# taz.de -- Ukrainekrise und zivile Konfliktlösung: Viel Spaß bei der Suche | |
> Die Bundesregierung inspiziert das Arsenal an nichtmilitärischen Mitteln, | |
> die sie gegen Russland in Stellung bringen kann. Ihren Preis haben sie | |
> alle. | |
Bild: Soldat der ukrainischen Armee in einem Unterstand an der Frontlinie zur s… | |
Deutsche Waffen für die Ukraine? Wird es nicht geben. Die Diskussion | |
darüber flammte in dieser Woche zwar kurz auf, viel mehr als | |
politisch-mediale Beschäftigungstherapie wird das am Ende aber nicht | |
gewesen sein. | |
Die FDP, die die Debatte angestoßen hatte, [1][bleibt in ihrer Forderung | |
abstrakt] und weiß selbst nicht, was sie denn gerne liefern würde. Die SPD | |
ist für solche Fragen ohnehin nicht zu haben und in diesem konkreten Fall | |
hat sie zur Abwechslung auch mal die Grünen an ihrer Seite: Außenministerin | |
Baerbock lehnte bei ihrem Besuch in Kiew am Montag Waffenlieferungen mit | |
klaren Worten ab. So klar, dass sie ihre Position auch in Zukunft kaum wird | |
revidieren können. | |
Dieses Nein ist klug. Gerade die Grünen werden mit ihrem Grundsatz, keine | |
Rüstungsgüter in Krisengebiete liefern zu lassen, zwar immer wieder an | |
Grenzen stoßen. Kein Krieg lässt sich moralisch so gut begründen wie einer | |
zur Selbstverteidigung gegen einen Aggressor. Entsprechend gewichtige | |
Gründe muss man aufbieten können, um dem Opfer einer Aggression Waffen zu | |
verweigern. | |
In konkreten Fällen gibt es solche Gründe aber. Im Fall der Ukraine hat | |
[2][die Kollegin Anna Lehmann] einige davon in dieser Woche treffend in der | |
taz aufgeführt: Militärisch würden ein paar deutsche Waffen nicht | |
entscheidend dazu beitragen, die ukrainische Armee auf Augenhöhe mit der | |
russischen zu bringen. Eine Lieferung hätte nur symbolischen Wert, der der | |
Ukraine zwar ein gutes Gefühl vermitteln, die Chancen für eine | |
diplomatische Lösung aber weiter schmälern würde – und die Gefahr einer | |
Eskalation erhöhen. | |
## Russlands Regierung tritt auf wie ein Schulhofschläger | |
Aber: Welche Unterstützung erhält die Ukraine alternativ zu militärischer | |
Hilfe? Gespräche mit und Kompromissangebote an Russland sind zwar wichtig. | |
Sie führen aber zu nichts, wenn der Westen nicht gleichzeitig glaubhaften | |
Druck ausübt, sodass Moskau auch darauf eingeht. Bislang zumindest tritt | |
die russische Regierung eher auf wie der Schulhofschläger, der seinen | |
Willen unmittelbar erfüllt haben möchte und andernfalls für nichts | |
garantiert. | |
Nötig ist eine konkrete Solidaritätserklärung in Richtung Ukraine: Der | |
Westen muss aussprechen, welche nichtmilitärischen Strafmaßnahmen er zu | |
ergreifen bereit wäre, falls sich Russland zu einer offenen Invasion | |
entscheidet. Aus EU und Nato heißt es zwar schon jetzt mehrmals am Tag, | |
dass es in dem Fall eine harte und geschlossene Antwort gäbe. Präzise | |
spricht der Westen aber nicht aus, auf welche Strafen er sich für den | |
Ernstfall geeinigt hat. | |
Zwei Argumente werden dafür aus den Regierungsparteien angeführt: aus der | |
Ecke der Grünen, dass man einen taktischen Vorteil verspiele, wenn man | |
seine Instrumente zu früh auf den Tisch legt. Aus der SPD, dass man das | |
Gesprächsklima nicht mit offenen Drohungen weiter vergiften wolle. | |
Die russische Regierung aber, die Schwäche zuverlässig wittert, wird aus | |
dem Fehlen eines eindeutigen Strafenkatalogs eine eigene Schlussfolgerung | |
ziehen: [3][Der Westen wird sich mal wieder nicht einig]. | |
## Eine Drohung, die Putin schmerzt | |
Da ist ja auch etwas dran, selbst wenn sich Olaf Scholz in dieser Woche | |
zumindest ein Stückchen an das Bekenntnis herangerobbt hat, Nord Stream 2 | |
im Fall der Fälle vielleicht doch zu beerdigen. Ganz offen aussprechen will | |
er das aber weiterhin nicht. | |
Und vom Vorhaben, Russland im Kriegsfall vom internationalen | |
Zahlungsverkehr und dem Swift-System auszuschließen, sind die westlichen | |
Regierungen in dieser Woche schon wieder abgerückt. Zu groß ist die Sorge | |
vor dem Rückschlag auf die eigene Wirtschaft. Auf eine Alternative konnte | |
man sich aber auch noch nicht einigen. Eine Drohung, die Putin schmerzt, | |
nicht militärisch ist und bitte auch nichts kostet? Viel Spaß bei der | |
Suche! | |
Die Kosten: Sie sind vielleicht der entscheidende Punkt. Die Pandemie | |
dauert an. Die Energiepreise sind hoch. Dazu noch mit Sanktionen drohen, | |
die auch für Europa einen Preis hätten? Das wäre eine Herausforderung für | |
die politische Kommunikation. Aber es ist hier wie mit den beiden anderen | |
Großkrisen, Klima und Corona: Wer präventiv keine Kosten tragen möchte, | |
erhält später eine umso höhere Rechnung. Ein Krieg in Europa wäre für | |
niemanden billig. | |
22 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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