# taz.de -- Die Sondergipfel von Nato, EU und G7: Alternativlose Eskalation | |
> Weder Putin noch der Westen haben genug Druckmittel in den Händen. Erst | |
> wenn das Kräfteverhältnis kippt, werden Verhandlungen denkbar. | |
Bild: Statuen in einer Kirche in Lemberg | |
Einen Krieg durch Verhandlungen zu beenden hat immer zwei Voraussetzungen. | |
Erstens müssen beide Seiten zur Überzeugung gelangt sein, militärisch nicht | |
gewinnen zu können. Und zweitens müssen für die Machthaber beider Seiten | |
die politischen Kosten einer Fortführung des Krieges höher sein als die der | |
Aufgabe politischer Maximalforderungen. | |
Als dritte Regel kommt hinzu, dass beide Seiten niemals öffentlich | |
zugeben, an diesem Punkt angelangt zu sein. Deshalb behauptet Präsident | |
Wladimir Putin, die Sanktionen des Westens seien ärgerlich, aber letztlich | |
nicht so schlimm, und die „Spezialoperation“ laufe nach Plan – und der | |
Westen tut so, als sei er bereit und in der Lage, die auch für die eigenen | |
Wirtschaften schädlichen Sanktionen unendlich lange durchzuhalten und die | |
ukrainischen Verteidigungslinien mit immer mehr Waffenlieferungen zu | |
halten. | |
In Moskau scheint man zwar inzwischen begriffen zu haben, dass die | |
ursprünglichen Vorstellungen darüber, wie leicht die ukrainische Armee | |
auszuschalten, Selenski zu stürzen und eine Marionettenregierung | |
einzusetzen sei, mit der Realität wenig zu tun hatten. Aber die Reaktion | |
auf diese Erkenntnis ist nicht Verhandlungsbereitschaft – die würde | |
Schwäche signalisieren –, sondern die immer stärkere Bombardierung der | |
Städte, die mit der nahezu vollständigen Zerstörung Mariupols ihren ersten | |
schrecklichen Höhepunkt erreicht hat. Wir wissen nicht, ob wir euch | |
besiegen, aber euer Land kaputtmachen können wir ganz sicher, wir haben | |
dabei keine Eile und können jederzeit weiter eskalieren. Das ist Moskaus | |
Position der Stärke. | |
Dem haben die Regierungen des Westens, die sich am Donnerstag in Brüssel zu | |
[1][Sondergipfeln] von [2][Nato], G7 und Europäischer Union versammeln, | |
nicht so viel entgegenzusetzen. Bemüht, den Krieg nicht über die Grenzen | |
der Ukraine hinausgehen zu lassen, setzen sie sich selbst enge Grenzen der | |
militärischen Einmischung, auch wenn die natürlich de facto durch die | |
Lieferung von Waffen und militärischen Aufklärungsinformationen längst | |
stattfindet. Und die Sanktionen zielen klar auf einen in Russland selbst | |
herbeigeführten Regimewechsel – der aber derzeit wenig wahrscheinlich | |
erscheint. Sie sind dennoch das schärfste Schwert, [3][das der Westen | |
anzuwenden bereit ist]. | |
So werden die Staatschefs in Brüssel vermutlich die Sanktionen weiter | |
verschärfen, den Druck auf Deutschland erhöhen, Energieimporte aus Russland | |
nun endlich zu beenden, und weitere Waffenlieferungen an die Ukraine | |
ankündigen. Die Eskalation geht also weiter – und dazu gibt es | |
furchtbarerweise kaum eine Alternative. Um den Frieden irgendwann | |
verhandeln zu können, muss die Zermürbung offensichtlicher werden. Was dann | |
von der Ukraine noch übrig ist, ist allerdings fraglich. | |
22 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesschau.de/thema/sondergipfel/ | |
[2] /Absturz-eines-Flugobjekts-in-Zagreb/!5842158 | |
[3] /Krieg-in-der-Ukraine/!5837775 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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