| # taz.de -- Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss: Finanzamt an der Nase heru… | |
| > Steuerprüfer wurden von der Finanzbranche gezielt auf die falsche Fährte | |
| > gelockt. Das sagte ein Sachverständiger am Freitag im | |
| > Untersuchungsausschuss aus. | |
| Bild: Wurde gezielt verwirrt: Finanzamt für Großunternehmen | |
| Hamburg taz | Finanzämter sind von Investmentbankern bei der Prüfung von | |
| Cum-Ex-Geschäften bewusst auf eine falsche Fährte gelockt worden. Wie der | |
| Sachverständige Alexander Heist am Freitagabend im parlamentarischen | |
| Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft sagte, sei es auf | |
| diese Weise faktisch nicht möglich gewesen zu ermitteln, ob sich jemand zu | |
| Unrecht Steuern hat erstatten lassen, die er vorher gar nicht bezahlt | |
| hatte. | |
| Der Ausschuss versucht die Frage zu klären, wie es dazu kam, dass das | |
| Hamburger Finanzamt in den Jahren 2016 und 2017 Steuerforderungen gegenüber | |
| der Privatbank MM Warburg in Höhe von insgesamt 90 Millionen Euro verjähren | |
| lassen wollte. Dabei interessiert die Abgeordneten vor allem, ob die | |
| damalige Senatsspitze, also [1][der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz und | |
| der heutige Bürgermeister Peter Teschentscher (beide SPD) Einfluss auf die | |
| Entscheidung] des Finanzamtes genommen haben, wofür es eine [2][Reihe von | |
| Indizien] gibt. | |
| Bei Cum-Ex- und ähnlichen Geschäften haben Anwälte, Bankiers, Börsenhändler | |
| und Investoren allein dem deutschen Fiskus zig Milliarden Euro gestohlen. | |
| Dabei wurden Aktien um den Dividendenstichtag herum schnell hin und her | |
| gehandelt, so dass mehrere Akteure nur einmal bezahlte Kapitalertragsteuer | |
| zurückfordern konnten – ein glatter Griff in die Staatskasse. | |
| Vertreterinnen der oberen Etagen des Hamburger Finanzamts für | |
| Großunternehmen sowie der Finanzbehörde hatten vor dem Ausschuss stets | |
| argumentiert, sie müssten die „Lieferketten“ der Aktien nachverfolgen | |
| können, also nachweisen, wer zu welchem Zeitpunkt die Aktien besaß. | |
| ## Bloß Buchungen | |
| Wie Heist, ehemaliger Mitarbeiter der Bundesanstalt für | |
| Finanzdienstleistungen (Bafin) sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) | |
| darstellte, war das nicht zweckmäßig, weil bei den Geschäften keine | |
| identifizierbaren Aktien gehandelt sondern nur Buchungen getätigt werden – | |
| und zwar in einem Volumen, das die eigentliche Transaktion weit übersteigt. | |
| Dabei werden die Aktien teilweise auch nur verliehen und versprochen, | |
| sodass unklar ist, wer ihr Eigentümer oder Nutznießer ist. | |
| Dass hier etwas faul war, hätten die Finanzämter Heist zufolge viel | |
| [3][einfacher dran feststellen können, dass die risikolosen Geschäfte für | |
| teuer Geld mit sogenannen Derivaten „versichert“ wurden], die das Geld | |
| einbrachten. „Wenn sie nicht daran glauben, dass Ihnen im Investmentbanking | |
| jemand Geld schenkt, war das leicht auszurechnen“, sagte der Anwalt. | |
| Die Täter hätten versucht, die Finanzämter davon abzulenken. „Wenn sie | |
| nicht möchten, dass die Betriebsprüfung im Bilde ist, verweisen sie die auf | |
| die Aktien und wenn einer nach Derivaten fragt, behaupten sie, das sei ein | |
| Standardhedge“, sagte Heist, also eine Absicherung zu den tatsächlichen | |
| günstigen Marktpreisen. „Da wurden Finanzbeamte vorsätzlich hinters Licht | |
| geführt.“ | |
| Gestützt wurden diese Geschäfte durch eine ganze Industrie an Beratern, | |
| Investmentbankern sowie naiven bis willfährigen Juristen. Kürzlich wurde | |
| etwa bekannt, dass sich die Hamburger Finanzverwaltung von Hartmut Klein | |
| beraten ließ, der als Dozent für die Bundesfinanzakademie arbeitete. Das | |
| tat er allerdings nur bis 2012, um danach bei dem Anwalt Hanno Berger | |
| anzuheuern, der als einer der größten Drahtzieher im Cum-Ex-Geschäft gilt. | |
| Als gegen ihn ermittelt wurde, setzte Berger sich 2012 in die Schweiz ab. | |
| Er sitzt dort in Auslieferungshaft. | |
| ## Kritik lange bekannt | |
| Denjenigen, die eine mehrfache Steuerrückerstattung für legal erklärten, | |
| hätten Autoren von Fachaufsätzen schon in den 90er Jahren widersprochen, | |
| sagte Heist. Spätestens 2011 habe durch den Aufsatz eines Mitarbeiters der | |
| Hessischen Finanzverwaltung Klarheit darüber geherrscht, wie die Geschäfte | |
| funktionierten. Heist kritisierte, dass kritische Forschung zu dem Thema | |
| kaum finanziert werde. | |
| „Ab 2016 war es Grundlage unserer Arbeit, dass es steuermissbräuchlich | |
| war“, sagte Felix Hufeld, ehemaliger Präsident der [4][Bundesanstalt für | |
| Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin)] vor dem Ausschuss. Im November | |
| dieses Jahres beschloss die Hamburger Finanzverwaltung dennoch, 47 | |
| Millionen Euro Forderungen an Warburg verjähren zu lassen. | |
| Hufeld wurde auch zu einer Einflussnahme des ehemaligen | |
| SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs befragt, gegen den die Kölner | |
| Staatsanwaltschaft wegen Begünstigung ermittelt. Er bestätigte, zweimal mit | |
| Kahrs gesprochen zu haben. Es gehöre zum normalen Geschäft, dass sich Leute | |
| mit gewissen Interessenlagen meldeten. „Als er sich über konkrete Maßnahmen | |
| erkundigen wollte, sagte ich mein Standardsprüchlein, dass wir | |
| einzelaufsichtliche Maßnahmen nicht kommentieren.“ | |
| Kahrs habe sich nicht auf unangemessene Weise an ihn gewandt. Das Gespräch | |
| sei nicht unangenehm gewesen. Allgemein gesprochen ließen sich Prüfer aber | |
| ungern in ihr Geschäft reinreden. Sie würden dann gerne bockig. | |
| 7 Jan 2022 | |
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| [1] /Skandal-um-Steuerraub/!5823220 | |
| [2] /Neue-Indizien-im-Steuer-Skandal/!5815561 | |
| [3] /Hamburger-Cum-Ex-Steuerskandal/!5820404 | |
| [4] https://www.bafin.de/DE/Startseite/startseite_node.html | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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