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# taz.de -- Neue EU-Verordnung: Ökolabel für Atom- und Gaskraft
> Die umstrittene EU-Verordnung für nachhaltige Investitionen hat es durchs
> Europaparlament geschafft. Kritiker sprechen von Greenwashing.
Bild: Klimaschützer demonstrierten im Januar in Straßburg gegen die Taxonomie
Brüssel taz | Die Proteste waren kaum zu überhören. „Atomkraft: nein,
danke“ und „No Gas, no nuclear“ skandierten Klimaschützer in der Nähe d…
Europaparlaments in Straßburg. In letzter Minute wollten sie die
umstrittene Taxonomie verhindern – eine neue EU-Verordnung, [1][die
nachhaltige Investitionen ausweist] und darunter auch klimaschädliches
Erdgas und Kernkraft fasst.
Doch die Mehrheit hat anders entschieden als die Demonstranten: Die
Taxonomie kommt. Statt der erforderlichen 353 Abgeordneten votierten
lediglich 278 gegen den Rechtsakt, den die EU-Kommission in der
Silvesternacht auf den Weg gebracht hatte. Grüne, Sozialdemokraten und
Linke schafften es nicht, eine Mehrheit gegen das Ökolabel zu mobilisieren.
Bei den Abgeordneten aus Deutschland, Österreich und Luxemburg sprach sich
zwar eine Mehrheit gegen die Taxonomie aus. Parlamentarier aus Frankreich,
Polen oder Finnland stellten sich jedoch hinter den Vorschlag der
EU-Kommission.
Auch der Vorsitzende des Umweltausschusses, der liberale Franzose Pascal
Canfin, stimmte dafür. „Die Sorgen sind nicht berechtigt“, sagte er. Atom
und Gas würden auch künftig nicht in dieselbe Kategorie eingeordnet wie die
erneuerbaren Energien, außerdem sei das Ökolabel mit Bedingungen versehen.
## Auflagen für „grüne“ AKW- und Gas-Investitionen
So sollen Investitionen in neue AKW nur dann als nachhaltig klassifiziert
werden, wenn die Anlagen neuesten Standards entsprechen und ein
überzeugender Plan für die Entsorgung vorgelegt wird. Zudem sollen die
Anlagen spätestens 2045 eine Baugenehmigung erhalten.
Beim „grünen“ Label [2][für neue Gaskraftwerke] soll es darum gehen, wie
viel Treibhausgase ausgestoßen werden – und ob sich die Anlagen spätestens
2035 mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas betreiben lassen
können. Dafür hatte sich vor allem Deutschland starkgemacht.
Diese Vorbehalte reichen den Kritikern jedoch nicht. Sie sprechen von
„Greenwashing“ und einer Entwertung des Nachhaltigkeits-Labels. „Diese
Entscheidung ist ein Rückschlag für den Klima- und Umweltschutz in Europa“,
sagte der SPD-Europaabgeordnete Joachim Schuster.
„Die EU setzt ihre internationale Glaubwürdigkeit als globale Vorreiterin
beim Klimaschutz aufs Spiel“, sagte der grüne Europaabgeordnete Michael
Bloss.
Die Gegner der Taxonomie hatten wochenlang mobilisiert und zuletzt noch
versucht, mit dem Verweis auf Russlands Krieg gegen die Ukraine zu punkten.
Wer Investitionen in die Gasindustrie fördere, spiele Kreml-Chef Putin in
die Hände, hieß es. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk forderte alle
deutschen Abgeordneten auf, gegen das grüne Label für Gas und Atomkraft zu
stimmen. Auch die Grünen machten mit dem Hinweis auf Putin mobil.
Das reichte jedoch nicht aus, um die Taxonomie abzuschießen. Am Vorabend
des Votums schwor die konservative EVP-Fraktion ihre Abgeordneten auf ein
„Ja“ ein. „Wir wissen, dass wir Gas und Kernenergie für eine Übergangsz…
brauchen, um das Netz nicht zu destabilisieren und um den Weg zu
erneuerbaren Energien zu weisen“, mahnte der EVP-Koordinator im
Energieausschuss, Christian Ehler (CDU). Man dürfe den Streit nicht
„ideologisieren“.
Den Befürwortern spielte auch die akute Gaskrise in die Hand, die
Deutschland und die EU erschüttert. „Wir müssen uns auf weitere
Unterbrechungen der Gasversorgung aus Russland vorbereiten, sogar auf eine
vollständige Beendigung“, sagte EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der
Leyen (CDU) kurz vor der Abstimmung im Europaparlament. In zwei Wochen will
sie einen Notfallplan vorlegen.
Bereits im Mai hatte von der Leyen ein Programm namens „Repower EU“
vorgelegt, mit dem sich die Union von russischen Öl- und Gaslieferungen
unabhängig machen will. Es sieht auch Investitionen in neue
Gasinfrastruktur vor, um den Import von Flüssiggas aus Übersee zu
erleichtern und die EU-Staaten besser miteinander zu verbinden. Nur so
könne man gegen Putin bestehen, heißt es in Brüssel.
Die Aufnahme in die Taxonomie ist für die Nutzung von Atom und Gas
allerdings keine Voraussetzung. Nur hätte man Fonds und andere
Finanzprodukte, die entsprechende Projekte finanzieren, nicht mehr als
nachhaltig verkaufen dürfen. Das ist jetzt weiter möglich.
Deutschland hatte sich im EU-Ministerrat [3][gegen die Taxonomie
ausgesprochen]. Eine Klage gegen die Taxonomie schloss die Bundesregierung
aber aus. „Wir halten die Erhebung einer Klage nicht für einen geeigneten
Weg“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Demgegenüber
haben Österreich und Luxemburg bereits Klagen vor dem Europäischen
Gerichtshof angekündigt. Die Bundesregierung hatte früher erklärt, man
prüfe ein ähnliches Vorgehen. Doch das ist nun offenbar vom Tisch.
6 Jul 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Eric Bonse
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