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# taz.de -- Berliner Bündnis für Bauen: Giffeys verpatzter Start
> Das erste Treffen des Senats mit der Wohnungswirtschaft endet ohne die
> geplante Erklärung. Stattdessen gab es Streit. Ein Wochenkommentar.
Bild: Franziska Giffey sucht die Kameras und die Öffentlichkeit. Nicht alle fi…
Dass es nicht unbedingt ein sonniger Tag für sie werden würde, war Berlins
Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey und Bausenator Andreas Geisel
(beide SPD) schon am Morgen klar. Bevor beide mit Vertretern der Berliner
Wohnungswirtschaft zur Auftaktsitzung des Bündnisses für Neubau und
bezahlbares Wohnen zusammenkamen, hatten sich um neun Uhr Aktivistinnen und
Aktivisten des Volksentscheids Deutsche Wohnen und Co. enteignen bei
strahlendem Sonnenschein vor dem Roten Rathaus versammelt. Ihr Motto: Wir
lassen uns den Volksentscheid nicht in „Geisel-Haft“ nehmen.
[1][„Geisel trifft sich heute mit Lobbyisten der Immobilienwirtschaft für
Hinterzimmerdeals“], erklärte Initiativensprecher Rouzbeh Taheri. „Das
Gespräch mit unserer Initiative aber verweigert er.“ Ganz so harmonisch
aber scheint auch der angebliche „Hinterzimmerdeal“ nicht verlaufen zu
sein. Denn die angestrebte gemeinsame Erklärung nach der Auftaktsitzung am
Freitag fiel aus. Sie soll nun beim zweiten Treffen am 21. Februar
unterzeichnet werden.
Insgesamt 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten Giffey und Geisel zu dem
Treffen eingeladen, darunter Vertreter des Senats, der Bezirke, der
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften, privater
Investoren und des Mietervereins. Gleich zu Beginn gab es Streit, weil der
Tagesspiegel bereits aus der von Giffey vorbereiteten Abschlusserklärung
zitiert hatte. Grüne und Linke haben die Erklärung deshalb nach
taz-Informationen gestoppt.
## Viele offene Fragen
Gesprächsbedarf und offene Fragen gab es auch bei anderen Themen. Müssen
tatsächlich, wie im Koalitionsvertrag steht, 20.000 Wohnungen pro Jahr
gebaut werden? Wieviele Wohnungen sollen private Investoren bauen und wie
viel Miete dürfen sie später dafür verlangen? Was können Genossenschaften
zum Neubau beitragen? Und was sagt die private Wohnungswirtschaft zum
Vorschlag von Geisel zu einem mehrjährigen Mietenstopp?
Schon einen Tag vor dem Treffen hatte der Berliner Mieterverein den Finger
in die Wunde gelegt. „Dass die Neubautätigkeit die Mietsteigerungen dämpft,
ist nicht sichtbar“, hatte Mietervereinschef Reiner Wild [2][eine Studie]
zusammengefasst, die die Wohnungsmärkte in Hamburg und Berlin verglich. Das
[3][Hamburger Bündnis für das Wohnen] ist für Giffey das Vorbild für das
Berliner Bündnis für Neubau und bezahlbares Wohnen. Für Wild dagegen ist es
kein Modell. Er sieht deshalb „keinen Hinweis darauf, auf den Mieterschutz
verzichten zu können“.
Bauen, bauen, bauen oder aber die Mieter auch im Bestand schützen? Wo der
Senat den Schwerpunkt bei seiner Wohnungspolitik legt, dürfte die Berliner
Politik bis Ende Juni begleiten, wenn das Berliner Bündnis seine
Abschlusserklärung vorlegen soll. Die Reaktionen auf die Sitzung am Freitag
gehen schon jetzt auseinander.
Die Linken-Abgeordnete [4][Katalin Gennburg äußerte auf Twitter] die Sorge,
dass sich Lobbyorganisationen der Vermieter wie „Haus und Grund“
durchsetzen könnten. Dessen Präsident Kai Warnecke hatte zuletzt behauptet:
„Wohnen in den deutschen Großstädten ist zwischen 2015 und 2020 für alle
mit Einkommen bezahlbarer geworden.“ „Beinfreiheit für Investoren statt
Mietenregulierung“, kommentierte das Gennburg.
Demgegenüber zeigt sich der Verein der Berliner Kaufleute und Industriellen
optimistisch. „Der Schlüssel zu ausreichend bezahlbarem Wohnraum liegt im
Neubau – und wir alle halten diesen Schlüssel in unseren Händen“, sagte
Präsident Markus Voigt dem Tagesspiegel.
## Kritik an Giffeys Stil
Eine Verabredeung gab es dennoch am Freitag. Bis Juni soll das Bündnis in
drei Arbeitsgruppen Vorschläge für den Neubau, die Mietenpolitik und die
Baukultur entwickeln. Letzteres ist umso dringlicher, da beim
Auftakttreffen keine Vertreterinnen und Vertreter der Architektenverbände
eingeladen waren.
Trotz des von ihr selbst verpatzten Starts bemühte sich Franziska Giffey am
Wochenende, Erfolgsmeldungen zu verbreiten. „Um die zentrale soziale Frage
nach bezahlbaren Wohnungen zu lösen, brauchen wir ein konzertiertes
Vorgehen aller Beteiligten“, [5][schrieb sie auf Facebook]. In der – von
Grünen und Linken gestoppten – Erklärung, die der taz vorliegt, hieß es:
„Lösungswege für diese Probleme müssen mit allen Akteuren gemeinsam
beschritten werden.“
Nach Informationen der taz war es nicht der Inhalt der Erklärung, die Grüne
und Linke handeln ließ, sondern Giffeys Stil, wieder einmal vorzupreschen,
um den Erfolg alleine für sich verbuchen zu können. Am Samstag war die
Sonne dann weg – und die Chance vertan.
29 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.dwenteignen.de/2022/01/volksentscheid-nicht-in-geisel-haft-nehm…
[2] https://www.berliner-mieterverein.de/presse/pressearchiv/mieterverein-warnt…
[3] https://www.hamburg.de/bsw/buendnis-fuer-das-wohnen/
[4] https://twitter.com/die_gennburg
[5] https://www.facebook.com/franziska.giffey/posts/2621191721351020
## AUTOREN
Uwe Rada
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