| # taz.de -- Zum Frauentag am 8. März in Berlin: Frauen kommen zu kurz | |
| > Gute Nachrichten zum Frauentag bezüglich Geld für Frauenzentren und | |
| > -projekte und zum 8. Frauenhaus. Oder sind die gar nicht so gut? | |
| Bild: Leider weiterhin nötig: Schutzplätze in Frauenhäusern | |
| Berlin taz | Die gute Nachricht passend zum Frauentag: Nach dem neuen | |
| Haushaltsentwurf für 2022/23, den der Senat vorigen Dienstag verabschiedet | |
| hat (allerdings noch nicht das Abgeordnetenhaus), sind Berlins | |
| feministische Zentren und Frauenprojekte für die nahe Zukunft finanziell | |
| gesichert – zumindest auf dem Niveau von 2021. Zudem, so teilte die | |
| Pressestelle der Senatsverwaltung von Frauensenatorin Ulrike Gote (Grüne) | |
| auf taz-Anfrage mit, würden die Projektmittel im Bereich Frauen und | |
| Gleichstellung für 2022 um über 3 Millionen Euro und für 2023 um über 2 | |
| Millionen Euro erhöht. Gesichert seien auch die Frauenprojekte für | |
| Migrant*innen und Geflüchtete, die bislang über den Masterplan | |
| Integration und Sicherheit finanziert wurden. | |
| Seit vergangenem Sommer ging unter den Frauenprojekten die Angst um, denn | |
| im ersten Entwurf zum neuen Haushalt standen drastische Kürzungen. | |
| Frauenzentren und -vereine hätten ihre Angebote massiv stutzen müssen, für | |
| migrantische Projekte wie den Verein Lara oder space2grow, die bislang über | |
| den Masterplan finanziert wurden, war gar kein Geld mehr vorgesehen. Darauf | |
| organisierte das Berliner Frauen Netzwerk (BFN) [1][die Kampagne | |
| „Femprojektesichern“], die seither viel Lobbyarbeit für eine sichere | |
| Finanzausstattung gemacht hat. | |
| So richtig zufrieden ist frau mit dem neuen Haushaltsplan allerdings nicht. | |
| „Die gute Nachricht ist, dass die migrantischen Projekte weitermachen | |
| können“, sagt Bernhild Mennenga, eine der Sprecherinnen der Frauenzentren | |
| im BFN. „Aber ich mache keine Luftsprünge. Das Einfrieren der Mittel auf | |
| dem Niveau von 2021 bedeutet faktisch eine Kürzung.“ Die Frauenprojekte | |
| könnten notwendige Honoraranpassungen nur vornehmen, wenn sie ihre Angebote | |
| etwa an Beratung kürzten, so Mennenga. „Außerdem haben wir alle mit großen | |
| Mietsteigerungen und höheren Energiekosten zu kämpfen.“ | |
| Sie ärgert auch, dass die Verwaltung es weiter ablehnt, langjährige | |
| Projekte in die Regelfinanzierung zu übernehmen – dies war eine weitere | |
| Forderung von #Femprojektesichern, um der jährlichen Unsicherheit, ob und | |
| wie es weitergeht, endlich zu entkommen. Die Ablehnung begründet die | |
| Sprecherin von Frauensenatorin Gote gegenüber der taz damit, dies sei nach | |
| den „Vorgaben der Landeshaushaltsordnung“ nicht möglich. | |
| ## Pflichtaufgaben des Staates | |
| Mennenga sieht das anders: Da nach der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung | |
| von Gewalt gegen Frauen viele Frauenprojekte eigentlich staatliche | |
| Pflichtaufgaben seien, könne man sie auch dauerhaft fördern. Die jetzige | |
| Situation mit jeweils zweijährigen Bewilligungsbescheiden sei jedenfalls | |
| alles andere als sicher: „Den Bescheid für 2021 haben wir erst im Dezember | |
| bekommen, der für 2022 ist immer noch vorläufig.“ Auf dieser Basis zu | |
| arbeiten sei eine große Belastung, gerade für ehrenamtliche Vorstände. | |
| Auch in puncto Gehälter ist die Botschaft für die Frauenprojekte | |
| zweischneidig. Zwar sollen im neuen Etat Mittel für Tariferhöhungen | |
| enthalten sein, heißt es aus der Pressestelle. Aber „ob und wann eine | |
| Auszahlung der Corona-Sonderzahlung an die Beschäftigten der geförderten | |
| Projekte erfolgen kann, ist noch nicht abschließend entschieden.“ | |
| Mennenga kritisiert, dass die Angestellten des öffentlichen Dienstes ihre | |
| Sonderzahlung längst erhalten hätten – steuerfrei. Die | |
| Mitarbeiter*innen der Projekte hingegen müssten den Bonus, wenn er | |
| denn kommt, voraussichtlich versteuern. „Dabei hatten wir in der Pandemie | |
| immer geöffnet, während die Verwaltung fast alles dichtgemacht hat.“ | |
| Aber vielleicht ist dies ja eine echte gute Nachricht? Das 8. Berliner | |
| Frauenhaus mit 55 Schutzplätzen in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt | |
| (AWO), [2][das schon im vorigen Jahr fertig sein sollte], soll nun in der | |
| zweiten Jahreshälfte eröffnen. Diesen Zeitpunkt nannte Julika Krimphove, | |
| zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im Kreisverband AWO Berlin-Mitte, der | |
| taz auf Anfrage. Grund für die Verzögerungen waren laut Senatsverwaltung | |
| zunächst verspätete Förderzusagen des Bundes und dann laut AWO Asbestfunde | |
| im Gebäude. | |
| ## Zu wenig Schutzplätze für bedrohte Frauen | |
| Allerdings wird auch dieses Frauenhaus nicht die enorme Lücke zwischen | |
| Angebot und Bedarf schließen können. Aktuell gibt es 422 Plätze in sieben | |
| Frauenhäusern plus 298 in Zufluchtswohnungen; letztere sind aber zumeist | |
| nicht sofort zugänglich, sondern für die längerfristige Unterbringung. | |
| Immer wieder komme es vor, dass Frauen in Not nicht adäquat untergebracht | |
| werden könnten, sagt Kristin Fischer von der Berliner Initiative gegen | |
| Gewalt an Frauen (BIG), die die Hotline für von häuslicher Gewalt | |
| betroffene Frauen und Kinder betreibt, Hilfsangebote koordiniert und | |
| Präventionsprojekte anbietet. | |
| Auch Krimphove sagt, dass sie im 7. Frauenhaus, das ebenfalls die AWO | |
| betreibt, „fast jeden Tag eine Anfrage haben, die wir nicht bedienen | |
| können“, weil alle Plätze belegt sind. | |
| Und was passiert, wenn eine Frau anruft – bei der Polizei, der Hotline oder | |
| in einem Frauenhaus –, aber nirgends ein Platz frei ist? Fischer: Man | |
| versuche dann im Gespräch mit der Betroffenen, andere Lösungen zu finden. | |
| Etwa dass die Polizei den Mann von der Wohnung „wegweist“ und ein | |
| Näherungsverbot ausspricht. „Aber oft wollen Frauen nicht dort bleiben, wo | |
| sie Gewalt erfahren haben.“ Manchmal fahre die Polizei eine Frau zu einer | |
| Einrichtung in Brandenburg, wo ein Platz frei ist. | |
| Manchmal können Frauen bei Freund*innen oder Bekannten unterschlüpfen. | |
| Manche landen in einer Obdachloseneinrichtung. „Aber das sind natürlich | |
| keine adäquaten Plätze“, sagt Fischer – Beratung und Hilfsangebote gibt es | |
| dort nicht. | |
| ## 9. Frauenhaus in Planung | |
| Auch zur Erfüllung der Istanbul-Konvention reichen die Frauenhaus-Plätze | |
| nicht. Die Konvention empfiehlt einen „Familienplatz“ auf 10.000 | |
| Einwohner*innen – dies entspreche zweieinhalb Plätzen/Betten, erklärt | |
| Fischer. Berlin komme mit seinen 422 Frauenhaus-Plätzen gerade mal auf | |
| knapp die Hälfte, sagt sie. „Und auch mit dem schon beschlossenen 9. | |
| Frauenhaus werden wir die Empfehlungen der Istanbul-Konvention nicht | |
| erfüllen.“ | |
| Dessen Bau soll in diesem Jahre beginnen. Das Land habe die Immobilie von | |
| der BIM gekauft, heißt es aus der Pressestelle, nun müsse sie [3][„auf die | |
| Bedürfnisse eines Frauenhauses umgebaut werden“]. Nadja Lehmann, | |
| Geschäftsführerin des Trägers Interkulturelle Initiative, hat da bestimmte | |
| Vorstellungen: „Wir wollen, wie bei unserem anderen Frauenhaus, maximale | |
| Barrierefreiheit erreichen“, sagt sie. | |
| ## Komplett barrierefrei | |
| Dieses seit 2001 bestehende, nach der offiziellen Senatszählung 6. Berliner | |
| Frauenhaus wurde im vorigen Sommer um einen zweiten Standort erweitert und | |
| ist seither das erste komplett barrierefreie Frauenhaus von Berlin mit 57 | |
| Plätzen, erklärt Lehmann. Es gebe zum Beispiel einen Aufzug, ein Leitsystem | |
| für Sehbehinderte, barrierefreie Sanitärbereiche und sechs Zimmer für | |
| Frauen und Kinder, die komplett behindertengerecht ausgestattet und sogar | |
| für große Rollstühle befahrbar sind. Zudem habe es getrennte Bäder, sodass | |
| das Haus auch Frauen mit älteren Söhnen zwischen 13 und 18 Jahren aufnehmen | |
| könne – was nur in einem weiteren Berliner Frauenhaus möglich ist. | |
| Mit dem neuen Schwerpunkt auf diese beiden Nutzergruppen – behinderte | |
| Frauen/Kinder sowie Mütter mit älteren Jungs – mache man gerade die ersten | |
| Erfahrungen, so Lehmann. Und sei damit gut ausgelastet. „Seit einer Woche | |
| ist kein Bett mehr frei“, bis dahin habe man immer noch ein Zimmer für | |
| behinderte Frauen und Kinder zur Verfügung gehabt. Lehmann ist sicher: „Der | |
| Bedarf an diesem speziellen Angebot wird steigen, wenn erst bekannt wird, | |
| dass es das gibt.“ Behinderte Frauen seien überdurchschnittlich oft von | |
| häuslicher Gewalt betroffen. | |
| Bislang hätten sich viele aber gar nicht erst getraut, ihre Partner oder | |
| eine Einrichtung zu verlassen. Weil sie nicht wussten, wohin. | |
| 7 Mar 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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