# taz.de -- Gesperrter hessischer Bericht: Neuer Streit um NSU-Akte | |
> Hessen ließ eine NSU-Akte zunächst für 120 Jahre sperren. Nun fordert | |
> Innenministerin Faeser die Offenlegung – aber Schwarz-Grün weigert sich. | |
Bild: Will die NSU-Aufarbeitung im Bund wieder forcieren: Innenministerin Nancy… | |
BERLIN taz | Es bleibt ein Makel der schwarz-grünen Regierung in Hessen. | |
Für 120 Jahre hatte der Verfassungsschutz dort zunächst [1][eine Akte zum | |
NSU-Terror eingestuft], später noch für 30 Jahre. In einer Petition | |
forderten gut 130.000 Unterzeichnende die Offenlegung. Schwarz-Grün aber | |
[2][verweigert das bis heute]. Nun jedoch kommt Druck von ganz oben, von | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser. | |
Die Sozialdemokratin plädierte schon zu ihrer Zeit als hessische | |
Innenpolitikerin für die Offenlegung der Akte. Jetzt als Innenministerin | |
unterstrich Faeser jüngst bei der Vorstellung ihres [3][Aktionsplans | |
Rechtsextremismus]: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man diesen | |
Bericht veröffentlichen kann und Zugang ermöglichen sollte.“ In diesem | |
Punkt sei „Transparenz und Offenheit sehr wichtig“. Und Faeser verwies auf | |
den Koalitionsvertrag der Ampel, in dem eine „energische“ Aufarbeitung des | |
NSU-Terrors festgeschrieben ist. „Dazu stehe ich auch.“ | |
## Hessen weigert sich weiterhin | |
Es war eine klare Ansage – die man so von ihrem Vorgänger Horst Seehofer | |
nicht hörte. Schwarz-Grün in Hessen reagiert indes reserviert. „Eine | |
Veröffentlichung ist nach wie vor rechtlich nicht möglich“, erklärte ein | |
Sprecher von Innenminister Peter Beuth (CDU) auf taz-Nachfrage. Er verwies, | |
ebenso wie Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner, nur auf den zuletzt | |
gemachten Vorschlag, einen Sonderermittler einzusetzen, der die Akte | |
auswertet. Damit, so Wagner, wolle man das berechtigte Interesse der | |
Öffentlichkeit und die rechtlichen Regeln „in Einklang“ bringen. | |
Tatsächlich hat Faeser kein Durchgriffsrecht. Mit ihrer Positionierung | |
isoliert sich Schwarz-Grün in Hessen aber immer mehr. Die dortige | |
Opposition lobt Faesers Vorstoß. „Wir unterstützen die Aussage der | |
Bundesinnenministerin voll und ganz“, sagte Linken-Innenexperte Hermann | |
Schaus der taz. „Die Freigabe entspricht dem, was wir und einige | |
zivilrechtliche Organisationen schon immer gefordert haben.“ | |
## Sanfter Druck von den Bundes-Grünen | |
Und auch von den Bundes-Grünen kommt sanfter Druck auf die hessischen | |
Parteikolleg:innen. Um Defizite im Kampf gegen den Rechtsextremismus | |
abstellen zu können, müsse man „zwingend auch aus den Fehlern der | |
Vergangenheit lernen“, betont Konstantin von Notz, Grünen-Fraktionsvize im | |
Bundestag. „Daher ist es gut, dass die Innenministerin auch die | |
Aufarbeitung zurückliegender Taten noch einmal anspricht. Viele Fragen im | |
NSU-Komplex sind bis heute unbeantwortet.“ Von Notz' Appell: „Entscheidend | |
ist, dass wir es gemeinsam angehen.“ | |
In Hessen bleibt Schwarz-Grün aber bei seinem Sonderermittler. Der frühere | |
Justizstaatssekretär Rudolf Kriszeleit (FDP) soll die NSU-Akte noch einmal | |
sichten und die Öffentlichkeit darüber „in geeigneter Form“ unterrichten. | |
Der Linke Schaus nennt das eine „Placebo-Pille“, um die Öffentlichkeit zu | |
beruhigen. Und auch Faesers hessischer SPD-Kollege Günter Rudolph spricht | |
von einem „durchschaubaren Spiel auf Zeit“, um sich „so lange wie möglich | |
vor einer Entscheidung über die Offenlegung der NSU-Berichte zu drücken“. | |
## Die Akte prüfte NSU-Bezüge nach Hessen | |
Die taz hatte die NSU-Akte, die aus zwei Berichten des Landesamtes für | |
Verfassungsschutz zu hessischen Bezügen zum Terrortrio besteht, [4][bereits | |
einsehen können]. Darin heißt es, Hinweise auf solche NSU-Bezüge gebe es | |
nicht. Da aber 541 Aktenstücke fehlten, gebe es darüber „keine | |
abschließende Sicherheit“. | |
Die NSU-Aufarbeitung muss nun der Bund forcieren. In Faesers Aktionsplan | |
steht dazu nichts, aber im Koalitionsvertrag ist neben dem | |
Aufklärungsversprechen auch ein [5][Archiv zu Rechtsterrorismus und ein | |
Dokumentationszentrum für die NSU-Opfer] vereinbart. Faeser hatte zuletzt | |
Betroffenen von rechtem Terror versprochen: der Staat schulde ihnen „eine | |
transparente und lückenlose Aufarbeitung“. | |
28 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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