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# taz.de -- Konflikt in der Ostukraine: Ein Gefecht aus Vorwürfen
> Die Ukraine und die Separatisten werfen sich gegenseitig Eskalation vor.
> Vor allem über den Beschuss eines Kindergartens wird gestritten.
Bild: Einschlägige Beweise: Ein ukrainischer Soldat in der Region Lugansk an e…
Kiew taz | Zunächst klingen die Meldungen aus der ukrainischen Stadt
Mariupol beruhigend: „Alle Unternehmen in Mariupol arbeiten wie immer, die
Versorgung ist in vollem Umfang gewährleistet. Die Wasserversorgung wurde
an einen Reservekanal angeschlossen. Die Lage in Mariupol ist stabil, auch
im umliegenden Gebiet ist die Situation unter Kontrolle“, berichtet das in
Mariupol erscheinende Portal pr.ua unter Berufung auf die Stadtverwaltung.
„Heute Morgen wurden bewohnte Gebiete in der Region Donezk beschossen. Ihre
Salven waren in unserer Stadt zu hören. Mariupol bleibt ruhig, das
öffentliche Leben geht seinen Gang.“ So beschwichtigend sich dieser Artikel
auch anhört, zwischen den Zeilen ist eine gewisse Unruhe erkennbar.
Tatsächlich ist die [1][Lage in der Donbass-Region], und Mariupol liegt nur
ein gutes Dutzend Kilometer von der „Kontaktlinie“ entfernt, so angespannt
wie lange nicht mehr. Beide Seiten bezichtigen die jeweils andere der
Verletzung des Waffenstillstandes. Die ukrainische Seite habe in der Nacht
ihre Gebiete beschossen, berichten die „Volksrepubliken“ Lugansk und
Donezk. Zwanzigmal, so die „Volksrepublik“ Lugansk. Dabei hätten die
ukrainischen Streitkräfte rund 280 Granaten, Minen und Granaten abgefeuert.
Demgegenüber berichtet die ukrainische Seite, der Feind habe den
Waffenstillstand verletzt. Dabei hätte er auch elfmal Waffen eingesetzt,
die durch die Vereinbarungen von Minsk verboten seien. Beim Beschuss der
Ortschaft Nowotroizkoje hätten die Angreifer verbotene 122-mm-Artillerie
und 120-mm-Mörser eingesetzt. Auch sechs weitere Ortschaften seien von den
„Volksrepubliken“ beschossen worden. Am Samstag ist ein ukrainischer Soldat
tödlich verletzt worden.
Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation [2][„Das friedliche Ufer“]
sind in den ersten 20 Tagen des Februars zehn Militärs ums Leben gekommen,
vier Regierungssoldaten und sechs Aufständische. Am 17. Februar 2022 war
die Lage im Donbass drastisch eskaliert. Nach Angaben des Hauptquartiers
der Vereinten Ukrainischen Streitkräfte wurden an diesem Tag 30 bewohnte
Gebiete in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten beschossen, darunter
auch ein Kindergarten im ukrainisch kontrollierten Staniza Luganska und
eine Schule. 101 Mal, so das ukrainische Militär, habe der Gegner in diesen
Tagen den Waffenstillstand verletzt.
## Zerstörungen der zivilen Infrastruktur
Unterdessen wurde Kritik an der Arbeit der [3][Beobachtermission der OSZE]
laut. Diese hatte in ihrem Bericht über ihre Untersuchungen der Schäden in
dem beschossenen Kindergarten berichtet, ein ukrainischer Offizieller habe
sie gehindert, das Gebäude zu betreten. Die stellvertretende ukrainische
Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk warf der Organiation im
ukrainischen Fernsehsender Dom vor, sie habe falsche Informationen über den
Beschuss des Kindergartens verbreitet. Insbesondere kritisierte sie die
Äußerung, das ukrainische Militär habe der OSZE den Zutritt zu der
Einrichtung verweigert. Sie selbst sei mit Journalisten beim Kindergarten
gewesen, so Wereschtschuk, und da sei niemand am Zutritt des Gebäudes
gehindert worden.
Insgesamt gilt jedoch auch festzustellen, dass die jüngste Eskalation
längst nicht die Ausmaße erreicht hat, die man in den ersten Jahren des
Krieges in der Ostukraine sah. Tatsächlich hat die Intensität der Gewalt in
den letzten drei Jahren deutlich abgenommen. Am 21. Januar 2019 berichtete
der ukrainische Dienst der Deutschen Welle unter Berufung auf die UN, dass
zwischen 2014 und 2018 ungefähr 13.000 Menschen ums Leben gekommen seien.
Mitte Februar 2022 berichtet die NGO „Das friedliche Ufer“ von 13.930
Toten.
Das hieße, in den Jahren 2019–2022 waren es knapp 1.000 Menschen. Im Januar
2022 waren 22 Menschen auf beiden Seiten, im Februar zehn Menschen ums
Leben gekommen. So traurig diese Zahlen sind, sie zeigen auch: In den
ersten Jahren des bewaffneten Konfliktes waren die Opferzahlen weitaus
höher als in den vergangenen drei Jahren.
Angesichts der jüngsten Eskalation warnt das Rote Kreuz (IKRK) vor weiteren
Zerstörungen der zivilen Infrastruktur. So seien in den vergangen zwei
Tagen zwei große Pumpstationen in der Region Donezk, die mehr als eine
Million Menschen auf beiden Seiten der Kontaktlinie mit Trinkwasser
versorgen, sowie Krankenhäuser und andere wichtige Dienste durch die
Kampfhandlungen nicht mehr in Betrieb. „Wir sind sehr besorgt über die
Entwicklungen im Osten der Ukraine in den letzten Tagen. Die zivile
Infrastruktur, die wichtige Dienstleistungen bereitstellt, und das zivile
Personal, das diese Infrastruktur betreibt, wartet und repariert, sind
durch das humanitäre Völkerrecht geschützt“, sagt Florence Gillette, die
Leiterin der IKRK-Delegation in der Ukraine.
## Terroranschläge befürchtet
Die Chefs der „Volksrepubliken“ haben am Samstag eine allgemeine
Mobilisierung in den von ihnen kontrollierten Gebieten angekündigt. Einen
Tag zuvor hatten die Separatisten die Evakuierung der Bevölkerung auf das
Gebiet der russischen Region Rostow angekündigt. Das Portal gordonua.com
erinnerte an einen vergleichbaren Vorgang: 2008 habe Russland vor seinem
Einmarsch nach Südossetien, eine Region, die sich von Georgien abspalten
wollte, ebenfalls die Zivilbevölkerung evakuiert.
Nun fürchtet man in der Region Terroranschläge. Der Oberbefehlshaber der
ukrainischen Streitkräfte, Valeriy Zaluschnij, erklärte, russische
Spezialeinheiten würden in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten des
Donbass Terroranschläge vorbereiten, um dann unter dem Vorwand einer
„Friedenssicherung“ in die Ukraine einzumarschieren. Dagegen berichtet die
den Separatisten nahestehende Internetseite nahnews.org, die ukrainische
Seite plane Terroranschläge.
Nun sind die Kämpfe auch auf der russischen Seite angekommen, wenn stimmt,
was die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti schreibt. So sei ein
russisches Dorf unweit der Stadt Rostow von der Ukraine aus beschossen
worden, berichtet das russische Portal lenta.ru. Demgegenüber bezeichnet
das Pressezentrum der ukrainischen Militärführung Berichte über ukrainische
Granaten, die in der russischen Region Rostow eingeschlagen seien, als
„Fake der russischen Propaganda“.
Durchgespielt wird die Überlegung eines Einmarsches in die Ukraine bereits.
Der Generalsekretär des von Moskau dominierten Militärbündnisses OVKS,
Stanislaw Sas, hat vorgeschlagen, die Truppen der Organisation in den
Donbass zu entsenden. Dies sollte allerdings mit dem Einverständnis der
Ukraine und der Zustimmung des UN-Sicherheitsrats geschehen, zitiert das
ukrainische Portal strana.best den Generalsekretär unter Bezugnahme auf
Reuters.
20 Feb 2022
## LINKS
[1] /Eskalation-in-der-Ostukraine/!5836322
[2] https://mb.net.ua/
[3] /Nachrichten-in-der-Ukrainekrise/!5836349
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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