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# taz.de -- Politiker Daniel Günther über die CDU: „Ein riesiges Defizit de…
> Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein über Wahlkampf, Windräder,
> Impfpflicht und neuerliche Sympathien für Friedrich Merz.
Bild: War nicht immer ein Fan von Friedrich Merz: Daniel Günther, Ministerprä…
taz am wochenende: Herr Günther, CDU-Kandidaten sollten keine Videos vor
Tankstellen aufnehmen, das haben wir bei der Saarland-Wahl gelernt. Welche
Lehren ziehen Sie sonst noch [1][aus der Niederlage Ihres Parteifreundes
Tobias Hans]?
Daniel Günther: Ich glaube, aus dem Saarland können wir relativ wenige
Rückschlüsse auf die Wahl in Schleswig-Holstein ziehen. Entscheidend waren
regionale Einflüsse, zum Beispiel eine SPD-Herausforderin mit hohen
Zustimmungswerten, die zehn Jahre im Amt ist. Aber in Zeiten, in denen es
um Krieg und Frieden geht, haben die Leute ohnehin andere Sorgen, als sich
lange mit dem Ergebnis einer Landtagswahl in einem anderen Bundesland zu
beschäftigen.
Es war ein vermasselter Start für die CDU in ein wichtiges Wahljahr.
Ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl wäre auch besser gewesen. Aber
manches, was wir befürchtet haben, ist auch nicht eingetreten. Die Ampel
hat keine Strahlkraft entwickelt.
Die Union in der Opposition aber auch nicht. Spüren Sie aus Berlin Rücken-
oder Gegenwind?
Weder noch. Wir arbeiten bei den für uns relevanten Punkten gut zusammen.
Heißt was?
Wir hatten Gegenwind aus Berlin befürchtet, nachdem die Union nach so
langer Regierungsverantwortung in der Opposition gelandet ist. In einer so
dramatischen Lage wie jetzt erwarten die Menschen aber zu Recht, dass sich
die Opposition in großen Fragen an die Seite der Bundesregierung stellt.
Bei der Impfpflicht hat die Union das nicht getan, sondern versucht, sich
zu profilieren. Sie sind für eine Impfpflicht. Die Union hat am Donnerstag
im Bundestag dagegen gestimmt und die Einführung verhindert.
Das ist das bedauerliche Ergebnis einer langen Taktiererei, die nicht
sinnvoll war. Man hätte die Impfpflicht gleich am Anfang beschließen
sollen. Ich halte es für falsch, jetzt nicht zu handeln. Ich bleibe dabei:
Wir brauchen die Impfpflicht, um im Herbst gut vorbereitet zu sein.
Die Union macht auf Bundesebene also aus Ihrer Sicht einen schweren Fehler.
Zunächst einmal ist es die Verantwortung der Ampel, für eine Mehrheit zu
sorgen. Da kann die Koalition die Verantwortung nicht an andere delegieren.
Sie waren jahrelang kein Fan von Friedrich Merz. Jetzt ist er Ihr
Parteichef und Sie äußern sich positiv. Was gefällt Ihnen plötzlich an ihm?
Wir haben uns beide weiterentwickelt, mit zunehmendem Alter. (Alle lachen.)
Aber nein, ich finde wirklich, dass er sehr entscheidungsstark ist. Er tut
der CDU innerparteilich gut mit der Verantwortung, die er wahrnimmt. Auch
bei Themen, wo man ihn früher nicht verortet hätte.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel was Frauen in Verantwortung angeht, [2][ein riesiges Defizit
der CDU]. Er will, dass wir das Thema positiv lösen. Mir war das schon
immer wichtig und am Anfang war ich bei ihm skeptisch. Aber seitdem er
Parteivorsitzender ist, verortet er sich neu.
Auf dem Bundesparteitag im September steht die verschobene Abstimmung über
die Frauenquote an, Herr Merz war bisher kein Befürworter. Was erwarten Sie
von ihm?
Für mich ist völlig klar, dass die CDU eine Frauenquote braucht. Ich
glaube, das bestreiten mittlerweile in der CDU auch fast nur noch Männer
und das auch immer weniger.
Friedrich Merz gehört noch dazu.
Warten wir mal ab.
Sie erwarten, dass Herr Merz sich anders positioniert als bislang?
Die CDU muss sicherstellen, dass die Macht in der Partei hälftig auf Frauen
und Männer aufgeteilt wird. Wir haben es lange auf freiwilliger Basis
versucht, aber das reicht nicht. Wir in Schleswig-Holstein zeigen übrigens,
dass es geht.
Ihre Landesliste sieht gut aus, aber Ihre Abgeordneten werden meist direkt
in den Wahlkreisen gewählt. Deshalb werden, zugespitzt gesagt, wieder mehr
Landwirte als Frauen in der Fraktion sitzen.
Das war noch nie so, und wir haben auch eine Landwirtin in der Fraktion.
Aber es ist ein Problem, das alle politischen Parteien haben – und das auch
die Quote nicht lösen wird.
Und wie ändert man das?
Mit Überzeugungsarbeit.
Herr Günther, wenn Sie Ministerpräsident bleiben – werden Sie sich stärker
auf der Bundesebene engagieren? Sie gelten schließlich als einer der
Hoffnungsträger des liberalen Flügels.
Mit Sicherheit. Trotzdem bleibt auch nach der Wahl Schleswig-Holstein klar
der Fokus.
Derzeit überlagern zwei Großthemen alles andere: der Krieg in der Ukraine
und die Pandemie. Wie schlägt sich das im Wahlkampf nieder?
Vorher hat Corona eine riesige Rolle gespielt, inzwischen hat sich das
Thema durch unsere hohe Impfquote und vor allem den Krieg sehr relativiert.
Die Bedrohungslage ist spürbar. Und natürlich spielen auch die Auswirkungen
eine Rolle: die Preisentwicklung bei Energie, bei Lebensmitteln, die
Aufnahme von Menschen, die aus dem Krieg hier zu uns fliehen. Wir haben
über 13.000 registrierte Flüchtlinge in Schleswig-Holstein.
Sie waren immer ein Anhänger von Angela Merkel. Mit Blick auf die Ukraine:
Ist ihre Russlandpolitik gescheitert? Muss man die Ära Merkel neu bewerten?
Mein Respekt vor der Leistung von Angela Merkel hat sich nicht verändert,
ich bleibe ein großer Fan von ihr. Aber natürlich ist nicht zu bestreiten,
dass die Hoffnung, die wir mit manchem Entgegenkommen gegenüber Russland
verbunden haben, sich als falsch erwiesen hat. Im Nachhinein allerdings ist
es leicht, mit Fehleinschätzungen abzurechnen. Aber dass wir uns in eine
solche Abhängigkeit begeben haben, dass wir Projekte wie Nord Stream 2
verfolgt haben, das war falsch. Da hätten wir die Weichen viel früher
anders stellen müssen.
Die Union hat beim Ausbau der erneuerbaren Energien lange gebremst, auch
deshalb ist die Abhängigkeit von russischem Gas jetzt so hoch.
Wir als Union haben uns beim Thema Ausbau der Windkraft im Bund nicht mit
Ruhm bekleckert. Aber die Blockade bei Themen wie LNG war eben auch falsch.
Das müssen die Grünen einräumen.
Sie haben im Landtagswahlkampf 2017 damit geworben, dass Sie die Abstände
zu Windkraftanlagen vergrößern wollen, und das auch umgesetzt. Deshalb hat
sich seitdem in Schleswig-Holstein bei der Windkraft kaum etwas getan. Auch
mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine: War das ein Fehler?
Diese 1.000 Meter, die wir in der Koalition vereinbart haben, haben
erheblich zur Akzeptanz von Windkraftanlagen beigetragen. Das werden wir
auch nicht verändern. 2017 war die Bevölkerung gespalten, die Hälfte der
Leute hat Windkraft abgelehnt, die andere Hälfte sie begrüßt. Seitdem haben
wir aber kaum noch Akzeptanzprobleme vor Ort. Und wir sind eines der ganz
wenigen Bundesländer, die eine fertige Windkraftplanung haben, in der zwei
Prozent der Landesfläche ausgewiesen werden.
Mit Bundeswirtschaftsminister Habeck bin ich mir einig, dass wir die
Flächen im Land noch besser ausnutzen und mehr Repowering ermöglichen
wollen. Auf bestehenden Flächen, mit hoher Akzeptanz für die Windkraft,
können damit effizientere Anlagen genehmigt werden und so die
Produktionsleistung spürbar erhöht werden.
Es gibt in Schleswig-Holstein heute genauso viele Windräder wie 2017, und
trotz Repowering ist die erzeugte Strommenge kaum gestiegen.
Wir werden durchaus eine beträchtliche Erhöhung der Nennleistung für Wind
an Land auf absehbar knapp neun Gigawatt erreichen, weil wir neue Flächen
ausgewiesen und veraltete Anlagen abgebaut und erneuert haben. Durch unsere
Flächenplanung werden wir noch eine weitaus größere Leistung bekommen.
Zudem sind wir das Land, das im vergangenen Jahr in ganz Deutschland die
meisten Windkraftanlagen genehmigt hat. 2021 war das zweitstärkste Jahr für
den Ausbau der Windkraft in Schleswig-Holstein überhaupt.
Wir haben in den letzten fünf Jahren einen erheblichen Zuwachs gehabt.
Genau wie die SPD-geführte Vorgängerregierung haben wir Anlagen genehmigt,
obwohl die Landesplanung noch nicht fertig war. Jetzt ist sie fertig. Aber
wir müssen uns nach Bundesgesetzen richten und da dauern diese Prozesse.
Ich wünsche mir, dass das beschleunigt wird.
Sie setzen also darauf, dass die Ampel diese Prozesse beschleunigt – die
Große Koalition hat das versäumt.
Genau. Ich bestreite auch gar nicht, dass es bei der alten Bundesregierung
Versäumnisse gegeben hat. Und dass der Koalitionsvertrag der Ampel Hoffnung
gibt, dass sich das ändert.
Angesichts der Kriegsverbrechen, die in der Ukraine verübt werden: Sind Sie
für ein Energieembargo?
Ich unterstütze, dass die Bundesregierung daran arbeitet, so schnell wie
möglich Importe aus Russland zu vermeiden. Ich unterstütze aber auch, dass
sie nicht überstürzt entscheidet.
Ihr Parteifreund Norbert Röttgen kritisiert diese Haltung. Sie sind eher
bei Habeck?
Ja, genau.
Laut Umfragen könnte es im Mai in Schleswig-Holstein für Schwarz-Grün
reichen. Schmeißen Sie dann die FDP aus der Koalition?
Jamaika hat Schleswig-Holstein in den letzten fünf Jahren gut getan. Mein
Ziel ist, dass diese Koalition auch nach dem 8. Mai weiterregiert. Ich
nehme die Umfragen natürlich wahr und freue mich, dass die Zustimmung zur
CDU steigt. Aber ich weiß auch, dass es Momentaufnahmen sind.
Wie groß ist Ihre Sorge, dass es am Ende auch in Schleswig-Holstein eine
Ampel gibt?
Wir sind eine der wenigen Regierungen bundesweit, die selbst vier Wochen
vor der Wahl harmonisch zusammenarbeitet. Es gibt kaum Profilierung auf
Kosten der anderen. Deswegen bin ich sehr optimistisch: Wenn wir als CDU
mit Abstand stärkste Kraft werden, werden auch Grüne und FDP weiter mit uns
zusammen regieren wollen.
8 Apr 2022
## LINKS
[1] /Vorsitz-der-CDU-im-Saarland/!5844951
[2] /Geschlechtergerechtigkeit-in-der-CDU/!5845554
## AUTOREN
Esther Geißlinger
Sabine am Orde
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