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# taz.de -- Ampel beschließt Entlastungen: Es ist ein Kompromiss
> Die Ampel entlastet die Bürger:innen von hohen Energiekosten. ÖPNV für
> neun Euro pro Monat, 300 Euro für Beschäftigte und die Benzinsteuer
> sinkt.
Bild: Ein ÖPNV-Ticket für neun Euro soll Entlastung bringen
Berlin taz | Mit kleinen, schmalen Augen traten SPD-Chef Lars Klingbeil,
Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang und FDP-Bundesfinanzminister Christian
Lindner am Donnerstagvormittag vor den Bundestag. Ihren Vorsatz, auf
Nachtsitzungen zu verzichten, mussten sie über Bord werfen: Quasi die ganze
Nacht hatten sie durchverhandelt, um [1][das zweite Entlastungspaket]
angesichts der steigenden Energiepreise präsentieren zu können.
Das Ergebnis kann als klassischer Kompromiss bezeichnet werden. So zählten
Lindner, Lang und Klingbeil der Reihe nach auf, was ihren Parteien
besonders wichtig war. Im wesentlichen sind es drei Punkte, die auf
schnelle Entlastung zielen: Alle steuerpflichtigen Erwerbstätigen erhalten
einen staatlichen Zuschuss von 300 Euro, die Benzin- und Dieselsteuer sinkt
für drei Monate um 30 beziehungsweise 14 Cent und alle Bürger:innen
können 90 Tage lang den öffentlichen Nahverkehr für neun Euro pro Monat
benutzen.
## „Kurzfristig und befristet schützen“
Die Regierung wolle die Bürger:innen „kurzfristig und befristet
schützen“, erklärte Lindner. Lang bezeichnete die Maßnahmen als „soziale
Entlastung und energiepolitische Unabhängigkeitserklärung“.
Die „Energiepreispauschale“ von 300 Euro funktioniert so: Alle
„einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen“ bekommen den Zuschuss demnäch…
zusammen mit ihrem Monatslohn von den Arbeitgebern ausgezahlt. Die holen
sich die Ausgaben vom Staat zurück. Für Selbstständige wird das Finanzamt
die Steuervorauszahlung um 300 Euro reduzieren. Wichtig: Der Zuschuss ist
zu versteuern. Bei einem individuellen Grenzsteuersatz von beispielsweise
30 Prozent behält das Finanzamt nächstes Jahr knapp 100 Euro davon wieder
ein. Etwa 40 Millionen Erwerbstätige können sich auf die Unterstützung
freuen. Wer jedoch einen Minijob macht, geht laut Stefan Bach vom Deutschen
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) leer aus.
Die Idee des Zuschusses stammt von SPD und Grünen. Weil die Beschäftigten
pro Kopf denselben Betrag erhalten, profitieren Leute mit niedrigen
Einkommen relativ stärker als Personen mit hohen Verdiensten. Diese soziale
Staffelung wird durch die Versteuerung des Zuschusses unterstützt. Wer
wegen des hohen Gehalts viele Steuern zahlt, muss von den 300 Euro mehr
zurückzahlen als Niedrigverdiener.
Etwa 7,5 Milliarden Euro dürfte die Pauschale den Staat kosten, hat Bach
grob überschlagen. Insgesamt betrügen die Aufwendungen etwa 13,5 Milliarden
Euro – ungefähr so viel wie das erste Entlastungspaket. Finanzieren will
die Regierung diese Zusatzausgaben über neue [2][Schulden im sogenannten
Ergänzungshaushalt für 2022.]
## Linders Tankrabatt vom Tisch
Grünen-Chefin Lang stellte den Quasi-Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr
heraus. Das Neun-Euro-Ticket, das es drei Monate geben soll, ermöglicht der
Mehrheit der Bundesbürger:innen nahezu kostenlos in ihrer Stadt oder
Region unterwegs zu sein. Millionen Leute können damit die steigenden
Benzinkosten ausgleichen. Der Bund soll die finanziellen Ausfälle der
Verkehrsbetriebe mit seinen Regionalisierungsmitteln an die Länder
kompensieren, beschloss die Ampel.
Die Dritte im Bunde, die FDP, kann sich die Senkung der Energiesteuer für
Autotreibstoff zugutehalten. Mit der Idee eines Tankrabatts, mit der
Lindner kürzlich unabgesprochen vorstieß und was für Unmut bei Grünen und
SPD sorgte, konnte er sich aber nicht durchsetzen. Herausgekommen ist ein
gesichtswahrender Kompromiss. Darauf, dass die Tankstellen die Preissenkung
nun an die Verbraucher:innen weitergeben, will die Regierung achten.
Außerdem will die Ampel einen zusätzlichen Kinderbonus von 100 Euro
zusammen mit dem Kindergeld ausschütten. Bezieher:innen von
Sozialtransfers wie Hartz IV bekommen ebenfalls 100 Euro Extra-Überweisung.
Rentner:innen erwähnt die Koalition in ihrem Entlastungskatalog dagegen
nicht.
Zusammen mit dem ersten Entlastungspaket der Ampel vom Februar dürften die
addierten staatlichen Maßnahmen, Steuersenkungen und Zuschüsse in 2022 nun
für viele Haushalte 600 oder 700 Euro erreichen. Das sind nennenswerte
Erleichterungen, wenngleich sie in vielen Fällen nicht die kompletten
Zusatzkosten durch höhere Gas-, Benzin- und Stromrechnungen ausgleichen.
Gleichzeitig beinhaltet der Beschluss zahlreiche Vorhaben, um den Verbrauch
fossiler Energie zu vermindern, die Abhängigkeit von Russland zu verringern
und die erneuerbaren Energien auszubauen. So soll ab 2024 „jede neu
eingebaute Heizung zu 65 Prozent“ mit Ökoenergie laufen.
Immobilienbesitzer:innen sollen alte Heizungen nach 20
Betriebsjahren durch regenerative Modelle austauschen.
24 Mar 2022
## LINKS
[1] /Unterstuetzung-fuer-Privathaushalte/!5840335
[2] /Bundestag-debattiert-um-Haushalt/!5843789
## AUTOREN
Hannes Koch
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