# taz.de -- Studie zu Energie aus Russland: Bis 2027 abhängig von Putins Gas | |
> Erst in fünf Jahren lässt sich die strukturelle Abhängigkeit von Gas aus | |
> Russland in Deutschland beenden, schreibt der Thinktank Agora | |
> Energiewende. | |
Bild: Muss bis 2027 weiter fließen? Erdgas aus Russland, hier Nord Stream 1 | |
BERLIN taz | Einen großen Teil der Gasimporte aus Russland könnte | |
Deutschland kurzfristig einsparen – aber nicht alles. Zu diesem Ergebnis | |
kommt die Organisation [1][Agora Energiewende] in ihrer neuen Studie | |
„Energiesicherheit und Klimaschutz vereinen“. Das Ergebnis stützt die | |
Strategie der Bundesregierung, die Gaslieferungen trotz des russischen | |
Kriegs in der Ukraine aufrechtzuerhalten. Währenddessen bemühte sich | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Norwegen um zusätzliche | |
Energieimporte. | |
Er erhielt dort die Zusage, dass das nordeuropäische Land seine Lieferungen | |
an verflüssigtem Erdgas (LNG) unter anderem nach Deutschland kurzfristig | |
ausbauen wolle. Perspektivisch könnten Wasserstoffexporte hinzukommen, | |
um das Erdgas in Wohngebäuden, Fabriken und Kraftwerken zu ersetzen. | |
Der Minister lehnt es ab, die Gasimporte aus Russland jetzt als Sanktion | |
aktiv zu blockieren. Das führe zu schwer beherrschbaren Problemen in | |
Deutschland, warnt Habeck. Anders könnte es bei Öl- und Kohleimporten aus | |
Russland aussehen. Hier hält es das Wirtschaftsministerium für möglich, die | |
Lieferungen im Laufe dieses Jahres zu ersetzen. | |
In ihrer Studie untersuchte der Thinktank Agora Energiewende die | |
kurzfristigen [2][Auswirkungen eines Ausfalls der russischen | |
Gaslieferungen] und die möglichen Gegenmaßnahmen hierzulande innerhalb der | |
ersten beiden Winter (2022 bis 2024). | |
## Bleibt ein „Ersatzbedarf“ von 300 Terrawattstunden | |
Während Deutschland im vergangenen Jahr rund 400 Terawattstunden (TWh) | |
Energie auf Basis russischen Gases verbrauchte, könnten etwa 100 TWh | |
schnell durch Gaslieferungen aus anderen Quellen ersetzt werden. Bliebe ein | |
„Ersatzbedarf“ von knapp 300 TWh, den man durch hiesige Sparmaßnahmen | |
kompensieren müsste. | |
Den Berechnungen von Agora zufolge könnten es hiesige Privathaushalte und | |
Unternehmen schaffen, relativ schnell 160 bis 260 TWh einzusparen. Es | |
bliebe also eine gewisse Lücke, die nicht gedeckt werden könnte. Die Folge | |
wäre beispielsweise, dass Fabriken den Betrieb einstellten, Milliarden Euro | |
Kompensation vom Staat erhielten und die Arbeitslosigkeit wüchse – Effekte, | |
die Habeck vermeiden will. Die Dimension der Lücke hängt zudem von den | |
Außentemperaturen ab. Wird der nächste Winter kalt, wächst der Bedarf, der | |
ohne Russland nicht zu decken ist. | |
Die Gegenmaßnahmen und Folgen bezeichnete Studienleiter Simon Müller als | |
„hart“. Er betonte, es handele sich um eine energiepolitische Analyse, kein | |
politisches Plädoyer für eine konkrete Strategie, etwa die schnelle, aktive | |
Reduzierung der russischen Gaslieferungen durch die Bundesregierung. | |
## Raumtemperatur senken | |
Um den Gasverbrauch schnell zu verringern, ist es beispielsweise möglich, | |
die Raumtemperatur in den Wohnungen um ein, zwei Grad zu senken. | |
Privathaushalte könnten auch flächendeckend Spararmaturen installieren, um | |
den Verbrauch von Warmwasser zu minimieren. | |
Bürgerinnen und Bürger mit niedrigen Einkommen müssten vom Staat angesichts | |
der dann stark steigenden Preise finanziell unterstützt werden. Maßnahmen | |
in der Industrie wären unter anderem der vorübergehende Ersatz von Gas | |
durch Kohle und Öl sowie der Import von Produkten, die normalerweise | |
hiesige Unternehmen fertigen. | |
Analysiert hat Agora in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma Prognos und | |
dem Wuppertal Institut für Klima und Energie auch die mittelfristige | |
Perspektive. Demnach könnte Deutschland bis 2027 etwa die Hälfte der | |
russischen Lieferungen ersetzen – einen Verbrauch von rund 200 TWh. | |
Nötig ist dafür zum Beispiel die Umstellung auf Wasserstoff in der | |
Industrie, die Wärmedämmung der Gebäude und der Ersatz der fossilen | |
Heizungen durch Wärmepumpen und Solarkollektoren. Diese Politik würde die | |
„strukturelle Abhängigkeit“ vom russischen Erdgas „beenden“. Die bishe… | |
Strategie – Erdgas als Brückentechnologie – bezeichnen die Autorinnen und | |
Autoren als „hinfällig“. Weil nun Klimaschutz und Sicherheitsinteressen | |
parallel wirkten, komme der Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft | |
deutlich früher als bisher geplant. | |
Die Bedeutung der Wärmepumpentechnologie betonten am Donnerstag auch | |
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Umfeld der Klimabewegung | |
Fridays for Future. Langfristig müssten „Wärmepumpen bis zu 70 Prozent des | |
Wärmebedarfs decken. Diese entziehen beispielsweise der Luft oder der Erde | |
mithilfe von Strom Wärme und heizen damit Häuser und industrielle | |
Prozesse“. | |
Wirtschaftsminister Habeck reist derweil an diesem Wochenende nach Katar am | |
Persischen Golf. Auch dort geht es um Flüssiggas als Ersatz für russische | |
Lieferungen. | |
17 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.agora-energiewende.de/presse/pressemitteilungen/mit-effizienz-u… | |
[2] /Oekonom-zu-Stopp-der-Gaslieferungen/!5835533 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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