# taz.de -- Polen und der EuGH: Niederlage für polnischen Richter | |
> Ein regierungsnaher polnischer Richter zweifelt an der Unabhängigkeit | |
> seiner altgedienten Kollegen. Der EuGH folgt der Argumentation nicht. | |
Bild: Europäischer Gerichtshof in Luxemburg | |
FREIBURG taz | Es bestehen keine Bedenken gegen die Unabhängigkeit | |
polnischer Richter, die vor der dortigen Justizreform ins Amt kamen. Dies | |
hat an diesem Dienstag [1][der Europäische Gerichtshof (EuGH)] in einem | |
ungewöhnlichen Verfahren mit vertauschten Rollen entschieden. | |
Seit 2015 versucht die polnische PiS-Regierung mit einer [2][groß | |
angelegten Justizreform] nach und nach die Kontrolle über die Justiz zu | |
gewinnen. Dagegen wehren sich die „alten“ Richter, indem sie die | |
Legitimation der „neuen“ Richter in Frage stellen. Oft legen die „alten“ | |
Richter dem EuGH Verfahren vor, damit dieser die Justizreform an den | |
rechtsstaatlichen Vorgaben des EU-Rechts prüft. Schon mehrfach hat der EuGH | |
die polnischen Reformen beanstandet, zum Beispiel die neue | |
Disziplinarkammer für Richter. | |
Diesmal aber hat ein „neuer“ Richter, der als Einzelrichter am Obersten | |
Gericht Polens tätig ist, dem EuGH Fragen zur Unabhängigkeit der „alten“ | |
Richter vorgelegt. Der Bürgerbeauftragte Polens wies ausdrücklich darauf | |
hin, dass dieser „neue“ Richter zuvor für den Justizminister Zbiegnew | |
Ziobro gearbeitet habe und seine Ernennung hoch umstritten gewesen sei. | |
Dieser „neue“ Richter musste über ein Urteil des Berufungsgerichts Breslau | |
entscheiden. Es ging um einen Kreditvertrag mit der Getin Noble Bank, wobei | |
der konkrete Fall nebensächlich ist. Vielmehr stellte dieser „neue“ Richter | |
die Unabhängigkeit der drei Breslauer Richter in Frage, die den Fall in der | |
Vorinstanz entschieden hatten und bat den EuGH um Prüfung. | |
## Zwei Bedenken | |
Konkret äußerte der „neue“ Richter zwei Bedenken: So sei einer der | |
Breslauer Richter noch vor 1990, also in der kommunistischen Zeit Polens, | |
ins Amt gekommen. Die beiden anderen wurden zwischen 2000 und 2018 vom | |
Landesjustizrat (KRS) ausgewählt, als dieser angeblich verfassungswidrig | |
besetzt war. Der vorlegende „neue“ Richter bezog sich hier auf eine | |
Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts von 2017 (als dieses schon | |
PiS-freundlich ausgerichtet war). | |
Doch das – eher durchsichtige – Manöver hatte keinen Erfolg. Der EuGH | |
konnte bei allen drei Breslauer Richtern keine Hinweise auf fehlende | |
Unabhängigkeit finden. Der EuGH erinnerte daran, dass beim EU-Beitritt | |
Polens 2004 bekannt war, dass manche Richter schon zu kommunistischer Zeit | |
ihren Amtseid geschworen hatten – ohne dass damals jemand Gefahren für die | |
Rechtsstaatlichkeit gesehen hätte. Auch heute gebe es keine konkreten | |
Hinweise auf Probleme mit deren Unabhängigkeit. | |
Zudem sei Kritik des polnischen Verfassungsgerichts am alten | |
Landesjustizrat eher technischer Natur gewesen. Die Probleme mit | |
unterschiedlichen Amtszeiten von dessen Mitgliedern seien nicht geeignet, | |
in der Öffentlichkeit Zweifel an der Unabhängigkeit der vor 2018 | |
ausgewählten Richter zu erzeugen. Kleiner Trost für den vorlegenden „neuen�… | |
Richter: Der EuGH akzeptierte auch ihn als normalen Richter und äußerte | |
keine Zweifel an seiner Unabhängigkeit. Az.: C-132/20 | |
29 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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