# taz.de -- Bundesgerichtshof zu Schließungen: Kein Schadenersatz für Shutdown | |
> Der Bundesgerichtshof lehnt einen Anspruch auf volle Entschädigung für | |
> Betriebsschließungen wegen Corona ab. Gewerbebetreibende sind enttäuscht. | |
Bild: Der BGH entschied am Donnerstag dass der Staat Gastronomen keinen Schaden… | |
KARLSRUHE taz | Der Staat muss für die wirtschaftlichen Folgen der | |
Corona-Shutdowns keinen Schadenersatz bezahlen. Das entschied an diesem | |
Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in einem lange erwarteten | |
Grundsatzurteil. Gastronomen, Friseure oder [1][Einzelhändler] müssen damit | |
weiter auf freiwillige [2][Hilfsleistungen des Staates] hoffen. | |
Im konkreten Verfahren hatte der Gastronom Thomas Worm geklagt, der mit | |
seiner Tochter Salina das Hotel [3][Schloss Diedersdorf] südlich von Berlin | |
betreibt. Während mehrerer Shutdown-Phasen musste die Gastronomie | |
schließen, das Hotel durfte zudem laut Corona-Verordnung des Landes | |
Brandenburg zeitweise nur noch Geschäftsreisende aufnehmen. Für Worm | |
entstand ein Schaden durch ungedeckte Kosten und entgangene Gewinne von | |
5.438 Euro – pro Tag. In einem Pilotprozess klagte er zunächst nur 27.000 | |
Euro ein. | |
Der Gastronom hatte jedoch keinen Erfolg. Nicht nur die Brandenburger | |
Gerichte lehnten seine Klage ab, auch der BGH wies nun die Revision zurück | |
– wahrscheinlich zur Enttäuschung Hunderttausender weiterer | |
Shutdown-Betroffener. | |
Dabei war schon immer klar, dass das Infektionsschutzgesetz (IfSG), auf das | |
die Shutdown-Anordnungen der Länder gestützt waren, keinen finanziellen | |
Ausgleich für das präventive Schließen ganzer Branchen vorsieht. Dort wird | |
nur in wenigen Fällen Schadenersatz versprochen, etwa wenn ein Infizierter | |
wegen Quarantäne Verdienstausfälle hat. | |
## „Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes nicht möglich“ | |
Deshalb waren unter Juristen zahlreiche Möglichkeiten diskutiert worden, | |
wie die Betroffenen dennoch an Schadenersatz kommen könnten. So hatte das | |
Bundesverfassungsgericht eine „verfassungskonforme Auslegung“ des IfSG ins | |
Spiel gebracht. Doch der BGH lehnte dies ab. „Eine Auslegung gegen den | |
Wortlaut des Gesetzes ist nicht möglich“, sagte der Vorsitzende BGH-Richter | |
Ulrich Herrmann, „außerdem dürfen wir als Gericht nicht den Willen des | |
Gesetzgebers konterkarieren.“ | |
Auch eine „analoge“ Anwendung der IfSG-Entschädigungsregelungen sei nicht | |
zulässig, so Richter Herrmann, „denn es gab hier keine planwidrige | |
Regelungslücke“. Der Gesetzgeber, der zuletzt das IfSG mehrfach anpasste, | |
habe bewusst darauf verzichtet, einen allgemeinen Entschädigungsanspruch | |
für Shutdown-Schäden zu schaffen. | |
Der BGH verwies darauf, dass er schon 1987 in einem Urteil zum Waldsterben | |
entschied, dass „massenhafte und großvolumige Entschädigungen“ nur vom | |
Parlament und nicht von den Gerichten eingeführt werden können. | |
Richter Herrmann verwies stattdessen auf das Sozialstaatsprinzip. Danach | |
trage der Staat Lasten mit, die aus einem alle treffenden Schicksal | |
herrühren und manche Gruppen besonders stark treffen. Allerdings bestehe | |
kein Anspruch auf vollen Schadenersatz. Es sei vielmehr dem Gesetzgeber | |
überlassen, welche Schäden er wie ausgleichen will. | |
Nach Angaben der Bundesregierung hat der Bund bis Ende 2021 die Wirtschaft | |
mit rund 130 Milliarden Euro gestützt. Es wurden Hilfen von rund 60 | |
Milliarden Euro ausgezahlt und Kredite von knapp 55 Milliarden Euro | |
gewährt. Hinzu kamen 24 Milliarden Euro Kurzarbeitergeld. Auch Familie Worm | |
erhielt 60.000 Euro Soforthilfe, die sie aber nach eigenen Angaben wieder | |
zurückzahlen musste. (Az.: III ZR 79/21) | |
17 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Der-Einzelhandel-ist-wieder-geoeffnet/!5677113 | |
[2] /Kulturschaffende-in-Coronakrise/!5699234 | |
[3] https://www.schlossdiedersdorf.de/ | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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