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# taz.de -- Zukunft des Berliner Molkenmarkts: Showdown hat begonnen
> Zurück in die Vergangenheit oder vorwärts in die Zukunft? Am Molkenmarkt
> in Mitte entscheidet sich Berlins künftige Stadtentwicklungspolitik.
Bild: Der Molkenmarkt mit der Nikolaikirche rechts und dem Stadthaus links um 1…
Berlin taz | Wenn Marek Czyborra sagt, dass Stellplätze für Fahrräder
„priorisiert“ werden sollen und Autofahrer auf die Tiefgarage neben dem
Roten Rathaus zurückgreifen können, klingt das nach Stadtplanung auf der
Höhe der Zeit. Und dann sagt der Berliner Architekt auch noch das: „Wir
wollen keine Stadt für die Reichsten so wie am Werderschen Markt.“ Das ist
dann nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern auch eine Art politisches
Statement.
[1][Marek Czyborra und Tom Klingbeil] haben zusammen mit dem Kopenhagener
Büro [2][OS arkitekter] einen der beiden ersten Preise für den
städtebaulichen [3][Wettbewerb am Berliner Molkenmarkt] gewonnen. Ihr
Entwurf könnte gegenüber dem zweiten Siegerentwurf von [4][Bernd Albers und
Silvia Malcovati] unterschiedlicher nicht sein. Stadtplanung auf der Höhe
der Zeit auf der einen und die Wiedergewinnung des „Herzens Berlins“ durch
eine Annäherung an den historischen Molkenmarkt hinter dem Roten Rathaus
auf der anderen Seite. Am Donnerstag haben beide Büros ihre Arbeiten im
Rahmen einer Auftaktveranstaltung zu einem sogenannten Werkstattverfahren
vorgestellt.
Es war zugleich der erste öffentliche Termin für Berlins neue
[5][Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt] (SPD). Der Molkenmarkt sei der
älteste Markt der Stadt, sagte sie und sprach von einem „Geburtsort unserer
schönen Stadt“. Doch das war es dann schon mit den Emotionen. Eher nüchtern
stellte Kahlfeldt zu Beginn der Veranstaltung das weitere Verfahren vor.
Zunächst sollen die beiden Siegerbüros ihre Entwürfe auf der Grundlage der
Jury-Empfehlungen überarbeiten, bevor sie im Februar in einer
Werkstattsitzung öffentlich diskutiert werden. Nach einer weiteren
Überarbeitungsphase folgt im April die zweite Werkstattsitzung. Danach
entscheidet nach ihrer ersten Sitzung im November die Jury im Juli erneut.
## Architektur kommt später
„Unser Ziel ist ein Entwurf, der die zahlreichen Herausforderungen
weitgehend löst“, sagte Kahlfeldt. „Das ist dann Grundlage für eine Chart…
in der die Kriterien für die Entwicklung des Quartiers definiert wird.“
Über die Architektur der einzelnen Gebäude wird dann in einem weiteren
Verfahren diskutiert.
Klingt erst einmal nach einem Verfahren, wie es sie viele gibt in einer
Stadt, die sich an zahlreichen Ecken immer wieder neu erfinden muss. Doch
der Molkenmarkt ist nicht nur der älteste Markt Berlins. Er ist auch als
städtebauliche Herausforderung einzigartig, da die meisten Grundstücke in
Landesbesitz sind. Nachdem die Arbeiten zur Verlegung der Grunerstraße
längst begonnen haben, soll dort in Zukunft Berlins neuestes Stadtquartier
entstehen. Aber wie soll es aussehen?
Schon jetzt ist absehbar, dass Berlin vor einer neuen städtebaulichen
Kontroverse stehen könnte. Von einer „Richtungsentscheidung“ etwa spricht
der baupolitische Sprecher der Grünen, Andreas Otto. „Es geht um die Frage,
ob wir ins wilhelminische Zeitalter zurückwollen oder in die Zukunft“,
sagte Otto der taz. Für ihn hat der Entwurf von Czyborra/Klingbeil und OS
arkitekter klare Vorteile. „Das sind [6][herausragende
Holzbauarchitekten]“, sagte Otto. „Damit hat der Molkenmarkt die Chance,
ein Leuchtturm der Nachhaltigkeit zu werden.“ Bernd Albers und Silvia
Malcovati wollen sich dagegen eher mit der Geschichte auseinandersetzen. So
soll der historische Jüdenhof an der Jüdenstraße wiederentstehen. In der
Jüdenstraße und der Parochialstraße sollen schmal geschnittene Parzellen
für eine „lebendige Kleinteiligkeit“ sorgen. Erfahrungen dafür hat Bernd
Albers schon beim Bau der [7][„neuen Altstadt“ in Frankfurt am Main]
sammeln können.
Allerdings räumte Malcovati ein, dass eine exakte Rekonstruktion der
Grundstücke und Parzellen am Molkenmarkt nicht möglich sei. „Nach dem
Zweiten Weltkrieg wurde der Molkenmarkt aus der Topografie der Stadt
gelöscht“, sagte sie. „Der Stadtgrundriss wurde dann durch die autogerechte
Stadt vernichtet.“
## Abreißen oder nicht?
Für Streit dürfte auch der Umgang mit dem [8][Atelierhaus in der
Klosterstraße 44] sorgen. Bernd Albers und Silvia Malcovati wollen das
ehemalige Fernmeldeamt Ost-Berlins abreißen. Der private Eigentümer hätte
dann freie Hand, lukrative Neubauten zu errichten. Czyborra/Klingbeil und
OS arkitekter wollen den Gebäuderiegel dagegen in ihr städtebauliches
Konzept integrieren. Dafür spricht sich auch Andreas Otto aus und verweist
auf den Koalitionsvertrag. „Dort wollen wir einen Strategiewechsel weg von
Abriss hin zum Erhalt und Umbau“, sagt Otto der taz. „Das gilt an allen
Stellen der Stadt, an denen Abriss vorgeschlagen wird.“
Auch wenn die Architektur derzeit noch kein Thema ist, haben Albers und
Malcovati bereits die Rekonstruktion einzelner Gebäude in Erwägung gezogen.
Auch der Bau von Townhouses wie auf dem Friedrichswerder ist geplant.
Das passt zur Forderung der [9][„Planungsgruppe Stadtkern“], der auch die
neue Senatsbaudirektorin angehört. Im Tagesspiegel hatte sich der Sprecher
der Gruppe, Benedikt Goebel, für sogenannte „Leitbauten“ ausgesprochen,
also einzelne Gebäude, deren Fassaden wieder rekonstruiert werden sollten.
Goebel favorisiert deshalb den Entwurf von Albers und Malcovati.
Demgegenüber sieht die Präsidentin der Berliner Architektenkammer, Theresa
Keilhacker, den Entwurf von Czyborra/Klingbeil und OS arkitekter im
Vorteil. Allerdings sei das ihre „persönliche Sichtweise“ betonte
Keilhacker. Sie hatte bereits versucht, in der Berliner Bauordnung ein
Verbot für Abrisse von Bestandsgebäuden durchzusetzen.
Unstrittig ist die Frage, wer am neuen Molkenmarkt bauen darf. Es sind vor
allem die landeseigenen Gesellschaften WBM und Degewo. Auch sollen die
Erdgeschosszonen für Gewerbe zur Verfügung stehen. „Wir wollen ein
lebendiges Quartier, eine Nutzungsvielfalt, ein Kulturquartier und
Nachhaltigkeit“, sagte die Juryvorsitzende Christa Reicher.
20 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.cka.berlin/
[2] https://osark.dk/
[3] https://molkenmarkt.berlin.de/
[4] https://molkenmarkt.berlin.de/2021/12/01/die-preistraeger-des-planungswettb…
[5] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/de/kahlfeldt.shtml
[6] https://informationsdienst-holz.de/index.php?id=66&tx_stores_pi1%5Bloca…
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Frankfurter_Altstadt
[8] https://www.facebook.com/AtelierhausK44Berlin/
[9] https://planungsgruppe-stadtkern.de/
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Stadtentwicklung
Andreas Geisel
Städtebaupolitik
Molkenmarkt Berlin-Mitte
Berlin-Mitte
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Stadtplanung
Architektur
Franziska Giffey
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