| # taz.de -- Pläne für neue Druckwasserreaktoren: Macron voll auf Atomkurs | |
| > Der französische Staatspräsident will seine Pläne für den Bau neuer | |
| > Kernkraftwerke vom Typ EPR konkretisieren. Dabei machen die alten AKW | |
| > schon Ärger. | |
| Bild: Die Kühlturme des Atomkraftwerks von Electricité de France in Chooz, Fr… | |
| Paris taz | An diesem Donnerstag wird der französische Staatspräsident | |
| Emmanuel Macron in einem Werk in Belfort erwartet, das Turbinen für | |
| Reaktoren herstellt. Dort will er seine [1][Pläne für den Bau neuer | |
| Kernkraftwerke vom Typ EPR] präsentieren – und damit bestätigen, dass | |
| Frankreich unter seiner Führung voll auf die Atomenergie setzt. | |
| Nachdem die EU-Taxonomie aller Voraussicht nach Atomreaktoren zumindest für | |
| eine Übergangszeit als nachhaltig und wichtig für die Einhaltung der | |
| Klimaziele bei der CO2-Reduktion anerkennt, sieht sich Macron hier auf | |
| gutem Kurs. | |
| Ein Hindernis könnte es allerdings noch geben. Und das besteht nicht in der | |
| Klage, die Österreich gegen die Entscheidung der EU-Kommission eingereicht | |
| hat, und auch nicht in den empörten Protesten von Atomkraftkritiker*innen. | |
| Nein, das Problem ist der Schuldenberg des Energiekonzerns Electricité de | |
| France (EDF), der trotz altbekannter Probleme und neuer Sorgen weiter | |
| investieren müsste. | |
| Aber letzlich hat bei EDF der französische Staat das Sagen, der mit 84 | |
| Prozent Kapitalanteil Hauptaktionär ist. Macron wird sich nicht genieren, | |
| neben Investitionen etwa in die Technologie der Mini-Reaktoren auch mehrere | |
| [2][Anlagen mit EPR2-Reaktoren] in Auftrag zu geben. | |
| ## Flucht nach vorn | |
| Das Ganze sieht sehr nach einer nuklearen Flucht nach vorn aus, mit der | |
| Macron auch in der Kampagne für seine Wiederwahl als Staatschef im April | |
| innenpolitisch punkten will. Anders als sein Vorgänger, der Sozialist | |
| François Hollande, der einen (sehr langsamen) schrittweisen Ausstieg aus | |
| der Atomkraft verkündet hatte, will Macron die Kernkraftwerke weiter laufen | |
| lassen. [3][Sie produzieren immer noch fast 70 Prozent des Stroms], und der | |
| Präsident will sie auch als wichtigste und angeblich „nachhaltige“ | |
| Energiequelle der Zukunft verkaufen. Selbstverständlich hofft er mit dem | |
| EU-Label auch auf europäische Subventionen. Was die Schließung der ältesten | |
| Akw in Frankreich angeht, bliebe es wohl bei der definitiven | |
| [4][Stilllegung von Fessenheim im Elsass]. | |
| In Belfort wird Macron auch den Rückkauf einer in seiner Zeit als | |
| Wirtschaftsminister von Hollande an General Electrics abgetretenen | |
| Alstom-Filiale (GEAST) zur Herstellung der Kraftwerkturbinen Arabella | |
| bestätigen. General Electrics hat sich zu Beginn der Woche mit EDF auf die | |
| Modalitäten und den Preis geeinigt. Damit wird Frankreich versuchen, diese | |
| für die Zukunft der Atomkraft strategisch wichtige Produktion wieder unter | |
| exklusive französische Kontrolle zu bringen. | |
| ## Billig und doch zu teuer | |
| GEAST wird so für Macron auch zu einem Symbol der „nationalen Souveränität… | |
| in der Energieversorgung, die er Mitte Oktober in seiner Grundsatzrede über | |
| die Förderung der Technologien von strategischer Bedeutung zur Priorität | |
| erklärt hatte. | |
| Der Wert des Unternehmens wird auf mehr als eine Milliarde US-Dollar | |
| geschätzt, EDF aber bezahlt lediglich 200 Millionen US-Dollar und übernimmt | |
| zusätzlich 73 Millionen Euro an Schulden. Das klingt nach einem guten | |
| Geschäft, ist aber für EDF trotzdem ein finanzielles Risiko. Immerhin | |
| kämpft der Konzern mit akkumulierten Schulden von 40 Milliarden Euro sowie | |
| Problemen wegen der Kostenexplosion des ersten EPR in Flamanville und | |
| braucht auch noch Rücklagen für die Entsorgung der heutigen 56 Reaktoren. | |
| 2015 hatte man Macron den Vorwurf gemacht, mit der Turbinentechnologie von | |
| Alstom verkaufe er das französische Knowhow ins Ausland. Als Präsident | |
| wolle er nun noch vor dem Ende seiner ersten Amtszeit diese „Erbsünde“ | |
| wiedergutmachen, schreibt Le Monde. Zumindest erwecke der Rückkauf einer | |
| Alstom-Filiale, der damals 1.200 Arbeitsplätze gekostet habe, den Eindruck, | |
| der Präsident gestehe nun ein, dass der damalige Verkauf ein Fehler gewesen | |
| sei. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wollte dies am Dienstag auf dem | |
| Rundfunksender France Inter relativieren: „Seien wir bescheiden. Niemand | |
| hatte vorausgesehen, wie schwer die Energiekrise werden würde“, sagte er. | |
| „Erst jetzt werden wir uns bewusst, wie bedeutend die Herausforderung ist, | |
| die Nachfrage nach Energien ohne CO2 ist wesentlich größer als erwartet.“ | |
| Mittel- und langfristig sehen Macron und sein Minister keine andere Lösung | |
| als die Atomenergie. | |
| Genau in diesen Kontext des forcierten Ausbaus der Atomenergie platzte die | |
| Meldung, dass EDF zusätzlich zu den bereits fünf wegen technischer Probleme | |
| abgestellten Reaktoren weitere drei für Inspektionen und eventuelle | |
| Reparaturen aus dem Betrieb nehmen muss. In allen Fällen soll es um | |
| Korrosionsschäden in einem Sicherheitskreislauf gehen. | |
| Der gleichzeitige Ausfall von acht Reaktoren beeinträchtigt die Versorgung | |
| mit Elektrizität: Statt bis zu 360 Terawattstunden kann EDF in diesem Jahr | |
| laut eigenen Angaben voraussichtlich nur 295 bis 315 TWh Strom liefern. | |
| 9 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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