefundenes Fressen für | |
[3][Kids, die bei anderen nach sogenannten Makeln suchen]. „Heartstopper“ | |
entwirft eine Welt, die queerfreundlich ist, in der es aber trotzdem schwer | |
ist, die Türen des closet aufzustoßen. Es ist okay, sich Zeit zu lassen!, | |
betont die Serie – aber: Bedenke, dass deine Entscheidung andere | |
mitbetrifft. Das tut sie mit viel Verständnis für das Drinnen wie das | |
Draußen. Und mit den schönsten Händchenhalt- und Knuddelszenen sowieso. | |
29 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Doku-Coming-out/!5777546 | |
[2] https://m.webtoons.com/en/challenge/heartstopper/1-1/viewer?title_no=329660… | |
[3] /Lehrer-ueber-Transpersonen-in-der-Schule/!5730149 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
## TAGS | |
Kolumne Unisex | |
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Homosexualität | |
Trans-Community | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt LGBTQIA-Community | |
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