Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Generationen-Gespräch im Ukrainekrieg: Als Oma Baumrinde knabbern …
> Die Erinnerungen von Großeltern aus der Zeit des Weltkriegs sind
> brandaktuell. Unsere Autorin fände schöner, wenn sie Märchen vorlesen
> würden.
Bild: Immer, wenn Luftalarm ist, müssen die Großmütter in den Keller hinunte…
„Und wenn es gar nichts mehr zu essen gab, haben wir Baumrinde abgerissen
und daran geknabbert.“ Kürzlich wurde ich Ohrenzeugin eines Gespräches
meiner Oma mit meinen Kindern. Es war der dritte Kriegstag. „Oma Tasja, was
erzählst du da?“, schrie ich. „Was sind das für schreckliche Geschichten?…
Es waren die Erfahrungen meiner Großmutter. So haben sie die Zeit des
Holodomor – der großen Hungersnot von 1931/32 in der Sowjetukraine – und
des Zweiten Weltkriegs überlebt.
In Oma Tasjas Familie waren sie neun Kinder. Sie gehört zu denen, die noch
Jahrzehnte später die Krümel vom Tisch aufgesammelt hat und bei jedem
Festessen sagte: „Hauptsache, es gibt keinen Krieg.“ Tasja wurde in der
russischen Stadt Jaroslawl geboren. Es war für sie schwer zu verstehen,
dass der Ukraine – ihrer zweiten Heimat – von Russland der Krieg erklärt
wurde.
[1][Als meine Oma ihren Urenkeln] ihre Geschichte erzählte, wollte sie sie
schützen, ihnen von unvorstellbaren und schrecklichen Erfahrungen erzählen,
die sie selber als Kind gemacht hatte. Im Zimmer saß auch die andere
Urgroßmutter meiner Kinder. Oma Katja ist im gleichen Alter wie Tasja,
beide sind um die 90 Jahre. [2][Oma Katja hat lange in Belarus gelebt]. Den
Menschen ihrer Generation fällt es schwer, zu akzeptieren, dass Russland
die Ukraine angegriffen hat.
[3][Unser Luftschutzraum befindet sich im Keller]. Immer, wenn Luftalarm
ist, musste man beide Großmütter hinuntertragen. Nach der ersten
Kriegswoche haben wir entschieden, sie ins benachbarte Rumänien ins
Krankenhaus zu bringen. „Wie jetzt? Ich bin vor den Russen zu den Rumänen
geflüchtet?“ fragte Oma Katja. Sie hat die Blockade von Odessa im Zweiten
Weltkrieg miterlebt. In unserer Stadt haben damals rumänische Einheiten die
Stadt besetzt. Und jetzt pflegen Rumänen sie im Krankenhaus, flüchten muss
sie jetzt vor den Russen.
In den ersten Kriegstagen, machte ein schrecklicher Satz die Runde: „Wie
gut, dass meine Großmutter das nicht mehr erleben muss“. Ich verstehe, was
die Leute meinen. Ich bin froh, dass meine Kinder ihre Urgroßmütter kennen.
Schöner wäre, wenn sie meinen Kindern Märchen vorlesen würden, statt ihnen
zu erzählen, wie man im Krieg überlebt.
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey.]
Das Tagebuch „Krieg und Frieden“ wird finanziert durch die [5][taz Panter
Stiftung].
9 Apr 2022
## LINKS
[1] /Sprechen-ueber-Krieg-und-Frieden/!5842673
[2] /Belarus-und-der-Ukraine-Krieg/!5840641
[3] /Schutzraeume-im-Ukrainekrieg/!5844124
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[5] /!p4550/
## AUTOREN
Tatjana Milimko
## TAGS
Kolumne Krieg und Frieden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Odessa
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Holodomor
Ukraine
Kolumne Krieg und Frieden
Lesestück Recherche und Reportage
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Stalins „Holodomor“ als Völkermord: Bundestag wird darüber abstimmen
Rund vier Millionen Menschen starben durch die von Stalin herbeigeführte
Hungersnot in der Ukraine. Nun könnte Deutschland den Holodomor als
Völkermord einstufen.
Zerstörte Infrastruktur in der Ukraine: Ohne Wasser und unter Beschuss
Im südukrainischen Mikolajiw wurde die Wasserversorgung durch eine Rakete
lahmgelegt. Eine Sammelaktion in Odessa bringt schnell Hilfe.
Krieg in der Ukraine: Ach Odessa, du wunderschöne Perle
Die Stadt besitzt ein Opernhaus, aber keine Festung. Odessiten sprechen
Russisch, aber lehnen Russland ab. Ein Blick auf die Stadt der
Schlitzohren.
Vom Kriegsalltag in Tschernihiw: Glücksspiel Leben
Die Kinder ahmen eine Sirene nach, die Freundin hat nicht mal die Fenster
abgeklebt. Eindrücke aus dem Krieg in der belagerten Stadt Tschernihiw.
Hafenstadt Odessa im Ukrainekrieg: Stadt im Widerstand
Odessa wird seit Kriegsbeginn attackiert. Doch die Menschen in der
Schwarzmeerstadt tun alles, um Moskaus Angriff standzuhalten. Ein
Ortsbericht.
Frauentag in der Ukraine: Ukrainische Heldinnen
Tausende Ukrainerinnen wollen ihr Land nicht verlassen. Mehr noch: Sie
verteidigen ihr Land auf ihre Weise. Zwei von ihnen im Porträt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.