# taz.de -- Feministische Projekte in Berlin: Senat spart bei Frauen | |
> Berlins Senat wollte ausgerechnet bei feministischen Projekten Geld | |
> sparen. Nach Protesten präsentiert er eine Notlösung. Doch der Schaden | |
> ist schon da. | |
Bild: Westberliner Plakat aus den 1980er Jahren, verwahrt im feministischen Arc… | |
BERLIN taz | Wenn es schlecht läuft, könnte der scheidende Senat einen | |
regelrechten Kahlschlag bei autonomen feministischen Projekten in Berlin | |
hinterlassen. Diese Befürchtung treibt derzeit Träger um, die sich mit | |
Gewaltschutz, Frauenförderung, Empowerment oder Beratung etwa für sexuelle | |
Selbstbestimmung, Arbeit, Selbstständigkeit, Antirassismus oder | |
Fluchterfahrungen befassen. Hintergrund ist, dass die Förderung für | |
feministische Projekte und solche, die bisher über den Masterplan | |
Integration und Sicherheit finanziert wurden, im Haushaltsentwurf 2022/23 | |
nicht mehr vorgesehen ist. Damit droht, dass viele Projekte ihre Arbeit | |
ganz einstellen oder ihre Angebote stark einstampfen müssen. | |
Die Wut bei den betroffenen Projekten und ihren Trägern ist entsprechend | |
groß. Im Bündnis Berliner Frauen Netzwerk organisieren sie ihren Protest. | |
„Diese Woche geht die Koalitionsbildung los – wir fordern: Feministische | |
Projekte rein in die Koalitionsverhandlungen!“, schreibt das Bündnis auf | |
seinen Social-Media-Kanälen [1][unter dem Titel „femprojekte sichern“]. | |
Dort findet sich eine täglich wachsende Liste bedrohter Projekte. | |
Betroffen wäre etwa das [2][Frauenkrisentelefon], eine niedrigschwellige | |
persönliche Krisenberatung für geflüchtete Frauen und Migrantinnen auf | |
Deutsch und Farsi. Oder der [3][Verein Lara], der geflüchtete Frauen berät, | |
die von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind. Auch | |
[4][Space2groW], ein Projekt, das geflüchtete und zugewanderte Frauen in | |
den Bereichen Antirassismus, reproduktive Gesundheit, sexuelle | |
Selbstbestimmung und häusliche Gewalt unterstützt, müsste die Arbeit | |
demnach einstellen. Sie alle haben meist in Berlin einzigartige Angebote, | |
die nicht einfach von anderen übernommen werden können. Das | |
[5][feministische Archiv FFBIZ] schreibt, durch die Kürzungen müssten eine | |
Teilzeitstelle gekündigt und zwei andere gekürzt werden. Das bedeute | |
massive Einschränkungen ihrer Arbeit. | |
Das Schreiben mit der Kürzungsankündigung erwischte die Projekte in der | |
Sommerpause. Ab 2022 seien im Haushaltsplan im Bereich der | |
Projektförderungen der Abteilung Frauen und Gleichstellung „erhebliche | |
Einsparungen vorgesehen“, heißt es dort. Und: „Die bisher über den | |
Masterplan Integration und Sicherheit geförderten Maßnahmen für | |
‚Geflüchtete‘ werden in Zukunft nicht mehr berücksichtigt.“ | |
## Verwaltung reagiert nach Protest | |
Nach ersten Protesten hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und | |
Gleichstellung von Senatorin Dilek Kalayci (SPD) zwar versucht, den Schaden | |
zu begrenzen und die betroffenen Projekte aufgefordert, im Rahmen der | |
sogenannten „vorläufigen Haushaltswirtschaft“ bis Ende Oktober Anträge zu | |
stellen. Die Höhe solle sich dabei nach der aktuellen Förderung richten. | |
Ein Bewilligungsbescheid werde erstellt unter Vorbehalt, dass [6][der | |
Haushalt 2022/2023 in Kraft tritt]. | |
Zu den Kürzungen gekommen war es laut Kalaycis Senatsverwaltung wegen | |
Vorgaben der Senatsveraltung für Finanzen. „Alle Aufstockungen des | |
Parlaments aus den Schlusslesungen zum Haushalt 2020/2021 wurden rückgängig | |
gemacht“, schreibt ein Sprecher auf Nachfrage der taz.Man stehe „in einem | |
kontinuierlichen Austausch mit den Berliner Frauenprojekten“ und setze sich | |
für „Erhalt und bedarfsgerechte Finanzierung der Fraueninfrastruktur in | |
Berlin ein“. | |
Allerdings reagierte Kalaycis Verwaltung erst nach Protest. Und ganz | |
zurücknehmen konnte sie die Kürzungen nicht: Es gab vor der Wahl | |
schlichtweg kein Verfahren und keine Sitzung mehr, mit dem oder in der ein | |
veränderter Haushaltsentwurf hätte beschlossen werden können. | |
Für die Projekte bedeutet die Notlösung mit der vorläufigen | |
Haushaltswirtschaft zwar ein kurzes Aufatmen. Aber der Schaden sei schon | |
entstanden, sagt Friederike Strack von Lara. Projekte, die bis Ende | |
Dezember laufen, hätten bereits Kündigungen aussprechen müssen, damit | |
Beschäftigte sich rechtzeitig arbeitslos melden konnten. | |
Lara rechnet – auch wegen [7][Geflüchteten aus Afghanistan] – mit einem | |
weiterhin hohen Bedarf an Beratung. Mit [8][Corona habe die Gewalt gegen | |
Frauen] zugenommen, heißt es in einem Brief von Lara e. V. vom September. | |
Die Pandemie habe die feministischen Projekte zusätzlich hart gefordert und | |
die gesellschaftliche Gleichstellung zurückgeworfen. Trotzdem wüssten nun | |
viele nicht, wie es weitergehen soll, schrieb das Berliner Frauen Netzwerk. | |
## „Brauchen feste Finanzierung“ | |
„Wir brauchen eine feste Finanzierung“, fordert Strack daher. „Es geht | |
darum, Strukturen auszubauen, um Frauen vor Gewalt zu schützen. Nicht nur | |
um den Status quo“, sagt sie. Das sei auch wichtig, um die | |
Istanbul-Konvention in Berlin umzusetzen. „Dazu müssen wir auch Geld in die | |
Hand nehmen“, so Strack. | |
„Es ist politisch nicht richtig, bei den Frauen einzusparen“, sagt auch | |
Bahar Haghanipour, neu gewählte Grünen-Abgeordnete mit | |
gleichstellungspolitischem Profil. Vor allem Frauen hätten unter Corona | |
gelitten und seien zurückgeworfen worden. „Es geht um Strukturen für | |
Frauen, um Ansprechpartner*innen und Orte, an denen sie ankommen | |
können“, sagt Haghanipour. „Man kann es nicht ohne Weiteres umkehren, wenn | |
diese Projekte sterben.“ Außerdem sollte nicht ausgerechnet bei diesem Etat | |
– mit rund einer halben Million eher klein – gespart werden. | |
Wie es für die Projekte ab 2022 weitergeht, ist trotz allem unsicher. „Ein | |
Ergebnis haben wir erst im kommenden Frühjahr oder Sommer, wenn der neue | |
Haushalt beschlossen ist“, sagt Haghanipour. „Und es ist immer schwierig, | |
Finanzierungen in einen Haushaltsentwurf hineinzuverhandeln.“ | |
Beim Berliner Frauennetzwerk will man nun den Druck hoch halten – | |
mindestens bis zu den Haushaltsverhandlungen. | |
21 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/femprojekte | |
[2] http://www.frauenkrisentelefon.de/startseite/ | |
[3] https://lara-berlin.de/verein | |
[4] https://www.space2grow.de/ | |
[5] https://www.ffbiz.de/ | |
[6] /Senat-beschliesst-Ausgaben-fuer-2022/23/!5777613 | |
[7] /Afghanische-Fluechtlinge-in-Berlin/!5792268 | |
[8] /Gewalt-gegen-Frauen-und-Kinder/!5728093 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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