# taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz 2022: Die Angst vor einem Krieg wäc… | |
> Auf der Münchner Sicherheitskonferenz drohen die westlichen Staaten | |
> Russland mit harten Sanktionen. Die Ukraine-Krise sorgt auch China. | |
Bild: Droht Russland mit sehr harten wirtschaftlichen Sanktionen: US-Vizepräsi… | |
MÜNCHEN taz | Die Aufrufe werden eindringlicher, die Drohungen konkreter. | |
Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) steht ganz im Zeichen | |
[1][der sich zuspitzenden Ukraine-Krise]. Falls es zu einem Einmarsch | |
komme, werde Russland dafür „einen signifikanten und nie dagewesenen | |
wirtschaftlichen Preis“ bezahlen müssen, warnte US-Vizepräsidentin Kamala | |
Harris bei ihrem Auftritt am Samstag. Die USA und ihre Bündnispartner | |
würden geeint und koordiniert handeln. | |
Für den Fall einer Invasion werde es weitreichende finanzielle Sanktionen | |
geben, kündigte Harris an. Betroffen davon wären Moskaus finanzielle | |
Institutionen ebenso wie die Schlüsselindustrien Russlands, die mit harten | |
Exportkontrollen getroffen werden sollen. | |
Zuvor hatte bereits EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von | |
einem robusten und umfassenden Paket gesprochen, das die EU gemeinsam mit | |
den USA, Kanada und Großbritannien geschnürt habe. Dazu gehöre, Russland | |
und der russischen Volkswirtschaft den Zugang zum Finanzmarkt | |
abzuschneiden. | |
„Es sieht nicht gut aus, deswegen müssen wir hier stark sein und | |
zusammenstehen“, sagte der britische Premierminister Boris Johnson. „Wenn | |
Russland in das Nachbarland einmarschieren sollte, dann werden wir | |
russische Einzelpersonen und auch Unternehmen mit Sanktionen belegen, die | |
strategisch wichtig für Russland sind“, kündigte er an. Johnson rief den | |
Kreml dazu auf, zu deeskalieren und „den Dialog wieder aufzugreifen“. Es | |
gebe immer noch die Gelegenheit, „das Desaster abzuwenden. | |
## Hoffnung auf friedliche Lösung scheint verflogen | |
Die kurze Hoffnung auf eine friedliche Lösung der Ukraine-Krise, die | |
während [2][des Besuchs des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz beim | |
russischen Präsidenten Wladimir Putin] am vergangenen Dienstag aufgekommen | |
war, scheint inzwischen weitgehend verflogen zu sein. Die Angst vor einem | |
Krieg in der Ukraine ist wieder dramatisch gewachsen. | |
„Trotz Moskaus Behauptungen haben wir bisher keine Anzeichen von Rückzug | |
und Deeskalation gesehen“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „Im | |
Gegenteil: Russlands Aufmarsch geht weiter.“ Es sähe so aus, „als würde | |
Russland alles dafür tun, um einen Vorwand für eine Invasion zu erzeugen“, | |
sagte Stoltenberg. | |
„Die russische Aggression folgt einem Drehbuch“, sagte US-Vize Harris. „W… | |
erhalten jetzt Berichte über offensichtliche Provokationen und wir sehen, | |
wie Russland Falschinformationen, Lügen und Propaganda verbreitet.“ Die | |
russische Regierung behaupte zwar weiterhin, bereit für Gespräche zu sein, | |
schränke aber gleichzeitig die Möglichkeiten der Diplomatie ein. „Ihre | |
Taten stimmen einfach nicht mit ihren Worten überein“, sagte sie. | |
## Scholz hofft weiter auf Diplomatie | |
„In Europa droht wieder ein Krieg“, sagte Kanzler Scholz auf der Siko | |
sichtlich besorgt. Auch er warnte, jede weitere Verletzung der | |
territorialen Integrität der Ukraine werde „hohe Kosten haben für Russland | |
– politisch, ökonomisch und geostrategisch“. Gleichzeitig signalisierte der | |
deutsche Regierungschef erneut Gesprächsbereitschaft und den Willen, | |
diplomatische Auswege zu finden. „So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv | |
zu sein – das ist der Anspruch“, sagte er. | |
„Wir werden die Krisendynamik nur durchbrechen, wenn wir verhandeln“, sagte | |
Scholz. Es müssten „noch so kleine Türen genutzt werden, durch die | |
möglicherweise der Spielraum für Verhandlungen geöffnet werden kann“. Es | |
gehe darum, dass „wir unsere Unterschiede in ein Gespräch übersetzen, und | |
hoffen, dass das gelingt“. | |
Doch seine Zweifel daran, waren unüberhörbar. „Es bleibt und ist eine | |
gefährliche Situation“, sagte Scholz. Für wie gefährlich die | |
Bundesregierung die aktuelle Lage hält, zeigt die verschärfte Reisewarnung | |
für die Ukraine, die das Auswärtige Amt am Samstagmittag herausgegeben hat: | |
„Deutsche Staatsangehörige werden dringend aufgefordert, das Land jetzt zu | |
verlassen“, teilte es mit. „Eine militärische Auseinandersetzung ist | |
jederzeit möglich“, heißt es zur Begründung. | |
## Besorgnis auch in China | |
Dass offenkundig auch das eigentlich an der Seite Russlands verortete China | |
äußerst besorgt über die dramatische Situation an der russisch-ukrainischen | |
Grenze ist, demonstrierte am Samstagmittag der aus Peking zugeschaltete | |
chinesische Außenminister Wang Yi. In den Formulierungen diplomatisch, war | |
seine Botschaft doch eindeutig. Die Prinzipien der UN-Charta müssten | |
aufrechterhalten werden und kein Land solle sich über das Völkerrecht | |
stellen, „nicht einmal eine Supermacht“, sagte der Minister. | |
„Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität eines jeden | |
Landes sollten geschützt und respektiert werden“, sagte Wang Yi. „Und die | |
Ukraine macht hier auch keine Ausnahme.“ Er forderte dazu auf, sich auf die | |
Umsetzung des Minsker Abkommen zu konzentrieren, denn das sei „für das | |
Ukraine-Problem die einzige Lösung“. Jetzt sollten „alle Länder | |
Verantwortung übernehmen und für eine friedliche Lösung eintreten“. | |
„Ich weiß nicht, was der Präsident der russischen Föderation möchte“, s… | |
der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf die Frage, ob er davon | |
ausgehe, dass Putin schon eine Entscheidung über einen Einmarsch getroffen | |
habe. „Wir möchten eine diplomatische Lösung statt eines militärischen | |
Konflikts“, versicherte Selenskyj. Doch für den Eventualfall werde sich die | |
Ukraine nicht kampflos ergeben: „Wir werden unser Land schützen, mit oder | |
ohne Unterstützung unserer Partner.“ | |
## Ukraine-Krise bestimmt auch die Anti-Siko-Proteste | |
Auch die traditionellen Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz | |
stehen in diesem Jahr ganz unter dem Eindruck der Ukraine-Krise. Wie könnte | |
es anders sein? „Wir brauchen jetzt sofort eine diplomatische Initiative | |
der Bundesregierung, statt sich hier auf der Sicherheitskonferenz in immer | |
neuen Drohgebährden zu ergehen“, sagte die | |
Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen auf der | |
Abschlusskundgebung des [3][„Aktionsbündnisses gegen die | |
Nato-Sicherheitskonferenz“] am Samstag. | |
Dağdelen forderte „einen sofortigen Truppenrückzug beider Seiten an der | |
Kontaktlinie“. Erforderlich sei „jetzt hier eine politische Lösung“. An … | |
Demonstration des Aktionsbündnisses vom Stachus zum Marienplatz nahmen laut | |
Polizeiangaben etwa 1.600 Menschen teil, die Veranstalter zählten rund | |
3.000. | |
Auf der parallel zur Siko stattfindenden [4][Internationalen Münchner | |
Friedenskonferenz] hatte bereits am Freitagabend der frühere | |
brandenburgische Ministerpräsident und Ex-SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck | |
zu größeren diplomatischen Anstrengungen aufgerufen. „Wir befinden uns | |
mitten in einer Eskalationsspirale“, sagte er in einer Videobotschaft. | |
„Wir müssen alles, aber auch wirklich alles dafür tun, um zu deeskalieren�… | |
forderte Platzeck, der Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Forum | |
ist. Es sei ein schwerer Fehler gewesen, über Jahrzehnte die legitimen | |
Sicherheitsinteressen Russlands nicht zu akzeptieren. | |
„Heute ernten wir die bitteren Früchte dieser Realitätsverweigerung“, sag… | |
Platzeck. Gefordert sei jetzt „die hohe Kunst der multilateralen | |
Diplomatie“, wobei „immer auch selbstverständlich die Bedürfnisse der | |
Ukraine gleichberechtigt mit zu berücksichtigen“ seien. | |
19 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Eskalation-in-der-Ostukraine/!5836322 | |
[2] /Olaf-Scholz-zu-Besuch-in-Moskau/!5831418 | |
[3] https://www.sicherheitskonferenz.de/ | |
[4] https://friedenskonferenz.info/ | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
## TAGS | |
Münchner Sicherheitskonferenz | |
Ukraine-Konflikt | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Ukraine-Krise | |
Russland | |
Kamala Harris | |
Olaf Scholz | |
Außenpolitik | |
China | |
GNS | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Ukraine-Konflikt | |
Taktik | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Ukraine | |
Ostukraine | |
Ukraine-Konflikt | |
Münchner Sicherheitskonferenz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Deutsch-italienische Zusammenarbeit: Dreieck statt Achse | |
Deutschland und Italien wollen stärker zusammenarbeiten. Pläne für ein | |
politisches Dreieck Berlin–Paris–Rom stoßen aber nicht überall auf | |
Euphorie. | |
EU zu Russlands Ukraine-Vorstoß: Von Putin kalt erwischt | |
Die Hoffnung Deutschlands und Frankreichs, weiter im Normandieformat | |
verhandeln zu können, ist dahin. Jetzt muss sich die EU neu einigen. | |
Putin und der Ukrainekonflikt: Nerven wie ein Mungo | |
Was Russlands Präsident will, weiß niemand genau. In seinem Taktieren aber | |
orientiert er sich erkennbar an seinem Lieblingsautor Rudyard Kipling. | |
Konflikt in der Ostukraine: Ein Gefecht aus Vorwürfen | |
Die Ukraine und die Separatisten werfen sich gegenseitig Eskalation vor. | |
Vor allem über den Beschuss eines Kindergartens wird gestritten. | |
Afghanistan bei der Sicherheitskonferenz: Der Westen möchte gerne lernen | |
Sechs Monate nach dem Nato-Abzug aus Afghanistan will man in München nicht | |
über Vergangenes sprechen. Aktuelle Strategien gibt es aber auch nicht. | |
Nachrichten in der Ukrainekrise: Kuleba fordert Westen zum Handeln auf | |
Der Westen solle jetzt schon mit den geplanten Sanktionen beginnen, so der | |
ukrainische Außenminister. Die Nato warnt vor einem bevorstehendem | |
russischen Angriff. | |
Nachrichten in der Ukrainekrise: „In Europa droht ein Krieg“ | |
Olaf Scholz warnt auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor einer | |
russischen Invasion. Die Bundesregierung ruft deutsche Staatsbürger zum | |
Verlassen der Ukraine auf. | |
Sicherheitskonferenz in München: Der Westen im Selbstgespräch | |
Auf der Sicherheitskonferenz gibt es viel zu bereden, aber ausgerechnet | |
Russland fehlt dieses Jahr. Der Abschied von Siko-Chef Ischinger ist | |
getrübt. | |
Münchner Sicherheitskonferenz 2021: Der Westen unter sich | |
In der Pandemie stellt auch die Siko auf Homeoffice um. Joe Biden verteilt | |
aus dem Weißen Haus Nettigkeiten. Russland und China fehlen diesmal. |