| # taz.de -- Ökolabel für Atomkraft und Erdgas: Deutsches Veto ohne Wirkung | |
| > Die Bundesregierung widerspricht der EU-Regel, die Atom und Gas grün | |
| > etikettiert. Dagegen klagen will sie aber nicht. | |
| Bild: Gegen Greenwashing von Atomenergie: Protest in München im Februar | |
| Berlin taz | Es war ausgerechnet Freitag der 13., und das Finanzministerium | |
| hatte [1][eine entscheidende Pressemitteilung] zu verkünden: Ab Juni wird | |
| es eine Briefmarke geben, die den 50. Jahrestag der ersten | |
| UNO-Umweltkonferenz in Stockholm 1972 ehrt. | |
| Die andere wichtige Entscheidung an diesem Tag war dem Haus von | |
| Finanzminister Christian Lindner (FDP) allerdings keine offizielle | |
| Erklärung wert: Deutschland wird sich in Brüssel mit einem Veto gegen | |
| [2][die umstrittene EU-„Taxonomie“] wenden, die [3][Atom und Gas als | |
| „nachhaltige“ Anlagemöglichkeiten einstuft] – eine solche Taxonomie aber | |
| nicht vor Gericht angreifen. Das hat das Finanzministerium jetzt auf | |
| Nachfrage eingeräumt. Damit steigen die Chancen, dass sich diese | |
| kritisierte Regelung wie geplant durchsetzt. | |
| Die französische Ratspräsidentschaft hatte die Mitgliedsstaaten | |
| aufgefordert, bis zum 15. Mai ihre Stellungnahme zur umstrittenen Regelung | |
| der Taxonomie abzugeben. Mit dieser Vorschrift legt die EU einen Rahmen | |
| fest, [4][in welchen Bereichen zukünftig Investitionen als „nachhaltig“ | |
| anzusehen sind]. Damit sollen Anleger wie Banken und Fonds Hinweise | |
| bekommen, welche Bereiche als „grüne Geldanlagen“ beim Umbau der Finanz- | |
| und Volkswirtschaft gelten können. | |
| Die [5][EU-Kommission hatte Ende 2021 einen Entwurf vorgelegt], der auch | |
| Investitionen in Atomkraft und in fossile Gasprojekte in einer | |
| abgeschwächten Form unter das Etikett „nachhaltig“ fasst. Damit könnten | |
| diese Projekte auf günstigere Bedingungen bei Krediten, Subventionen und | |
| Investments hoffen. Die Regelung gilt als Deal zwischen „Atomländern“ wie | |
| Frankreich und „Gasländern“ wie Deutschland und wurde noch von der vorigen | |
| Bundesregierung verhandelt. | |
| Der Vorschlag der Kommission hatte in Europa und in Deutschland | |
| Umweltgruppen und KlimapolitikerInnen empört. [6][Auch in der | |
| Ampelkoalition war die Haltung zur Taxonomie umstritten]: Während die | |
| Ablehnung der Atomprojekte allgemein gilt, passt das Nachhaltigkeitslabel | |
| für Gas zu den Plänen der Regierung für den schnellen Ausbau von | |
| Infrastruktur, die Deutschland vom russischen Gas unabhängig machen. | |
| Die EU-Regeln sehen vor, dass der Taxonomie-Rechtsakt nur mit einer jeweils | |
| großen Mehrheit im EU-Rat und im Parlament zu stoppen ist. Beide Mehrheiten | |
| gelten als unwahrscheinlich. Einzige Hoffnung auf einen Stopp ist für | |
| Umweltorganisationen eine Klage. Schließlich erfordert die Taxonomie, eine | |
| Technik dürfe „keinen Schaden anrichten“ – was bei der Atomkraft umstrit… | |
| ist. | |
| ## Greenpeace: Deutsches Vorgehen ist Schaufensterpolitik | |
| Das Finanzministerium erklärte nun: „Die Bundesregierung hat sich im Rat | |
| der Europäischen Union gegen die Taxonomie-Regeln zur Atomkraft gewandt.“ | |
| Die Regeln gelten allerdings für Atom und Gas zugleich, eine | |
| Differenzierung in der Ablehnung ist nicht möglich. Die Regierung, so das | |
| Ministerium weiter, habe „gegenüber der französischen Ratspräsidentschaft | |
| die Absicht erklärt, Veto gegen den entsprechenden ergänzenden Rechtsakt | |
| einzulegen“, der Rat solle dagegen Einwand erheben. | |
| Die Regierung wende sich gegen die Regel, werde aber „keine Klage | |
| einreichen, weil es darüber keine Verständigung gab“, hieß es. Die | |
| Koalition konnte sich darauf also nicht einigen. „Wenn der Rat oder das | |
| Europäische Parlament Einwand erheben, kann verhindert werden, dass der | |
| Rechtsakt in Kraft tritt“, so das Ministerium. Damit spielt es darauf an, | |
| dass Luxemburg und Österreich bereits mit Klage drohen. | |
| „Schaufensterpolitik“ nannte deshalb auch Martin Kaiser, Geschäftsführer | |
| von Greenpeace, die Ankündigung der Regierung. „Die Zeitenwende, die der | |
| Kanzler ausgerufen hat, muss auch bedeuten, dass Politik auch bei der Frage | |
| der Taxonomie neu gedacht werden muss. Weder Atom noch Gas dürfen in die | |
| Taxonomie kommen, das muss Robert Habeck verhindern.“ Gerade der Krieg in | |
| der Ukraine habe gezeigt, wie groß das Risiko bei Atom und bei der | |
| Abhängigkeit von Gas sei. | |
| Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe begrüßte die Ablehnung | |
| durch die Regierung. „Aber wer A sagt, muss auch B sagen und seiner | |
| Position Wirkung verleihen“, so Zerger. „Das heißt: Deutschland muss sich | |
| einer Klage anschließen.“ | |
| 16 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Briefm… | |
| [2] /EU-Taxonomie/!5832847 | |
| [3] /Finanzexpertin-ueber-EU-Taxonomie/!5823350 | |
| [4] /Taxonomie-Regeln-in-der-EU/!5829699 | |
| [5] /Atomkraft-und-Klimawandel/!5825470 | |
| [6] /EU-Plaene-zu-nachhaltiger-Energie/!5825548 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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