# taz.de -- Frauentag in der Ukraine: Ukrainische Heldinnen | |
> Tausende Ukrainerinnen wollen ihr Land nicht verlassen. Mehr noch: Sie | |
> verteidigen ihr Land auf ihre Weise. Zwei von ihnen im Porträt. | |
Bild: Solidarität, die keine Grenzen kennt: Blumenverkäuferin in Odessa am 8.… | |
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Kiew taz | Im Krieg kennen sie keine Müdigkeit. Die einen verteidigen das | |
Land mit Waffen. Andere hängen rund um die Uhr am Telefon und organisieren | |
humanitäre Hilfe, Medikamente für Verletzte und Alleinstehende. Wieder | |
andere retten Leben in Krankenhäusern, kochen Essen für Tausende von | |
Menschen. Es gibt Frauen, die Tag und Nacht am Steuer sitzen und | |
Medikamente an die Front bringen, andere bekämpfen die Feinde an der | |
Nachrichten- oder Cyberfront. Und einige verteidigen die Kinder und | |
erziehen die nächste Generation. Sie alle sind ukrainische Frauen, deren | |
Solidarität keine Grenzen kennt. Und auch sie sind Heldinnen, auch wenn | |
ihre Front weniger sichtbar ist. | |
## Die Essensbeschafferin | |
Die Philologin Olesja Naumowska ist Leiterin des Lehrstuhls für | |
Folkloristik an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kiew. In | |
ihrer Freizeit ist sie schon seit acht Jahren als Freiwillige tätig. Viele | |
Soldaten kennen sie noch aus der Zeit, als die Kampfhandlungen im Donbass | |
begannen. Sie versorgte damals ukrainische Soldaten mit Thermounterwäsche, | |
Nachtsichtgeräten oder mit selbsteingewecktem Essen. Als der Krieg in ihre | |
Heimatstadt Kiew kam, wollte sie nicht abseits stehen. Jetzt versorgt | |
Naumowska Freiwillige, die sich für die Territorialverteidigung Kiews | |
gemeldet haben, mit Essen. | |
„Aus Sicherheitsgründen kann ich nicht sagen, wie vielen Menschen und wo | |
ich helfe. Aber täglich verteile ich in der Stadt etwa 400 fertige | |
Mahlzeiten. Die Einheiten, die ich unterstütze, befinden sich bei | |
strategisch wichtigen Objekten der ukrainischen Hauptstadt“, erzählt die | |
Wissenschaftlerin. Ihr Mann und ihre Tochter helfen ihr. „Solange es keine | |
Veranstaltungen an der Uni gibt, bin ich von morgens bis abends mit der | |
Essensversorgung beschäftigt.“ | |
Naumowska hat ein Restaurant gefunden, das aus Kriegsgründen den Betrieb | |
einstellen musste. Der Inhaber hat selber die Zubereitung der Mahlzeiten | |
fürs Militär initiiert. Jeder tut, was er kann, sagt Naumowska. Einige | |
ihrer Uni-Kollegen und auch Studierende seien in der Verteidigung aktiv. | |
„Unsere Solidarität und gegenseitige Unterstützung können jede Armee | |
aufhalten.“ | |
## Die Medikamentenbesorgerin | |
Ludmila Jankina, die im Menschenrechtszentrum ZMINA in Kiew arbeitet, | |
wollte ebenfalls nicht untätig bleiben, als die russische Invasion in der | |
Ukraine begann. Selber erst kürzlich an Krebs erkrankt und auf Medikamente | |
angewiesen, merkte sie schnell, dass diese in den Apotheken nicht mehr zu | |
bekommen waren. In dieser kritischen Situation wurde ihr schnell klar, dass | |
es hier nicht nur um ein persönliches Problem ging, sondern dass viele | |
Tausend Kiewer betroffen sein mussten. So beschloss sie, selber denjenigen | |
zu helfen, die dringend Medikamente benötigten. | |
„Ich nehme Bestellungen von den Leuten auf, dann telefoniere ich alle | |
Apotheken in der Stadt durch, um zu finden, was sie brauchen. Und dann | |
liefere ich auch selber aus“, sagt die Frau, die eigentlich aus dem | |
ostukrainischen Luhansk stammt, von wo sie wegen des Krieges fliehen | |
musste. | |
Ludmila erzählt, wie sie am ersten Tag merkte, dass es sich bei den meisten | |
dieser Menschen, denen sie Medikamente brachte, um alleinstehende Rentner | |
handelte. „Am nächsten Tag haben wir ihnen große Lebensmittelpakete | |
mitgebracht. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Menschen verhungern. In | |
der Stadt gibt es jetzt bereits Defizite in der Versorgung, und diese Leute | |
haben einfach körperlich nicht mehr die Kraft, um auf der Suche nach Brot | |
und Milch mehrere Geschäfte abzulaufen“, sagt die Menschenrechtlerin | |
energisch. | |
Über eine ihrer Schützlinge berichtet Ludmila mit Tränen in den Augen: | |
„Eine ganz alte Dame, den Ehemann und die zwei Söhne hat sie schon zu Grabe | |
getragen, ist ganz allein geblieben. Sie erinnert sich noch an den Zweiten | |
Weltkrieg, den Holodomor (die große Hungersnot von 1931/32, der in der | |
ukrainischen Sowjetrepublik mehrere Millionen Menschen zum Opfer fielen; | |
Anm. der Redaktion) und die sowjetischen Repressionen. Und jetzt gibt es | |
wieder einen Krieg, und sie weint und erzählt, dass sie Angst hat alleine, | |
wenn die Raketen über ihr Haus fliegen.“ Täglich beliefert Ludmila etwa 15 | |
Adressen und fast überall handelt es sich um alte, alleinstehende Menschen, | |
die selbst kaum noch mobil sind. | |
Ebenfalls auf Ludmilas Konto geht die Hilfe für die gesprengte | |
Leichenhalle, wo spezielle Säcke benötigt wurden, außerdem hat sie 20 | |
Tonnen Sand organisiert, um die Barrikaden in der Nähe der Kiewer Blutbank | |
zu verstärken. | |
Das Geld für die Medikamente, Benzin und andere Dinge sammelt Ludmila über | |
ihre Facebook-Seite, und ihre Freunde nennen sie bereits | |
„Medikamenten-Engel“. Auch weil sie jeden Tag unter dem Dröhnen der Sirenen | |
unermüdlich vom rechten zum linken Dnipro-Ufer fährt, durch die | |
Checkpoints, Umleitungen und an Barrikaden vorbei, die in den letzten | |
Wochen überall in Kiew errichtet wurden. Ständig ist sie in Gefahr, unter | |
Beschuss zu geraten. | |
„Ja, ein paar Mal sind schon Raketen ziemlich dicht neben mir | |
eingeschlagen. Aber was soll man machen? Die Leute brauchen trotzdem Hilfe, | |
völlig unabhängig davon, was gerade am Himmel fliegt“, sagt Ludmila. Es sei | |
ihr persönlicher Beitrag zum Kampf der Ukraine gegen Russlands Krieg. „Ich | |
bin Teil der Verteidigung Kiews, ich bleibe hier bei meinen Leuten“, | |
erklärt Ludmilla ihre Motivation. | |
Der in der Ukraine traditionell beliebte Feiertag am 8. März wird dieses | |
Jahr von den russischen Bombardierungen getrübt und vom schweren Kampf der | |
Ukrainerinnen und Ukrainer gegen den Überfall der russischen Armee. Deshalb | |
ist nach dem ukrainischen Kalender an diesem Tag auch nicht der 8. März, | |
sondern der 13. Kriegstag. | |
Aus dem Russischen [2][Gaby Coldewey] | |
8 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Anastasia Magasowa | |
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