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# taz.de -- Debatte um Energieboykotte: Putin schaden sie nicht
> Energieboykotte scheinen eine einfache Lösung, den Ukraine-Krieg zu
> stoppen. Doch den bezahlt Putin in Rubel, nicht mit Devisen.
Bild: Frische 1000-Rubel-Banknoten in der Moskauer Druckerei „Goznak“
Wer die schrecklichen Bilder aus der Ukraine sieht, leidet an der eigenen
Hilflosigkeit. Es wirkt unfassbar, dass der Westen nicht in der Lage sein
soll, [1][dieses Grauen] sofort zu stoppen. Zumal sich eine einfache Lösung
aufzudrängen scheint: Man könnte doch die russischen Energielieferungen
boykottieren. Wenn Putin kein Öl oder Gas mehr in den Westen verkaufen
könnte, würden ihm die Dollar oder Euro fehlen, um seinen Krieg zu
finanzieren. Der Massenmord in der Ukraine wäre beendet.
Doch leider würde ein Boykott nicht funktionieren. Es ist ein Irrtum zu
glauben, dass Putin seinen Krieg mit westlichen Devisen bezahlt. Er nutzt
Rubel, um das Nachbarland zu überfallen. [2][Russland ist zwar arm und
rückständig], benötigt aber keine Waren aus dem Westen, um Angriffskriege
zu starten. Beim Militär ist Russland autark. Es verfügt über
leistungsfähige Waffenschmieden, Nahrungsmittel und Öl.
Dollar und Euro haben bisher vor allem den Luxuskonsum finanziert. Also
Prada-Handtaschen, Mercedes-Karossen oder schicke Fernreisen. Aber diese
Annehmlichkeiten gibt es derzeit sowieso nicht, weil sich die westlichen
Unternehmen aus Russland zurückgezogen haben. Bizarres Ergebnis: Dank
seiner Energieexporte nimmt Russland täglich etwa 1 Milliarde Dollar ein,
mit denen es aber nicht viel anfangen kann.
Theoretisch wäre es möglich, dass Putin die Devisen nutzt, um in China
Waffen zu kaufen. Aber real scheidet diese Option aus, weil [3][Peking den
Westen nicht verärgern will]. Denn dort sitzen die chinesischen Kunden,
nicht im armen Russland.
## Der Westen kann Energie gefahrlos importieren
Der Westen kann also gefahrlos russische Energie importieren – wofür wir
dankbar sein sollten. Viele Deutsche glauben, [4][dass es reichen würde,
die Heizung ein wenig zu drosseln], um vom russischen Gas unabhängig zu
werden. Das ist eine gefährliche Illusion. Deutschland bezieht fast die
Hälfte seiner Energie aus Russland. Würde diese Zufuhr abbrechen, wäre mit
einer extremen Rezession und hoher Arbeitslosigkeit zu rechnen. Zudem würde
es nicht nur die Bundesrepublik treffen. Weltweit wäre Öl teurer, sodass
arme Länder wie Kenia oder Ägypten besonders leiden würden.
Bleibt nur die Frage: Warum liefert Putin überhaupt noch Öl und Gas, obwohl
ihm die Devisen derzeit nichts nützen? Für ihn müsste es doch attraktiv
sein, den Westen ins Chaos zu stürzen, indem er den Energiehahn abdreht.
Niemand weiß, was in Putins Kopf vorgeht, aber wahrscheinlich will er für
die Zukunft vorsorgen. Irgendwann wird dieser katastrophale Krieg enden,
und Putin hat nur eine Chance, Präsident zu bleiben, wenn er seinem Volk
dann wieder Annehmlichkeiten bieten kann – also Waren aus dem Westen. Die
nötigen Devisen sammelt er jetzt.
19 Mar 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] /Finanzielle-Folgen-des-Ukraine-Kriegs/!5835637
[3] /China-im-russisch-ukrainischen-Krieg/!5838227
[4] /Energiesparen-wegen-Ukrainekrieg/!5837077
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Wladimir Putin
Energie
Boykott
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Ukraine
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fossile Energien
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Wladimir Putin
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