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# taz.de -- Film über den Krieg in der Ostukraine: Ein Panzer wird gebaut
> Der Dokumentarfilm „This Rain Will Never Stop“ erzählt vom Krieg in der
> Ostukraine. Regisseurin Alina Gorlova verzichtet dabei auf Gewaltszenen.
Bild: Szene aus dem Film „This Rain Will Never Stop“
Filmstarttermine haben zurzeit ihre ganz besondere Dynamik. So war der
Kinoauftritt des schon 2020 fertig- und auf dem Amsterdamer
Dokumentarfilmfestival IDFA erfolgreich vorgestellten Films „This Rain Will
Never Stop“ erst wegen Corona mehrfach verschoben worden. Nun kommt er
wegen der russischen Invasion in der Ukraine eher als geplant ins Kino.
Denn der Dokumentarfilm der jungen ukrainischen Regisseurin Alina Gorlova
spielt während der Vorgeschichte des aktuellen Kriegs im Jahr 2018 im
ukrainischen Separatistengebiet Luhansk und erzählt in zehn kreisförmig
nummerierten Episoden (von null bis null) von verschiedenen Aspekten der
Situation und einer durch Flucht versprengten Familie.
Dabei steht im Zentrum ein 2012 als Kind mit seinen Eltern (Mutter
Ukrainerin, Vater syrischer Kurde) vor dem Krieg in seiner syrischen Heimat
zu Verwandten nach Luhansk geflüchteter Kurde, der dort erneut in die
Mühlen der Gewalt gerät.
Andriy Suleyman heißt der junge Mann, der deutlich reifer aussieht als die
ihm zugeschriebenen zwanzig Jahre und sich im ostukrainischen Lyssytschansk
als Freiwilliger für das Rote Kreuz engagiert. Dafür wird er in einer
offiziellen Feier mit warmen Worten gewürdigt.
## Ineinander montierte Bilder Uniformierter
Doch Andriys Dankesrede unterbrechen Gorlova und die beiden EditorInnen des
Films bald mit ineinander montierten Bildern von Truppen marschierender
Uniformierter mit Maschinengewehren und Sonnenbrillen, während im Ton das
Knallen soldatischen Gleichschritts mit unisono skandierten „Ehre!“-Rufen
wechselt.
Gemeinsam mit KollegInnen bringt Andriy Hilfsgüter zu Menschen in
abgelegenen Gegenden, die dann zu Fuß, mit dem Handkarren oder dem
Schlitten weitertransportiert werden. Im Auto wird bei den langen Fahrten
über Assad oder den Turmbau zu Babel gesprochen. Zu Hause ging dem jungen
Mann allem Anschein nach eine Beziehung in die Brüche.
Dafür sind die Familienbande – vor allem auf männlicher Seite – sehr
präsent: Der Vater, der den Sohn am Telefon vergebens zu einem Studium in
Deutschland drängt. Der Bruder, der dort im idyllischen Reinbek seine
Hochzeit mit einer Cousine feiert. Und einen Onkel, den Andriy im Irak mit
einem unangekündigten Besuch zu Tränen rührt.
Ob er im Urlaub sei, wird er vorher beim kurdischen Neujahrsfest Newroz am
Lagerfeuer von Fremden gefragt. „Nein, auf einer Arbeitsreise.“ Ob es in
der Ukraine Rassismus gebe? Das hänge davon ab. „Ich würde lügen, wenn ich
sagen würde, dass alle tolerant sind.“ Von der besonderen, bedrohlichen
Lage im Separatistengebiet spricht er nicht.
## Ein Kriegsfilm ohne Folter, Kämpfe und Gewalt
Und auch Alina Gorlova spart sich (anders als etwa [1][Sergei Losnitzsas
Spielfilm „Donbass“ von 2018]) explizite Szenen von Folter, Kämpfen oder
ähnlicher Gewalt – ohne zu verharmlosen. Sie erzählt fragmentarisch,
manchmal mit fast experimenteller Geste wie bei der Montage der
marschierenden Soldaten oder wechselnder Landschaften, manchmal mit
dokumentarischer Zurückhaltung: die Beobachtung der Fertigstellung eines
Panzers in einer Fabrik.
Szenen mit großen Ansammlungen alter Menschen, die mit großen Taschen und
simplen Regencapes zu einem unbekannten Ziel drängen. Wo sie hinwollen,
bleibt ebenso offen wie die Anliegen hysterisch ausgelassener Demonstranten
irgendwo in Deutschland („trans-parent“ lässt sich auf einem Transparent
lesen).
Die sorgfältig komponierten schwarz-weißen Breitwandbilder von Kameramann
Vyacheslav Tsvetkov neutralisieren auch farbige Erkennungszeichen wie
Uniformen, Nationalflaggen oder Wappen und setzen zusammen mit dem spröden
Sounddesign von Goran Gora und Serge Synthkey auf verdichtete Komplexität
und lyrische Atmosphäre. Auf uns im Westen Europas wirkt die so
ausgestellte Universalität von Gorlovas Film im März 2022 sicherlich
verständlicher als noch vor einigen Monaten.
„In meinem Heimatland gibt es Krieg“, sagt in der letzten Episode des Films
schon 2018 eine junge Frau bei einem Sprachkurs in Deutschland. In welcher
Situation mag wohl Andriy Suleyman heute sein?
29 Mar 2022
## LINKS
[1] /Sergei-Loznitsa-ueber-seinen-Film-Donbass/!5529242
## AUTOREN
Silvia Hallensleben
## TAGS
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