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# taz.de -- Fleischproduktion in Spanien: Der Schweinestall Europas
> Spanien steht weltweit auf Platz vier der größten
> Schweinefleischproduzenten. Die Folgen für die Umwelt sind gravierend.
> Jetzt schreitet die EU ein.
Bild: Künftiger Jamón Iberico in einer Anlage im spanischen Salamanca
Madrid taz | Es ist [1][neben Deutschland] der größte Produzent von
Schweinefleisch in Europa: Spanien. Und nirgends wird so billig produziert
wie hier. Mit 32 Millionen Schweinen ist Spanien der Schweinestall der EU.
Jede Schweineaufzucht produziert pro Jahr und Stallplatz fast zwei Tiere.
Das zeigt die Zahl der geschlachteten Schweine, die 2020 bei 56,1 Millionen
Tieren lag.
Diese Massenproduktion beeinträchtigt nicht nur das [2][Tierwohl], sondern
[3][schadet auch der Umwelt]. Spanien wurde jetzt wegen mangelnden
Grundwasserschutzes von der EU-Kommission vor dem Gerichtshof der
Europäischen Union angezeigt.
„Die Kommission hat beschlossen, Spanien vor dem Gerichtshof der
Europäischen Union zu verklagen, weil das Land keine ausreichenden
Maßnahmen gegen die Verunreinigung durch Nitrat ergriffen hat“, heißt es in
einem Schreiben von Anfang Dezember. Im „europäischen Grünen Deal“ werde
ein Null-Schadstoff-Ziel für die EU festgelegt, was der öffentlichen
Gesundheit, dem Umweltschutz und der Klimaneutralität zugutekommen solle.
„Die Kommission ist der Auffassung, dass die bisherigen Bemühungen der
spanischen Behörden unzufriedenstellend und unzureichend waren“, klagt die
Kommission.
„Nichts ist so wenig nachhaltig wie die Schweinezucht“, sagt Luis
Ferreirim, Spezialist für industrielle Viehzucht bei Greenpeace Spanien. Er
hat zusammen mit seinem Team eine Studie vorgestellt, die aufzeigt, wie der
Sektor zu dem wurde, was er heute ist und was das für die Tiere und die
Umwelt bedeutet. Laut Eurostat gibt es heute in Spanien rund 30 Prozent
mehr Schweine als 2012.
„80 Prozent der 88.000 Zuchthöfe sind industrielle Großbetriebe“, sagt
Ferreirim. Diese wachsen Jahr für Jahr, während immer mehr kleine Züchter
schließen müssen. Sie können einfach nicht so billig produzieren wie die
großen. Das Kilogramm Schweinefleisch kostet ab Schlachthof in Spanien 1,61
Euro ohne Mehrwertsteuer und ist damit so billig wie nirgends in der EU. In
Österreich sind es 1,75 Euro, in Deutschland 1,78 Euro, und im teuersten
europäischen Land, in Schweden, 2,08 Euro.
## China an der Spitze
Die Schweinezucht macht 14 Prozent der landwirtschaftlichen Endproduktion
in Spanien aus und ist mit 39 Prozent der Produktion der wichtigste Sektor
innerhalb der Viehzucht. Im Jahr 2020 wurden rund 5 Millionen Tonnen
Schweinefleisch produziert, womit Spanien derzeit auf Platz 4 weltweit
liegt, ganz knapp hinter Deutschland. An der Spitze stehen [4][China] und
die USA.
Spanien könnte sich mit der Schweineproduktion 1,7-mal selbst versorgen.
Und das, obwohl die Spanier laut der Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) mit 271 Gramm pro
Kopf am Tag so viel Fleisch und Fleischprodukte essen wie sonst niemand in
Europa. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 216 Gramm. „Neben dem
Binnenmarkt leben die Schweinezüchter vom Export nach China und in die
restliche EU“, erklärt Ferreirim.
Greenpeace drang vor wenigen Wochen in die größte Schweinezucht Spaniens im
südspanischen Castilléjar ein. Dort mästet das Unternehmen Grupo Fuertes,
zu dem Marken wie El Pozo und Cefusa gehören, jährlich 651.000 Ferkel. „Was
wir dort vorfanden, war Verwahrlosung, Dreck. Wir waren auf vieles
vorbereitet, doch das, was wir sahen, übertraf alle Erwartungen“, sagt
Ferreirim. Einer der bekanntesten Fotografen Spaniens hielt alles fest. Die
Bilder gingen durch die Presse.
Während in Österreich der Bestand seit 2012 stabil ist und in Deutschland
gar um rund 8 Prozent zurückging, stieg der Bestand in Spanien um 30
Prozent. Das wirkt sich auf die Umwelt aus. 69,4 Millionen der 313
Millionen Tonnen des Klimagases CO2, die Spanien jährlich verursacht,
kommen aus der Viehzucht, davon die Hälfte von Schweinen.
## Ammoniakemissionen steigen
Die Fleischindustrie ist für 94 Prozent der Ammoniakemissionen in Spanien
verantwortlich. Allein die Schweineindustrie verursacht 69 Prozent. Während
in der EU die Ammoniakemission von 1990 bis 2015 um 24 Prozent zurückging,
nahm sie in Spanien um 12 Prozent zu.
Die EU-Kommission beklagt, dass in Spanien in immer mehr Regionen Böden und
Grundwasser mit Nitrat verseucht sind. Eine der betroffenen Gegenden ist
Katalonien. Zwischen Lleida und Girona befindet sich eine der Hochburgen
der spanischen Schweinemastindustrie. „Die Gemeinden im Kreis Osona
entnehmen jedes Jahr Grundwasserproben. Die Hälfte davon liegt deutlich
über dem Grenzwert für Nitrat“, sagt Joel Vidal von der Bürgerinitiative
zum Schutz des Flusses Ter. „Kleine Höfe gibt es nicht mehr“, sagt Vidal.
Laut Greenpeace betreiben in Katalonien 99,9 Prozent der Höfe industrielle,
intensive Schweinezucht. Allein in Osona beläuft sich der Bestand auf über
eine Million Tiere. „Die Gülle wird auf Feldern ausgebracht“, erklärt
Vidal. Doch die Menge ist so groß, dass das Grundwasser verseucht wird.
Neben den Zuchtbetrieben gibt es in der Region auch mehrere große
Schlachthöfe. Das bringt weiteren Lkw-Verkehr, Lärm und Gestank mit sich.
Die lokale Bevölkerung hat wenig von der industriell betriebenen
Landwirtschaft. Denn die Arbeitsbedingungen in den Farmen und Schlachthöfen
sind so prekär, dass meist nur Immigranten hier arbeiten. Die Fluktuation
ist enorm. Wer etwas anderes findet, ist weg.
Sowohl Vidal als auch Ferreirim sind sich einig, wenn es um die Lösung des
Problems geht. „Der erste Schritt muss ein Moratorium sein. Und dann müssen
Kapazitäten abgebaut werden“, fordert Greenpeace-Sprecher Ferreirim.
3 Jan 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Ernährung
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Landwirtschaft
Deutsches Tierschutzbüro
Afrikanische Schweinepest
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