# taz.de -- Cum-Ex-Steuerraub: Scholz' Gedächtnislücken angezeigt | |
> Der Hamburger Anwalt Gerhard Strate zeigt in der Cum-Ex-Affaire | |
> Bundeskanzler Scholz und Hamburgs Bürgermeister Tschentscher an. | |
Bild: Eher milde im Umgang mit der Warburg-Bank: Kanzler Scholz und Hamburger B… | |
HAMBURG taz | Im [1][Cum-Ex-Skandal] um Steuererstattungen an die Hamburger | |
Privatbank MM Warburg hat der prominente Strafverteidiger Gerhard Strate | |
jetzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angezeigt. Dieser habe sich vor dem | |
Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft einer uneidlichen | |
Falschaussage schuldig gemacht. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) | |
wirft er Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor. Mit seiner Anzeige knüpft er | |
an [2][Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Scholz] an, die | |
drei Wochen vor der Bundestagswahl eingestellt wurden – mit einer aus Sicht | |
Strates unbefriedigenden und nicht mehr aktuellen Begründung. | |
Strates Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 2016 und 2017, in denen | |
Tschentscher Finanzsenator und Scholz Erster Bürgermeister war. Damals | |
beschloss die Hamburger Finanzverwaltung, Steuerrückforderungen an Warburg | |
in Höhe von insgesamt 90 Millionen Euro verjähren zu lassen. 2017 zwang das | |
Bundesfinanzministerium die Hamburger mit einer Weisung, sich das Geld | |
zurückzuholen. | |
Bei der in Rede stehenden Summe ging es um Steuererstattungen aus | |
Cum-Ex-Geschäften. Dabei wurden Aktien um den Dividendenstichtag herum | |
mehrfach gehandelt, sodass am Ende kaum mehr nachzuverfolgen war, wer wann | |
die Aktien eigentlich besaß, wer Kapitalertragssteuer bezahlt hatte und | |
diese somit zurückfordern konnte. Die Geschäfte waren darauf angelegt, dass | |
sich die Beteiligten einmal bezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach | |
erstatten lassen konnten. | |
Der Hamburger Fall ist besonders brisant, weil sich Bürgermeister Scholz im | |
zeitlichen Zusammenhang mit der 2016 getroffenen Entscheidung des Hamburger | |
Finanzamtes und der Finanzbehörde mehrfach mit Vertretern der Warburg-Bank | |
traf und mit diesen auch telefonierte. In diesem Zeitraum revidierte das | |
Hamburger Finanzamt seine ursprüngliche, ausführlich begründete | |
Entscheidung, die Steuern zurückzufordern, mit einer dürren Stellungnahme. | |
Ob Scholz und Tschentscher auf die Revision dieser Entscheidung Einfluss | |
genommen haben, ist Gegenstand eines Parlamentarischen | |
Untersuchungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft. | |
## Räuberische Natur der Cum-Ex-Geschäfte | |
Strate argumentiert, dass Scholz und Tschentscher die räuberische Natur von | |
Cum-Ex-Geschäften bereits 2016 bewusst gewesen sein muss. Dafür spricht, | |
dass die Hamburger Steuerverwaltung 2014 das erste Cum-Ex-Verfahren | |
erfolgreich durchgefochten hatte. Strate führt eine Gesetzesänderung 2007 | |
und zwei Urteile von Finanzgerichten an. Außerdem müssten Scholz und | |
Tschentscher gewusst haben, dass die Kölner Staatsanwaltschaft schon Anfang | |
2016 gegen die Warburg-Bank wegen Cum-Ex-Geschäften ermittelte. | |
Uneidliche Falschaussage wirft Strate dem ehemaligen Bürgermeister Scholz | |
vor, weil sich dieser vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zum Inhalt | |
seiner Gespräche mit Warburg-Vertretern angeblich nicht erinnern konnte. 40 | |
mal habe Scholz gesagt, er könne sich nicht erinnern, zählte Strate. „Diese | |
Aussage ist falsch“, stellt der Anwalt fest, der betont, im eigenen Namen | |
aufzutreten. | |
Auf das Gespräch im September 2016 mit den Gesellschaftern der Warburg-Bank | |
sei Olaf Scholz durch ein anderthalbseitiges Papier aus der | |
Wirtschaftsbehörde vorbereitet worden. Darin werde bereits in der ersten | |
Zeile als „möglicher Ansprechpunkt“ die „Cum-Ex-Geschäfte“ genannt, d… | |
Anfang 2016 „auch in Verbindung mit der Privatbank M. M. Warburg gebracht | |
wurden“. In dem Papier werde auch ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung | |
von Anfang 2016 erwähnt, demzufolge die Warburg-Bank in „kriminelle | |
Aktiengeschäfte“ in Höhe von bis zu 150 Mio. Euro verwickelt sei. | |
„Aufgrund des Gewichts der gegen die Warburg-Bank erhobenen Vorwürfe hatten | |
diese Gespräche einen sehr viel höheren Aufmerksamkeitswert als sonstige | |
Gespräche, in denen Vertreter der Hamburger Stadtgesellschaft aus Politik, | |
Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft dem Bürgermeister ihre Anliegen | |
vortragen“, schreibt Strate. Dass der Kanzler sich hier an nichts erinnern | |
könne, sei „nicht ansatzweise glaubhaft“. | |
## Beihilfe zur Steuerhinterziehung | |
Tschentscher wirft Strate Behilfe zur Steuerhinterziehung vor und zwar | |
nicht, weil er unberechtigterweise auf die Entscheidungen des Finanzamtes | |
Einfluss genommen habe, sondern weil er als Hamburger Senator gerade für | |
die Entscheidungen seiner nachgeordneten Behörden verantwortlich sei. | |
Tschentscher habe die Entscheidung, 2016 nichts zurückzufordern, billigend | |
zur Kenntnis genommen und 2017 ausdrücklich gebilligt, dass sich die Chefin | |
der Finanzverwaltung gegen die Weisung aus dem Bundesfinanzministerium | |
wandte. | |
Tschentscher hatte aus Strates Sicht das nötige Wissen und zudem „die | |
Befugnis und die Pflicht, einzuschreiten“. Wenn er sich darauf berufe, der | |
Senat lasse die Finanzämter nach Recht und Gesetz ihre Arbeit machen und | |
nehme keinen Einfluss auf deren Entscheidungen, offenbare sich das | |
„letztlich als verfassungswidriger Versuch, sich dieser Pflicht zu | |
entziehen und die staatsrechtlich übertragene Verantwortung durch wohlfeile | |
Redensarten abzuschütteln“. | |
Tschentscher soll am 6. Mai vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss | |
aussagen. | |
20 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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